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Tage der deutschsprachigen Literatur
Bachmann-Preis 2018 geht an Tanja Maljartschuk

Der Wettbewerb der 42. Tage der deutschsprachigen Literatur ist zu Ende: Die in der Ukraine geborene Autorin Tanja Maljartschuk erhält den diesjährigen Bachmann-Preis. Der Deutschlandfunk-Preis geht an Bov Bjerg. Die Autorinnen Özlem Özgül Dündar und Anna Stern erhalten weitere Preise.

Von Jan Drees | 08.07.2018
    Tanja Maljartschuk liest bei den 42. Tagen der deutschsprachigen Literatur in Klagenfurt ihren Text "Frösche im Meer"
    Tanja Maljartschuk liest bei den 42. Tagen der deutschsprachigen Literatur in Klagenfurt ihren Gewinnertext "Frösche im Meer" (ORF - Johannes Puch)
    Der Siegertext des Tages heißt "Frösche im Meer" und erzählt in klassischer Manier von einem Flüchtling, der vom Illegalen ins noch Fatalere rutscht – weil er Empathie hat, und einer alten, dementen Frau helfen möchte. Doch für eben diesen karitativen Dienst wird er bezichtigt, jene, die Außenseiterin ist wie er, zu betrügen. Tanja Maljartschuk wurde eingeladen von Stefan Gmünder.
    Der mit 12.500 Euro dotierte und heute zum zweiten Mal vergebene Deutschlandfunk-Preis geht an den Bestsellerautor Bov Bjerg ("Auerhaus") für seine Vater-Sohn-Geschichte "Serpentinen". Bemerkenswert ist, dass Bjerg eben deshalb begeisterte, weil er "Platz zum Atmen" lässt, wie es Jurymitglied Klaus Kastberger heute sagte. Berg war von Kastberger eingeladen worden, und er galt schon zu Beginn als einer der Preisfavoriten.
    Auf sprachlich avancierte Weise literarisiert
    Gefragt werden darf, wie sich die hier prämierten Texte weiterentwickeln, in welcher Form sie zu einem späteren Zeitpunkt veröffentlicht werden. Während früher das Wettlesen um den Bachmannpreis Schriftstellerkarrieren begründete, man denkt an Rainald Goetz (1983) oder Birgit Vanderbeke (1990), gab es in den vergangenen Jahren etliche Abweichungen. Der Romanauszug, mit dem Jens Petersen 2009 den Bachmannpreis gewann, ist nie ergänzt worden. Es gibt keinen Roman, es gibt nur das damals präsentierte Fragment. Wenig sieht man in den Verlagsvorschauen von Sharon Dodua Otoo, die 2016 gewann. Kathrin Passig (Bachmannpreis 2006) tritt lediglich als Sachbuchautorin in Erscheinung; und was ist bislang geworden aus der Prosakarriere des als Dramaschriftsteller bekannten Ferdinand Schmalz, der im vergangenen Jahr den mit 25.000 Euro dotierten Preis erhielt?
    Bov Bjerg
    Der Deutschlandfunkpreisträger 2018: Bov Bjerg (ORF / ORF-K / Johannes Puch)
    Weitere Preise wurden verliehen an Özlem Özgül Dündar (Kelag-Preis, mit 10.000 Euro dotiert), die mit "Ich brenne" einen "Chor der Mütter" (Insa Wilke) über den Solinger Brandanschlag des Jahres 1993 inszeniert und auf sprachlich avancierte Weise literarisiert. Den 3sat-Preis (ebenfalls 7.500 Euro) erhält Anna Stern für "Warten auf Ava" für die Geschichte einer im Koma liegenden Frau, für einen Text, der das uralte "Noli me tangere"-Motiv in die Gegenwart überführt. Der BKS-Publikumspreis, über den die Zuschauerinnen und Zuschauer am gestrigen Nachmittag über das Internet abstimmen konnten, erhält überraschend Raphaela Edelbauer für "Das Loch", mit dem das Wettlesen am Donnerstagvormittag eröffnet wurde. Alle Texte können auf der Bachmannpreis-Internetseite des ORF nachgelesen werden.
    "Ich darf jetzt den Vorhang zuziehen nach diesen Tagen", sagte der Deutschlandfunk-Redakteur und Juryvorsitzende Hubert Winkels in seiner Abschlussrede. Er begrüßte, dass der Bachmannpreis nach etlichen Infragestellungen in "ruhiges Fahrwasser" geraten ist. Zugleich bestätigte er den Quasi-Vorwurf Daniel Kehlmanns ("Die Vermessung der Welt"), dass der Bachmann-Preis ein Phänomen der Machtausübung sei, "so wie alles". Jedoch, auch das erwähnte Winkels, habe sich die Argumentationsweise der Jury zivilisiert, es geht nahezu ausschließlich um "die Texte" und herauszuheben sei, dass die "gut erzählte Geschichte" 2018 prägend war.
    Die Preisträger 2018 im Überblick:

    Bachmannpreis: Tanja Maljartschuk für "Frösche im Meer"

    Deutschlandfunk-Preis: Bov Bjerg für "Serpentinen"

    KELAG-Preis:
    Özlem Özgül Dündar für "und ich brenne"

    3sat-Preis:
    Anna Stern für "Warten auf Ava"

    BKS-Publikumspreis: Raphaela Edelbauer für "Das Loch"