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Tanzt der Teufel?

Sascha Ring ist eines der Aushängeschilder Berliner Klubkultur. Der 33-jährige Elektronikmusiker hat gerade sein neues Album "The Devil's Walk" veröffentlicht, das vielleicht am Ende einer Metamorphose vom Dancefloorkünstler zum Popmusiker steht. Kein Geringerer als Daniel Miller, der Entdecker von Depeche Mode, hat Apparat für sein Label Mute gesignt. Das ehemalige reine Elektroniklabel ist heute sehr breit aufgestellt: große Namen wie Nick Cave oder Yann Tiersen sind nun seine Label-Kollegen. "The Devil's Walk" wurde schon auf vielen Festivals im Sommer vorgestellt, auch auf dem Berlin Festival, wo Florian Fricke mit Apparat sprechen konnte.

Von Florian Fricke | 22.09.2011
    So klang Sascha Ring am Anfang seiner Karriere vor knapp zehn Jahren: ein echter Studionerd und Soundtüftler, der seine eigene Musiksoftware entwickelte und kleine introvertierte Elektro-Epen bastelte. Im Laufe der Jahre baute er eine immer größere und stabilere Brücke zwischen sprödem Berliner Clicks-&-Cuts-Minimalismus und universeller Pop-Romantik. Auf seinem neuen Album "The Devil's Walk" ist er nun endgültig im Pop-Lager angekommen und hat die Brücke hinter sich erst mal abgebrochen.

    Gefühlsgewaltiger Pop, der sich elegant falsches Pathos und übertriebenen Bombast vom Leibe hält. Der Schritt mutet radikal an und wird alte Weggefährten und Fans vielleicht verschrecken. Abgehalten hat das Sascha Ring nicht.

    "Ich habe vor einer Weile diese Angst abgebaut, im Studio zu sitzen und was zu machen, was am Ende im Radio laufen könnte. Und seitdem war's dann irgendwie ganz egal. Und irgendwie sind das jetzt alles Produkte, die aus unserem Inneren entsprungen sind. Insofern, solange man sich nicht mehr dafür schämt, ist das gar kein Problem - also nö."

    Früher bestand Apparat aus Sascha Ring an seinen Synthesizern und Rechnern und diversen Gastsängern. Heute singt er selber, hat sich auf die Schnelle Gitarrespielen beigebracht und eine kleine Band um sich geschart.

    "Und da ich schon immer auf der Suche nach Sounds war, und deswegen auch viel rumprogrammiert und gemacht habe, einfach so Sound Design, sind natürlich auch irgendwann so akustische Sounds für mich total interessant geworden. Da kann man ja auch total viel rumexperimentieren: mit Mikrofonen, die man dahinpackt, wo sie sonst nicht stehen würden, an Instrumenten rumbasteln, was man nicht alles machen kann. Und da gibt's noch mal eine ganz neue Klangwelt, die mich wahnsinnig interessiert hat."

    Apparat ist international anerkannter Berliner Elektronik-Adel, war lange Zeit auf Ellen Alliens "Bpitch Control"-Label und kooperierte mit dem Kollegen-Duo Modeselektor. Aber nun scheint es Sascha Ring so zu gehen wie vielen Protagonisten der DJ- und Produzenten-Szene, aber auch den Ravern auf der Tanzfläche, wenn sie in die Jahre kommen. Irgendwann hat man es alles über, war auf nicht nur gefühlten Hunderten von Partys und kennt alles nur allzu gut. Der nächste Schritt will gegangen werden. Im Fall von Apparat ist er gleichzeitig Aufbruch und Rückblick. Streckenweise klingt "The Devil's Walk" wie der melancholische Abgesang auf jugendliche Sturm-und-Drang-Jahre. Aber eigentlich fühlt sich Ring pudelwohl in seiner neuen Rolle als Bandleader und genießt die Vorzüge des Tourlebens.

    "Das Allerallerwichtigste und -anderste ist ja, dass man so zweimonatige Tourneen im Bus richtig durchzieht. Man spielt Montag, Dienstag, Freitag, Donnerstag frei, irgendwie so was. Da kommt man in einen ganz anderen Flow und kann ein ganz anderes Level entwickeln, wenn man da in so einem richtig manischen Film ist. Und DJ-Touring ist halt, dass du am Wochenende spielst und die Woche über zuhause und dann wieder nächstes Wochenende - das ist halt so ein wahnsinniges Hin und Her, was dich irgendwann auch komplett kirre macht."

    Apparat veröffentlicht "The Devil's Walk" beim legendären englischen Label Mute, Heimat unter anderem auch von Depeche Mode. Von der Soundästhetik passt das durchaus. Ring wuchs noch halb in der DDR auf und war dort Teil der riesigen Depeche Mode-Fan-Gemeinde. Vielleicht darf er seine alten Heroen bald beim Mute-Weihnachtsessen begrüßen. Das dürfte ihn auch über den einen oder anderen verlorenen Altfan hinwegtrösten.

    "Ich finde es einfach wahnsinnig uninteressant, einfach noch mal die gleiche Platte zu machen. Wer braucht denn das? Und warum gibt es Leute da draußen, die genau das von dir wollen? Dafür bin ich nicht Musiker geworden. Da kann ich gleich in ein Büro gehen und den gleichen Job over and over again machen."