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Terror im Irak
Ayatollah Sistani fordert neue Regierung

Der Rückhalt für Iraks Premierminister Nuri al-Maliki bröckelt. Das Oberhaupt der Schiiten im Land, Großayatollah Ali al-Sistani, rief Maliki zur raschen Bildung einer neuen Regierung auf, die in der gesamten Nation akzeptiert werde. "Iraker aller Glaubensrichtungen" müssten die Isis-Rebellen vertreiben.

20.06.2014
    Großayatollah Sistani verlangte eine "effiziente" Regierung, die "die Fehler der Vergangenheit vermeidet". Dem Schiiten Maliki wird vorgeworfen, durch eine Diskriminierung der sunnitischen und der kurdischen Minderheit die Spaltung des Landes vorangetrieben zu haben. Zugleich rief Sistani das neu gewählte Parlament zu einer raschen Aufnahme seiner Arbeit auf. Bislang hat die irakische Regierung die konstituierende Parlamentssitzung blockiert.
    In einer von einem Vertrauten vorgetragenen Botschaft in der Stadt Kerbala kritisierte Sistani Ministerpräsident Maliki und machte seine Führung für das Erstarken der sunnitischen Dschihadisten-Organisation Islamischer Staat im Irak und in Großsyrien (Isis) verantwortlich, die weite Teile des Nordens eingenommen hat. Sistani rief Maliki nicht ausdrücklich zum Rücktritt auf, sagte aber, die künftige Regierung müsse "neue Horizonte für einer bessere Zukunft für alle Iraker" öffnen.
    "Isis ist eine böse Kraft"
    Der Geistliche meldet sich höchst selten öffentlich zu Wort. Die schiitischen Bevölkerungsmehrheit verehrt ihn; er gilt als einer der einflussreichsten Menschen des Landes. Sistani rief auch die Bevölkerung des Landes auf, die Isis-Extremisten zu bekämpfen und aus dem Irak zu vertreiben. "Isis ist eine böse Kraft. Wenn wir sie heute nicht besiegen, werden wir das morgen bereuen." Der Aufruf richte sich "an alle Bürger unabhängig von ihrer Religion", sagte Sistanis Sprecher. Diese Aussage wurde als ein weiteres Zeichen zur Überwindung der konfessionellen Spaltung verstanden.
    Irakische Schiiten melden sich freiwillig, um gegen die islamistische Terrorgruppe Isis vorzugehen
    Irakische Schiiten melden sich freiwillig, um gegen die islamistische Terrorgruppe Isis vorzugehen (picture alliance / dpa/Alaa Al-Shemaree)
    Nach den USA bekräftigte auch Frankreich, das Land brauche eine Regierung der nationalen Einheit. Dabei spiele keine Rolle, ob dies mit oder ohne Maliki geschehe, sagte Frankreichs Außenminister Laurent Fabius. In Berlin erklärte Regierungssprecher Steffen Seibert: "Was wir ganz klar sehen, ist die Notwendigkeit für eine Politik, die alle Bevölkerungsgruppen dort umfasst."
    Doch Iraks Premier macht allein ausländische Kräfte für die desaströse Lage im Land verantwortlich. Im Staatsfernsehen spricht er von einer "Verschwörung", die in der Region geplant worden sei.
    Militär bereitet neue Offensive gegen Extremisten vor
    Nach großen Gebietsverlusten und der Desertion Tausender Soldaten will die irakische Regierung die Isis-Terroristen vor der Hauptstadt Bagdad zurückdrängen. In dem Gebiet zog das Militär nach Angaben von Regierungsmitarbeitern neue Truppen zusammen, die zum Gegenschlag gegen die Kämpfer ausholen sollen. Trotz massiver Kritik an Ministerpräsident Nuri al-Maliki wollen die USA die irakischen Truppen mit bis zu 300 "Beratern" unterstützen. Zugleich bereiten sich die Amerikaner längst auf neue Militärschläge im Irak vor. Zweieinhalb Jahre nach Ende des Irakkriegs sagte US-Präsident Barack Obama: "Wir sind bereit, gezielte und präzise militärische Schritte zu unternehmen, wenn wir feststellen, dass die Situation vor Ort es erfordert."
    (sdö/tgs)