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Terrorwarnung
Brüssel bleibt im Ausnahmezustand

Über mehrere Stunden beriet der Nationale Sicherheitsrat, dann stand fest: In Brüssel gilt nach wie vor eine akute Anschlagsgefahr, die höchste Terrorwarnstufe bleibt vorerst bestehen. Erst ab Mittwoch soll es einige vorsichtige Lockerungen geben.

Von Jörg Münchenberg | 23.11.2015
    Soldaten und Polizisten patrouillieren in Brüssel.
    Soldaten und Polizisten patrouillieren in Brüssel. (picture alliance / dpa / Jakub Dospiva)
    Brüssel bleibt weiter im Ausnahmezustand. Nach über dreistündigen Beratungen des Nationalen Sicherheitsrates gab am Abend Premierminister Charles Michel die Entscheidung bekannt. Die höchste Terrorwarnstufe für den Großraum Brüssel wird um eine ganze Woche bis kommenden Montag verlängert, die Schulen sollen jedoch am Mittwoch öffnen und auch die Metro wieder langsam ihren Betrieb aufnehmen. Doch vorerst bleibt es dabei: Für Brüssel gilt nach den Anschlägen von Paris eine akute Anschlagsgefahr. "Wir denken, dass die möglichen Ziele dieselben sind, die wir gestern vorgestellt haben, also stark besuchte Orte wie Einkaufsstraßen, Einkaufszentren und der öffentliche Verkehr."
    Deshalb sollen die Bürger große Menschenansammlungen unbedingt meiden. Bereits in der Nacht zum Samstag war die Terrorwarnstufe auf das höchste Niveau angehoben worden. Vorausgegangen war eine Einschätzung des unabhängigen Antiterrorstabes, der wiederum der Regierung unmittelbar zuarbeitet.
    Brüssel wirkt wie gelähmt
    Die jetzige Maßnahme dient aber wohl auch dazu, die Sicherheitskräfte zu entlasten und nicht Personal für die Bewachung etwa von Großveranstaltungen zusätzlich zu binden. Man habe sich, so Michel, die Entscheidung nicht leicht gemacht – weshalb dann auch die Beratungen heute so lange gedauert haben dürften: "Auch wenn das Bedrohungsniveau sehr hoch ist, Stufe 4 in Brüssel und Stufe 3 im Rest des Landes, versuchen wir doch alles zu tun, um Schritt für Schritt zu einem normalen Leben zurückzufinden, mit Vorsicht und Wachsamkeit".
    Doch das klingt eher wie ein etwas hilfloser Appell. Tatsächlich wirkt Brüssel in diesen Tagen wie gelähmt. Das öffentliche Leben steht praktisch still. Schulen, Universitäten und viele öffentliche Einrichtungen blieben geschlossen, ebenso Geschäfte. Viele Beschäftigte arbeiteten zuhause. Auch in der Innenstadt sind kaum Touristen unterwegs, der Einzelhandel klagt bereits über massive Umsatzeinbußen. Währenddessen haben die Sicherheitskräfte die Fahndung nach dem mutmaßlichen Attentäter von Paris, Salah Abdaslam, noch einmal verstärkt. Bislang vergeblich. Der 26-Jährige ist weiter auf der Flucht.
    Razzien in mehreren Stadtteilen
    Gestern Abend hatte es Razzien in mehreren Brüsseler Stadtteilen sowie in Charleroi gegeben. Zahlreiche Personen wurden festgenommen. Am Abend teilte die Staatsanwaltschaft dann mit, dass gegen einen weiteren Verdächtigen Anklage wegen der Anschläge von Paris erhoben worden sei. 15 Festgenommene wurden inzwischen wieder freigelassen. Offenbar aber gehen die Behörden weiter davon aus, dass Abdaslam auf Helfer zurückgreifen kann. Der Fahndungsdruck, so Innenminister Jan Jambon, bleibe deshalb hoch: "Die Aktion ist noch nicht beendet, sie wird fortgesetzt, es war ein großer Einsatz gestern Abend. Aber die Arbeit ist noch nicht erledigt, wir machen weiter, bis wir den Laden aufgeräumt haben".
    Das bedeutet auch: An der massiven Präsenz von Polizei und Militär wird sich in Brüssel nicht so schnell etwas ändern. Das gilt aber auch für das Grundgefühl, dass sich das Klima in der Stadt seit der Anhebung auf die höchste Terrorwarnstufe merklich verändert hat. Brüssel wirkt verwundbar und verunsichert.