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Tod in der Zelle

Oury Jalloh kam aus Sierra Leone als Asylbewerber. Sein Leben endete 2005 in einer Zelle in Dessau - angeblich selbst entflammt mit einem Feuerzeug. Nun untersucht das Landgericht Magdeburg erneut den Fall.

Von Susanne Arlt | 11.01.2011
    A: "Wir bräuchten dich mal."
    B: "Was haste denn?"
    A: "Ne Blutabnahme."
    B: "Na dann mache ich das mal."
    A: "Ja, piekste mal nen Schwarzafrikaner."
    B: "Ach du Scheiße. Da finde ich immer keine Vene bei den Dunkelhäutigen". "
    A: (Lacht) " "Na, bring doch ´ne Spezialkanüle mit."

    Dieses Telefonat fand am Morgen des 7. Januar 2005 zwischen dem Polizisten Andreas S. und dem Bereitschaftsarzt Andreas B. statt. Am Abend desselben Tages war der Schwarzafrikaner – Oury Jalloh - tot. Verbrannt in seiner Zelle. Andreas S. muss sich ab morgen erneut vor Gericht verantworten. Ihm wird Körperverletzung mit Todesfolge vorgeworfen.

    "Oury Jalloh - das war Mord" - jedes Jahr am 7. Januar hallen diese Rufe durch Dessau-Roßlau. An jedem Jahrestag demonstrieren die Anhänger der Oury-Jalloh-Initiative in der Bauhausstadt, machen ihrer ohnmächtigen Wut Luft. Bis heute – fünf Jahre danach – sind die genauen Umstände seines Todes noch immer ungeklärt. Mouctar Bah, der Oury Jalloh gut kannte, glaubt, dass sein Freund in der Gewahrsamszelle ermordet wurde. Von Polizisten:

    "Die haben ihn richtig vernichtet, die haben ihn richtig vernichtet. Oury Jalloh hätte sich niemals anzünden ... Welcher Mensch kann auf dieser Welt glauben, dass auf einer feuerfesten Matratze liegt, Hände und Füße gefesselt, dass er selber in der Lage war mit 2,9 Promille. Dass er diese Matratzen abreißt, und die da unten mit so nem Feuer absetzt, wie geht denn das?"

    59 Tage lang verhandelte das Landgericht Dessau-Roßlau in einem ersten Prozess über den gewaltsamen Tod des Afrikaners. Polizisten verstrickten sich in Widersprüche, die wichtigste Zeugin zog ihre Aussage zurück, das Feuerzeug, mit dem sich Oury Jalloh selbst angezündet haben soll, tauchte erst später zwischen den Asservaten auf, eine Liste der Personen, die an jenem Morgen im Polizeirevier tätig waren, verschwand.

    Den Verdacht einer Fremdeinwirkung wies Oberstaatsanwalt Christian Preissner trotzdem von Anfang an kategorisch zurück. Auch der Vorsitzende Richter glaubte nicht an ein Fremdverschulden. Die Staatsanwaltschaft ging davon aus, dass Oury Jalloh die feuerfeste Matratze, auf der er lag, selbst mit einem Feuerzeug in Brand gesetzt haben muss. Dem Beamten, der bei der Durchsuchung das Feuerzeug übersehen hatte, warf die Anklagebehörde fahrlässige Tötung vor. Den zweiten Beamten, Andreas S., klagte sie wegen Körperverletzung mit Todesfolge an. Als der Brandmelder im Dienstgruppenraum anschlug, soll er den grellen Piepston mehrmals weggedrückt haben. Elf Minuten vergingen, bevor er mit einem Kollegen die Zellentür aufschloss. Für Oury Jalloh kam zu diesem Zeitpunkt jede Hilfe zu spät. Die Matratze stand in Flammen, von Oury Jalloh blieb nur ein verkohlter Leichnam übrig.

    Als das Urteil im Dezember 2008 verkündet wurde, konnten die Freunde von Oury Jalloh nicht fassen, was sie da hörten. Die beiden Angeklagten seien freizusprechen, erklärte der Vorsitzende Richter Manfred Steinhoff. Es kam zu Tumulten im Gerichtssaal. Im schriftlichen Urteil heißt es: Für die vorgeworfene Köperverletzung mit Todesfolge im Amt fehlte bereits der Körperverletzungsvorsatz. Eine fahrlässige Tötung ist nicht gegeben. Es konnte nicht festgestellt werden, dass der Tod Oury Jallohs objektiv vermeidbar gewesen wäre.

    Die drei Nebenkläger, die die Mutter, den Vater und den Halbbruder vertraten, legten Revision ein. Sie hielten das Urteil für falsch. Am siebten Januar 2009 hob der Bundesgerichtshof den Freispruch auf. Die Begründung sei lückenhaft, die Würdigung der Beweismittel nicht immer nachvollziehbar, erklärte die Vorsitzende Richterin Ingeborg Tepperwien. Ab morgen muss sich der Hauptangeklagte Andreas S. zum zweiten Mal vor Gericht verantworten. Diesmal findet der Prozess am Magdeburger Landgericht statt. Mouctar Bah hofft, dass diesmal das Gericht die richtigen Fragen stellt.

    "Dass man untersucht, war Oury Jalloh in der Lage, im Rahmen wie er gefesselt war, diese Matratze anzuzünden. Wie lang brennt eine feuerfeste Matratze. Wo kam dieser Nasenbeinbruch. Wahrscheinlich werden wir das nie rauskriegen. Aber muss man mindestens gucken, innerhalb von 20 Minuten, wenn keiner Brandbeschleuniger da drinne benutzt wird, ob man da 800 Grad Celsius innerhalb von 20 Minuten erreichen können."

    Mouctar Bah lebt seit vielen Jahren in Dessau-Roßlau. Die 80.000 Einwohner große Stadt liegt im Osten von Sachsen-Anhalt. Im Zuge einer Gemeindegebietsreform schloss sich Dessau vor ein paar Jahren mit dem benachbarten Roßlau zusammen. Dessau ist die Stadt, die einst Kurt Weill, Moses Mendelssohn und Hugo Junkers hervorbrachte. Die Stadt galt früher als Land der Moderne. Die Vertreter des Bauhauses fanden hier Zuflucht, als sie von den Nazis aus Weimar verjagt wurden. Heute entspricht Dessau-Roßlau auf den ersten Blick den Klischees, die manch´ Westdeutscher gegenüber dem Osten hegt: Es gibt moderne Umgehungsstraßen, hässliche Einkaufszentren, einige Vorzeigeprojekte wie das mondäne Umweltbundesamt. Und es gibt immer weniger Menschen. Ein Viertel der Einwohner hat Dessau-Roßlau seit dem Mauerfall verlassen. Zurück bleiben dramatische Lücken, eine ganze Generation fehlt.

    Der Stadtpark liegt im Herzen der Stadt. Ein Ort mit hässlicher Vergangenheit. Vor zehneinhalb Jahren wurde hier der Mosambikaner Alberto Adriano ermordet. Der ehemalige DDR-Vertragsarbeiter war eines Nachts von drei jungen Männern mit kurz geschorenen Haaren und Springerstiefeln beschimpft worden, als er im Park unterwegs war. Sie schlugen ihn, traten immer wieder gegen seinen Kopf - auch als er schon am Boden lag. Sie schleiften seinen Körper durch den Park bis hin zu einer Blutbuche. Dort zogen sie ihn aus und verteilten seine Kleidung im Stadtpark. Alberto Adriano starb drei Tage später an seinen schweren Verletzungen.

    "Wo wir hier vor diesem Gedenkstein stehen, Sie hören, wenn Sie mit Menschen in Dessau reden, hinter vorgehaltener Hand immer wieder so Bemerkungen, man wisse ja gar nicht, was wirklich da passiert sei, und die klingen so ein bisschen wie, vielleicht ist er ja auch selber Schuld."

    Christoph Erdmenger ist Landesvorsitzender von Bündnis 90/Die Grünen. Seit fünf Jahren lebt der gebürtige Braunschweiger in Dessau-Roßlau. Sind die Menschen in Dessau-Roßlau fremdenfeindlicher als woanders? Erdmenger schüttelt den Kopf. Ja, sicherlich gebe es auch Rassisten in der Stadt. Aber deswegen könne man doch nicht gleich die gesamte Bevölkerung dafür verurteilen, findet der 40-Jährige. Das Problem sei vielmehr, dass viele Menschen hier kaum Kontakt zu den Migranten hätten. Und schon gar nicht zu Schwarzafrikanern. Der Ausländeranteil in Dessau-Roßlau liegt bei 2,4 Prozent. Deswegen seien die Leute hier schneller bereit, Vorurteilen zu glauben, meint Christoph Erdmenger.

    "Das ist meistens keine Fremdenfeindlichkeit, sondern eine Unsicherheit. In Dessau kennen viele keinen einzigen Afrikaner, sondern sehen die nur auf der Straße, hören, die laut reden und denken, was sind denn das für welche."

    Diese Unsicherheit spürte auch Klemens Koschig als er sein Amt antrat. Vor fast vier Jahren wählten die Dessau-Roßlauer den parteilosen Politiker zu ihrem neuen Oberbürgermeister. Koschig, ein gläubiger Katholik, suchte sofort den Kontakt zu den Migranten, sprach mit der Polizei, mit seiner Ausländerbehörde, suchte selbst nach Lösungen. Er stellte eine Integrationskoordinatorin ein. Sie soll den Kontakt zwischen den Migranten und den Ämtern, Vereinen, Organisationen optimieren.

    Das Asylbewerberheim löste er auf. Stattdessen wohnen die Flüchtlinge nun dezentral in Vier-Raum-Wohnungen mitten in der Stadt. Der Oberbürgermeister setzte sich dafür ein, dass die Muslime in Dessau-Roßlau Räume für ihre Moschee bekommen. Und er schlug vor, einen Integrationsbeirat zu gründen. Mit diesem Vorschlag biss er bei seinen Stadträten allerdings auf Granit. Wieso denn einen Integrationsbeirat gründen, kritisierten CDU, SPD, Die Linke und die FDP parteiübergreifend, wenn doch die Ausländerquote bei nur 2,4 Prozent liege. Klemens Koschig kann über soviel Ignoranz nur den Kopf schütteln. Lediglich der Vertreter der Grünen fand seine Idee gut und wichtig. Nach drei Jahren Überzeugungsarbeit und dem Druck von außen wird der Beirat nun doch gegründet. Oberbürgermeister Klemens Koschig:

    "Na ja, ich habe das versucht in den politischen Raum hereinzutransportieren, dass dieses ewige vor sich Herschieben des Themas natürlich nicht ein gerade positives Signal für die Außenwelt ist, das müssen die von draußen sagen, was ist denn mit der Stadt los?! Wieso kriegen die das Ding nicht hin?!"

    Nach dem Tod Oury Jallohs musste sich auch die örtliche Polizei mit dem Vorwurf auseinandersetzen, sie sei fremdenfeindlich. Anfangs liefen die Ermittlungen nämlich eher schleppend. Nur auf Druck der Öffentlichkeit gerieten immer mehr Details ans Licht. Zum Beispiel wie Oury Jalloh verbrannte. Dass er dabei an Händen und Füßen gefesselt war, kam erst fünf Wochen nach seinem Tod heraus.

    "Mein Eindruck ist, dass zu dem Zeitpunkt bei der Polizei noch die Parole herrschte, dass rechtsradikale Gewalt und Gewalt gegen Migranten in erster Linie deswegen schlimm ist, weil sie dem Image des Landes schaden. Aus dieser Haltung heraus, gab es dann eben das Bemühen, zu sagen, man lässt möglichst überhaupt keine Informationen nach draußen. Es gab offenbar kein Problembewusstsein."

    Die Gewahrsamszelle Nummer fünf. Sie liegt im Kellertrakt des Polizeireviers von Dessau-Roßlau. Der Boden und die Wände sind weiß gefliest. Das Fenster ist vergittert. An der linken Wand ist ein kleiner Absatz in den Boden gemauert. Zwei Meter lang, ein Meter breit. In Wand und Boden sind dicke Eisenringe eingelassen. Daran können die Inhaftierten an Händen und Füßen gefesselt werden. Hier verbrannte vor sechs Jahren Oury Jalloh.

    Revierleiter Wolfgang Berger war zum Zeitpunkt des Unglücks in einem anderen Revier tätig. Er leitet seit drei Jahren die Wache an der Wolfgangstraße. Dass dieser Job kein gewöhnlicher ist, war dem Polizeioberrat von Anfang an bewusst. Er möchte das schwierige Verhältnis zwischen Polizei und den afrikanischen Migranten in der Stadt verbessern. Von Anfang an sucht er das offene Gespräch zu seinen Beamten und auch zu den Migranten:

    "Ich denke, man kommt nur weiter, wenn man Probleme offen anspricht, auf der sachlichen Ebene bleibt und auch mit den Kollegen vernünftig umgeht. Und diese Vorbildwirkung führt natürlich dazu, dass man dann auch von Seiten der Belegschaft sieht, man kann auch miteinander anders umgehen, man kann auch mal Probleme offen ansprechen, man kann sich darüber sachlich austauschen, ohne dafür Schelte zu bekommen. Denn ich stehe auf dem Standpunkt, Fehler können passieren. Die sollten nicht passieren, aber die können passieren, das ist rein menschlich."

    Welche Fehler am 7. Januar vor sechs Jahren in seinem Polizeirevier passierten, dazu will er wegen des laufenden Gerichtsverfahrens nichts sagen. Aber man habe in Dessau dazugelernt, sagt Wolfgang Berger. Die Polizeigewahrsamsordnung wurde geändert. Solange sich jemand in den Ausnüchterungszellen befindet, halten sich immer zwei Beamte in dem Gewahrsamtrakt auf. Damit sie in einem Notfall sofort eingreifen können, erklärt der Revierleiter:

    "Ich denke, man hat aus Fehlern gelernt. Die Frage ist ja, wäre es vermeidbar gewesen, wenn die Kollegen unten gewesen sind. Zum damaligen Zeitpunkt hat die Polizeigewahrsamordnung etwas anders ausgesehen. Man hat die Polizeigewahrsamordnung geändert. Und von der Warte her, denke ich, ist das zurzeit das Optimum."

    Zu optimieren, gibt Berger ganz offen zu, sei auch das Verhältnis zwischen der Dessauer Polizei und den schwarzafrikanischen Migranten. Die fühlen sich oft zu Unrecht kontrolliert. Sie empfinden es als pure Schikane, wenn immer wieder dieselben Polizisten ihre Papiere und ihren Aufenthaltsstatus kontrollieren. Dabei müssten sie sie längst kennen. Ob es sich dabei um rassistisch motivierte Ausweiskontrollen handele, könne er nicht beurteilen, sagt Wolfgang Berger. Er sei schließlich nicht dabei. Aber er hat den afrikanischen Migranten angeboten, beim nächsten Vorfall dieser Art sofort sein Polizeirevier zu kontaktieren. Er persönlich werde dann vor Ort hinzukommen, mit beiden Betroffenen sprechen, den Vorfall aufklären. Anrufen darf man ihn Tag und Nacht. Das wissen auch seine Beamten auf dem Polizeirevier. Nur auf diese Art, argumentiert Wolfgang Berger, könne er ernsthaft überprüfen, ob die Ausweiskontrolle seiner Kollegen unverhältnismäßig und somit rassistisch motiviert sei.

    Eine ungewöhnliche Polizeimaßnahme, der aber auch ungewöhnliche Ereignisse vorausgegangen sind. Im Dezember vor einem Jahr fand in Dessau-Roßlau eine groß angelegte Drogenrazzia statt. Fünf afrikanische Drogendealer konnten dabei festgenommen und inhaftiert werden. Als einer von ihnen in ein Internetcafé flüchtete, das von der deutsch-afrikanischen Initiative betrieben wird, stürmten 15 Polizeibeamte hinterher. Der 23-jährige Somalier Mohammed wartete zu diesem Zeitpunkt vor einem Schnellrestaurant, das sich in der Nähe des Telecafés befindet, auf einen Freund. Die Polizisten nahmen ihn einfach mit, sagt er.

    "Alle liefen auf mich zu und sagten mir, ich solle ihnen hinterherrennen bis zum Telecafé. Auf die Frage warum, haben sie mir gesagt, wir führen eine Drogenrazzia gegen Schwarze durch, ich habe zu tun, was sie mir sagen."

    Weil der 23-Jährige wegen Drogenhandels im Jugendgefängnis gesessen hatte und seine Bewährung nicht aufs Spiel setzen wollte, lief er mit den Polizisten mit. Auf der Straße vor dem Telecafé durchsuchten ihn die Beamten dann. Mohammed musste seine Schuhe ausziehen, den Hosenknopf öffnen, die Beamten schauten vorn und hinten in seine Boxershorts rein. Die Durchsuchung sei rechtskonform gewesen, sagten später die Beamten. Mohammed fand sie trotzdem unverhältnismäßig. Sie hätten ihn schließlich auch im Telecafé und nicht auf der Straße durchsuchen können.

    Im Telecafé selbst befanden sich neun deutsche und afrikanische Gäste. Unter ihnen war auch Mouctar Bah. Wir saßen am Tisch zusammen und haben gerade gegessen, erinnert er sich. Als die Polizisten reinstürmten, haben wir zuerst gar nicht verstanden, worum es geht. Einer der Beamten hat uns dann angeraunzt: "Hört auf zu fressen". Der anwesende Drogendealer, aber auch Mouctar Bah und die anderen Gäste wurden durchsucht. Einige mussten sich bis auf den Slip ausziehen.

    "Man hat uns mit Gewalt hier, wo wir uns immer treffen, kontrolliert, und meine Kollegen hat man die durchsucht und nackt ausgezogen sogar. Und das fand ich wirklich ganz schlimm."

    Für Mouctar Bah, der aus Guinea stammt, war der Vorfall nur die Spitze des Eisberges. Seit Jahren fühlt er sich von der Polizei und der Staatsanwaltschaft in Dessau-Roßlau schikaniert. Denn seit fünf Jahren weist er immer wieder auf die Ungereimtheiten im Fall Oury Jalloh hin, spricht bundesweit mit den Medien darüber, organisiert die Demonstrationen. Darum habe die Polizei ihn auf dem Kieker, glaubt Mouctar Bah.

    Dem widerspricht Karl-Heinz Willberg vehement. Vor dreieinhalb Jahren hat er die Polizeidirektion Ost in Sachsen-Anhalt übernommen. Er wusste um das schwere Erbe, das er da antrat und bemühte sich von Anfang an um Integrationsmaßnahmen. Er war der erste Polizeipräsident, der am Todestag von Oury Jalloh eine Kerze vor dem Revier anzündete. Er war auch der erste Polizeipräsident, der mit Opferberatern und Vertretern der deutsch-afrikanischen Initiative offen über die Vorfälle in Dessau-Roßlau redete.

    Viele afrikanische Migranten aber glauben den Beteuerungen des Polizeipräsidenten nicht mehr. Schon gar nicht nach dem Vorfall im Telecafé. Willberg rede viel, bewirke aber nichts, bekommt man oft zu hören. Längst steht fest, dass die Durchsuchung von fünf der anwesenden Personen im Telecafé einschließlich Mouctar Bah nicht rechtskonform gewesen sind. Karl-Heinz Willberg hat sich für das Verhalten seiner Beamten entschuldigt. Seitdem aber ist der Riss zwischen den afrikanischen Migranten und der Dessauer Polizei wieder tiefer geworden.

    "Also, es hat meine Pläne nicht zerstört, aber es war schon ein Rückschlag in gewisser Weise. Weil ich glaubte zu dieser Zeit schon, mit unseren Integrationsbemühungen ein Stück weiter zu sein. Viele am Einsatz Beteiligte haben wahrscheinlich die Sensibilität der betroffenen Ausländer für ein derartiges polizeiliches Vorgehen unterschätzt. Also, es hat mir erneut deutlich gemacht, dass wir in unseren Bemühungen nicht nachlassen dürfen."

    Aus diesem Grund hat man in Dessau eine ganz neue Gesprächsrunde initiiert. Am Tisch sitzen diesmal Vertreter der Polizei, der Opferberatung, der deutsch-afrikanischen Initiative, Landespolitiker der SPD und von Bündnis90/Die Grünen sowie auch schwarzafrikanische Migranten. Auf Augenhöhe sprechen die Beteiligten Konflikte und Fehlleistungen an, suchen nach Lösungen und Strategien für die Stadt Dessau-Roßlau. Opferberater Marco Steckel hält die bisherigen Treffen für sehr gewinnbringend. Eine echte Aufarbeitung der ganzen Vorfälle kann es nur geben, wenn wirklich alle Beteiligten mit am Tisch sitzen.

    "Wir können die Konflikte nicht auf der Straße austragen. Wir brauchen eine Kommunikationsebene, wo Konflikte, Fehlleistungen, angesprochen werden und wir nach Lösungen und Strategien suchen, wie wir damit umgehen und wie wir das mit allen Beteiligten machen."

    Mit dem Forum "Polizei-Migranten" scheint ein neuer Anfang gemacht zu sein. Viele in Dessau-Roßlau, vor allem aber die afrikanischen Migranten fragen sich, wie lange er wohl diesmal anhalten wird.

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    Dossier: Verbrannt in Polizeizelle Nr. fünf