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Tod von Keith Flint
Der Firestarter ist Out of Space

Die britische Band The Prodigy hat ihren Frontmann früh verloren: Keith Flint wurde nur 49 Jahre alt. Der Sänger und Tänzer hat unter anderem den Nummer-eins-Hit "Firestarter" mitgeschrieben. Ein Sound, der in den 90er-Jahren eine Generation prägte. Die Band hat nun alle geplanten Konzerte abgesagt.

Von Ralph Günther |
The Prodigy - Sänger Keith Flint ist gestorben
"Du gehst niemals nach Hause und sie ist nicht da": Keith Flint war eine Legende, die für ihre Band The Prodigy gelebt hat (EPA/HUGO MARIE)
Jeden Freitagabend sitze ich als 14-Jähriger Anfang der 90er mit meinem Doppel-Kassettendeck vor der Stereoanlage und nehme Musik auf. Eine Sendung, die die Maxi-LPs der Dance-, House-, Trance- und Techno-Szene lange vor allen anderen spielt. Mit Zeige- und Mittelfinger drücke ich gleichzeitig die Tasten Record und Play bei diesem Song: The Prodigy – "Everybody in the Place".
Irgendwie härter als das, was sonst so läuft. Irgendwie fast schon zu schnell zum Tanzen. Irgendwie aber cool. Die ersten Singles von The Prodigy erscheinen 1991 und landen tatsächlich im Vereinigten Königreich in den Charts - auf Platz 3 "Charly" und auf Platz 2 "Everybody in the Place".
Internationaler Partysound
Zu dem Zeitpunkt ist Keith Flint 22 Jahre alt. Gesungen oder "gerufen" wird bei den ersten Prodigy-Hits noch nicht. Die Sounds mixt Liam Howlett zusammen – Keith Flint und Keith Palmer sind Tänzer. Und was für welche! Auffällig punkig gestylt, lange, zottelige Haare, mit bunt-besprühten Malerklamotten oder mit Gasmaske über dem Gesicht. Während der Auftritte reißt die Band die Party-Besucher mit. Und umgekehrt werden auch sie mitgerissen, wie Keith Flint im Interview mit dem "New Musical Express" erzählt: "Auf der Bühne vor den Leuten fühlt es sich an, als würdest Du von einer Strömung aufs offene Meer gesogen. Du paddelst raus und plötzlich bist Du weit draußen und musst Leuchtraketen abschießen, um zu signalisieren: 'Verdammt, helft mir, ich werde sterben!'"
Der Internationale Erfolg von The Prodigy kommt Ende 1992. "Out of Space" – der typische Prodigy-Big-Beat-Sound, gemixt mit einem langsamen Reggae-Sample. Die erste Top20-Charts-Platzierung auch in Deutschland. Plötzlich läuft The Prodigy auch bei unseren Teenager-Partys, und – kein Scherz – auf den Karnevalspartys an unserer Schule.
Auffälliger Tänzer wird zum auffälligen Frontmann
Mitte der 90er ist Schluss mit den langen Zotteln. Keith lässt sich mitten auf dem Kopf die Haare abrasieren. Rechts und links stehen grün-gefärbte Haare seitlich ab, wie Teufelshörner. Dunkel-geschminkte Augen, Piercings in Nase und Zunge. Aus dem auffälligen Tänzer wird der auffällige Frontmann von The Prodigy.
Konzert von The Prodigy in der Max-Schmeling-Halle in Berlin: Keith Flint (r.) und Maxim Reality
Konzert von The Prodigy in der Max-Schmeling-Halle in Berlin: Keith Flint (r.) und Maxim Reality (www.imago-images.de )
Ein Frontmann sollte ein Mikrofon in der Hand halten. 1996 erscheint der Hit, der The Prodigy weltweit bekannt macht. Mit den Lyrics von Keith Flint: "I'm a firestarter, twisted firestarter!"
Über hundert Auftritte pro Jahr. Die Band reist um die Welt. Im Schnitt erscheint alle zwei Jahre ein neues Album. Als Keith Flint vor einem Konzert in Polen gefragt wird, was für ihn das außergewöhnlichste Tour-Erlebnis der vergangenen Jahre war, antwortet er: "Du bittest darum, dass ich mich an Sachen erinnere. Alles was mit Erinner zu tun hat, frag' lieber nicht mich!"
Keith Flint saugt, wie er sagt, die Musik, die Partys, die tanzende Crowd auf, wie ein Schwamm. Dieser Schwamm braucht aber auch Alkohol. In den 2000er-Jahren leidet Flint unter seinem exzessiven Drogen- und Alkoholkonsum. Ende der Zweitausender ist er, laut eigenen Aussagen, trocken und sauber. Und 2009 gelingt The Prodigy, fast 15 Jahre nach dem "Firestarter", noch mal ein Sprung in die Charts. Mit dem Album "Invaders Must Die" und der Single "Omen".
In einer Reihe mit Elton John, George Michael und Paul McCartney
The Prodigy hat mit sieben Studio-Alben sieben Mal den Platz 1 der britischen Charts erreicht. Damit ist die Band in einer Riege mit Elton John, Paul McCartney, Coldplay und George Michael – alle jeweils mit 7 Nummer-eins-Alben.
Privat wohnte Keith Flint mit seiner Frau Mayumi Kai, einer japanischen DJ, in seiner Heimat Essex, in Great Dunmow. Er machte viel Ausdauersport. Für sein Hobby, Motorradrennen, fuhr er auf Wettkämpfe. Und er hatte einen Traum: "Ich bin immer noch ein Junge vom Land. Und im Leben bekommt man nur einmal die Gelegenheit, ein Pub aufzumachen. Ich wusste sofort, dass ich das machen muss. Die Fans werden mich also leider bald mit Bierbauch sehen. Sorry Leute, aber ich betreibe schließlich ein Pub!" 2014 kaufte und renovierte er den "Leather Bottle" Pub in Essex. 2017 stieg er wieder aus.
Keith Flint wurde am Sonntag tot in seinem Haus aufgefunden. Ein Sprecher der Polizei hat bestätigt, man sei um kurz nach acht Uhr dorthin gerufen worden, weil es Sorge um den Zustand eines Bewohners gegeben habe. Noch vor Ort sei sein Tod festgestellt worden. Keith Flint wurde 49 Jahre alt.
Große Wertschätzung posthum
Die Band-Kollegen Liam Howlett und Keith Palmer schreiben im Netz, es sei ein Suizid gewesen. Völlig schockiert, wütend, verwirrt sei er, schreibt Liam Howlett. Sein Herz sei gebrochen.
Queen-Gitarrist Brian May schrieb bei Instagram: "Ich dachte immer, Keith würde Queen hassen, aber dann hatten wir ein warmes Gespräch, in dem er mir erzählte, wie sehr er unsere Musik liebt. Sein Tod, eine Tragödie des Modernen Lebens."
Sänger James Blunt reagierte bei Twitter auf den Tod von Keith Flint: "Vor Jahren wurde ich von Musiker-Kollegen verschmäht. Aber Keith Flint kam zu mir, umarmte mich und sagte, wie sehr er sich über meinen Erfolg freute. Keith, in unserem Business gibt es keine Preise für Nettigkeit, aber wenn es einen gäbe, dieser Grammy wäre deiner."
Und auch Sängerin Ellie Goulding schreibt bei Twitter: "RIP Keith, Du warst immer sehr liebevoll zu mir. Eine echte Legende."
Eine Legende, die für ihre Band The Prodigy gelebt hat. Keith Flint: "Es hört sich an wie ein Klischee, aber Du lebst eine Band. Du gehst niemals nach Hause und sie ist nicht da. Das macht es einfach, ins Studio zu gehen und sich voll reinzuhängen. Das macht Dich einfach an, weil das Deine Leidenschaft ist. Es macht Dich aus. Es ist Dein Leben."