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Tories wollen Europäische Volkspartei verlassen

Der Parteichef der britischen Tories, David Cameron, hat angekündigt, er werde seiner euroskeptischen Partei einen noch entschlosseneren anti-europäischen Kurs verordnen. Noch vor den Europawahlen im Juni sollen die Tories die Europäische Volkspartei verlassen.

Von Alois Berger | 29.01.2009
    Seit einiger Zeit hat die Schattenregierung der britischen Tories einen neuen Schatten-Juniorminister. Seine Aufgabe: Er soll europäische Partner finden für eine neue, strikt europaskeptische Fraktion im Europaparlament. Der Tory-Europaabgeordnete Christopher Heaton-Harris ist jetzt schon begeistert.

    "So wie es aussieht, macht dieser Schattenminister einen guten Job. Es wird also nach den Europawahlen hoffentlich eine neue Fraktion geben, in der die Tories eine wichtige Rolle spielen."

    Bislang sind die britischen Tories Teil der Europäischen Volkspartei EVP, in der auch die CDU- und CSU-Abgeordneten organisiert sind. Doch es knirscht schon lange in der EVP. Vor allem in Kernfragen der Europäischen Integration stimmen die Tories meist gegen die eigene Fraktion. Dass Parteichef David Cameron jetzt den Austritt seiner Tories aus der Europäischen Volkspartei angekündigt hat, macht nicht alle traurig. Der Christdemokrat Hartmut Nassauer ist Vizepräsident der EVP-Fraktion:

    "Natürlich verlieren wir ungern sagen wir mal 30 bis 40 Mandate. Aber die Sache mit den Tories muss jetzt geklärt werden. Wir werden ihnen keine weiteren Angebote unterbreiten, doch freundlicherweise zu bleiben. Sie müssen jetzt die Erfahrung machen, wie es ist, außerhalb der EVP, der stärksten Fraktion, zu existieren."

    Große Fraktionen bekommen mehr wichtige Posten und mehr Geld für die Parlamentsarbeit. Um überhaupt als Fraktion anerkannt und mit Ämtern betraut zu werden, sind Abgeordnete aus mindestens sechs Ländern nötig. Bislang aber fühlen sich nur die Euroskeptiker von der tschechischen Regierungspartei ODS zu der Neugründung der Tories hingezogen, Abgeordnete wie Miroslav Ouzky:

    "Wir haben so oft gegen die generellen Positionen der Europäischen Volkspartei gestimmt und so oft mit den britischen Tories. Für uns gibt es zwei Möglichkeiten. Entweder wir erreichen in Verhandlungen mit der Europäischen Volkspartei mehr Freiraum für uns oder wir gründen eine ganz neue politische Gruppe, die uns besser passt. "

    Doch so einfach ist das nicht. Parteien, denen die EU nicht gefällt, gibt es zwar einige im Europaparlament. Aber das Missfallen hat sehr unterschiedliche Gründe. Den polnischen Gerechtigkeits-Abgeordneten ist die EU zu wenig katholisch, den französischen Kommunisten zu wenig sozial, den schwedischen Linken zu wenig links und den italienischen Rechten zu wenig ausländerfeindlich.

    Zudem sucht auch der irische Milliardär Declan Ganley nach europäischen Partnern. Ganley hat in Irland die Kampagne gegen den Lissabonner Vertrag finanziert und möchte jetzt mit einer europaweiten Anti-Lissabon-Partei bei den Europawahlen antreten. Für den Tory-Abgeordneten Chris Heaton-Harris ist der Ire ein rotes Tuch:

    "Es gibt da ein weit verbreitetes Missverständnis über Mister Ganley. Er ist lediglich gegen den Lissabonner Vertrag. Meine Partei dagegen ist gegen ein zentralisiertes Europa, mit allem was dazu gehört. Ganley ist stolz darauf, dass er für ein starkes Europa ist. Wir haben da sehr unterschiedliche Ansichten, wie die Zukunft Europas aussehen soll."

    Europaabgeordnete, die irgendwann im Streit aus ihrer Partei ausgetreten sind, werden derzeit sowohl von Ganley als auch von den britischen Tories umworben. Dabei geht es meistens um sehr eigenwillige Politiker, mit großem Ego und kleinem Programm. Nicht nur bei den Tories fürchten viele, mit solchen Partnern in der Bedeutungslosigkeit zu versinken.

    Miroslav Ouzky ist derzeit Vorsitzender des wichtigen Umweltausschusses im Europaparlament. Das Amt verdankt er der EVP. Der tschechische Euroskeptiker würde gerne einer euroskeptischen Fraktion beitreten: Einerseits.

    "Aber ich lege Wert darauf, dass die neue Gruppierung groß genug ist und genügend Mitglieder hat, um eine wesentliche Rolle zu spielen. Ich will in keine Randgruppe, wenn sie verstehen, was ich meine."

    In der konservativen Fraktion sind viele nur noch genervt vom Hin und Her der fraktionseigenen Euroskeptiker. EVP-Vize Nassauer erinnert an die vielen Zugeständnisse, die den britischen Tories und den tschechischen ODS-Abgeordneten in der Vergangenheit bereits gemacht wurden. So haben sie mehr Ämter und Mittel bekommen, als ihnen nach der Zahl der Abgeordneten zusteht.

    Die müssen sich jetzt entscheiden, sagt Fraktionsvize Nassauer, noch vor den Europawahlen.

    "Wir werden uns also nicht darauf einlassen, die Frage offen zu lassen, so dass sie später, wenn sie dann gingen, alle Positionen mitnehmen könnten, die sie bei uns, als Teil der EVP bekommen. Das muss vor der Wahl geklärt werden und ich gehe davon aus, dass es auch vor der Wahl geklärt werden wird."