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"Tote Hühner" in den NRW-Finanzen

Ein abgelehnter Nachtragshaushalt macht das politische Zusammenspiel in Nordrhein-Westfalen nicht einfach. Es streiten sich Rot, Grün und Schwarz über den Urheber der Misere - mit bisweilen ungewöhnlicher Bildersprache.

Von Barbara Schmidt-Mattern | 24.03.2011
    Es war im letzten September, als Finanzminister Norbert Walter-Borjans zum ersten Mal über Hühner sprach – aber nicht etwa glückliche, sondern tote Hühner. Die habe ihm sein Vorgänger von der CDU einfach über den Zaun geworfen – soll heißen, die frühere schwarz-gelbe Landesregierung habe einen Haufen Schulden hinterlassen:

    "Ich habe mal von den toten Hühnern gesprochen, die zurückgeflogen sind über den Zaun, und ich kann Ihnen sagen, diese toten Hühner werden wir sicherlich nicht still bestatten."

    "Na, ich weiß nicht, ob er da den Flattermann hatte, wenn er solche Ausdrücke gebraucht ... "

    … sagt der so gescholtene Ex-Finanzminister Helmut Linssen von der CDU:

    "Das gehört einfach zu der Propaganda, dass die Vorgängerregierung unterdotiert hätte."

    Größter Streitpunkt sind die Lasten für die marode Westdeutsche Landesbank. Einstmals Goldgrube stolzer SPD-Ministerpräsidenten, verspekulierte sich die WestLB auf den weltweiten Finanzmärkten – übrig blieben faule Wertpapiere. Werden sie fällig, muss als Eigentümer nun das Land Nordrhein-Westfalen haften. Ministerpräsidentin Hannelore Kraft ist ganz schön sauer:

    "Wer hat das denn verursacht in diesem Haus? Wer hat denn hier diese Ursachen ... ? Wer hat denn gemacht, ja?!"

    Schuldzuweisungen und Schulden sind nun die rot-grüne Antwort. Finanzminister Walter-Borjans packte letztes Jahr 1,3 Milliarden Euro in einen Nachtragshaushalt – ohne aber zu wissen, wann er für die West-LB-Papiere tatsächlich die Zeche zahlen muss. Kurioserweise hatte der Finanzminister selbst zuvor behauptet, die vorhandenen Rücklagen würden bis zum Jahr 2012 reichen. Dennoch legte Rot-Grün 1,3 Milliarden Euro zurück, und das auch noch auf Pump finanziert. Ein Verstoß gegen das Gebot der Wirtschaftlichkeit, befand letzte Woche das Landes-Verfassungsgericht, und so erlitt Rot-Grün in Münster eine krachende Niederlage. Optisch sei das nicht schön gewesen, bemitleidet sich Walter-Borjans nun selbst. Aber was wird denn jetzt mit den geplanten Rücklagen?

    "Ganz einfach, die sind quasi nicht da. Das Problem ist nur, damit ist der Schaden, für den wir das zurücklegen wollen, natürlich nicht aus der Welt. Das ist das Problem."

    Die bereits vorhandenen 1,1 Milliarden Euro an Rücklagen und gegebenenfalls neue Nachtragshaushalte sollen nun herhalten, damit die WestLB nicht zusammenkracht. Der Zahltag kommt so sicher wie das Amen in der Kirche, denn derzeit prüft die EU-Kommission eine mögliche Zerschlagung der Landesbank – das ist aus Sicht der Wettbewerbshüter der einzige Weg, die WestLB zu konsolidieren. Bei den Mitarbeitern geht Sorge um.

    "Ich bin jetzt 45 Jahre dabei, und das ist also nicht sehr befriedigend. Natürlich nicht fröhlich ... Unsicherheit! Natürlich denkt man dabei auch an sich selber, ob das jetzt weitergeht ..."

    Übrig bleiben wird wohl nur der Rumpf, eine wesentlich verkleinerte Verbundbank. Umso größer hingegen die Kosten: Im Zuge der Sanierung dürften weitere faule Papiere die bereits bestehende Bad Bank wandern, damit steigt die Haftungssumme für diese Risikopapiere drastisch an. Unabsehbar auch die Kosten, die durch Arbeitsplatz-Abbau und durch Versorgungs-Ansprüche der noch aktiven Banker entstehen. All das habe ihm Brüssel eingebrockt, so deutet Finanzminister Walter-Borjans an. Die Kommission fordert nicht nur die Sanierung, sondern auch einen Eigentümerwechsel bei der West LB:

    "Sie ist auch deshalb ein Stück unter Druck, weil man ihr Bedingungen stellt, die man keiner anderen Bank stellt und die auch eine andere Bank nur schwer schlucken könnte."

    Der Fingerzeig hilft wenig. Die Kosten sind absehbar, aber inzwischen dämmert auch der Landesregierung, dass sie ihre Gegenmaßnahmen im Haushalt allzu schlecht begründet hat. Das nutzte nicht nur die Opposition aus, das hat auch die Verfassungsrichter bewogen, den Nachtragshaushalt zu kippen. So hat die Landesregierung jetzt neben der WestLB und anderen toten Hühnern noch einen Klotz am Bein: Sie muss in diesem Jahr einen verfassungskonformen Etat vorlegen, sonst drohen Neuwahlen. Diese Aussicht treibt freilich allen Parteien im Landtag Schweißperlen auf die Stirn, vor allem der Linken. Deshalb unternimmt auch deren Fraktionschef Wolfgang Zimmermann Expeditionen ins Tierreich:

    "Das Problem ist nur, dass das ein reines Affentheater ist, denn die Probleme des Haushalts bleiben auch nach einer Neuwahl, das kann ich Ihnen garantieren."