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Transparenz nicht erwünscht

In Zeiten, da Transparenz und Bürger-Mitbestimmung groß geschrieben werden, da die Politik um ihre Glaubwürdigkeit kämpfen muss, hat der Sportausschuss des Bundestages heute ein Zeichen gesetzt: Das Gremium, das seit 2005 grundsätzlich öffentlich tagte, hält seine Sitzungen ab sofort wieder unter Ausschluss der Öffentlichkeit ab. Die ersten Reaktionen sind verheerend.

Von Jens Weinreich | 26.10.2011
    Journalisten und interessierte Bürger sind ab sofort von den Sitzungen des Bundestags-Sportausschusses ausgeschlossen. So will es die Koalition aus CDU/CSU und FDP. CDU-Sportsprecher Klaus Riegert setzte heute in Berlin eine Abstimmung durch. Schon seine Begründung für diesen Antrag war nicht-öffentlich. Der Sitzungssaal wurde geräumt.

    Ab sofort gibt es nur Informationen aus zweiter Hand. Grünen-Sportsprecherin Viola von Cramon sagt zu Riegerts intransparenter Attacke:

    "Begründet hat er den Antrag eigentlich nicht wirklich, außer damit, dass es vermehrt Presseberichterstattung gab, insbesondere in der letzten Woche, die nicht auf Gegenliebe bei der Regierungskoalition gestoßen ist, und man sich deshalb entschlossen habe, einen Antrag zu stellen, die Öffentlichkeit auszuschließen."

    Riegert und Co, sind unzufrieden mit der Medien-Berichterstattung. Fehler konnten sie allerdings keinem Journalisten nachweisen. Wahrheitsgemäß wurde etwa von der letzten Sitzung des Ausschusses Ende September berichtet, dass einige Abgeordnete Spiele am iPad spielten oder einschliefen.

    Derlei Umstände und die teils katastrophale Fachkenntnis sowie fehlendes Engagement im Ausschuss, seiner Kontrollfunktion nachzukommen, ist in den vergangenen Jahren auch immer wieder in diesem Sender und einem sportpolitischen Blog korrekt beschrieben worden – gegen diese Medien und die Berichterstatter hatte Riegert lange Zeit auf zahlreichen Kanälen intrigiert.

    Seit Herbst 2008 hatten CDU und FDP stets Versuche unternommen, die Öffentlichkeit auszuschließen. In den sportpolitischen Fraktionssitzungen und mitunter im Obleutetreffen war das immer wieder ein Thema. Einzelne Sitzungen fanden bereits nicht-öffentlich statt. Eine Grundsatzentscheidung konnte beispielsweise 2009, zu Beginn dieser Legislaturperiode, verhindert werden, weil der Deutschlandfunk die Pläne öffentlich machte.

    Nun aber hat die wütende Koalition aus Sport-Lobbyisten wie Riegert und Frank Steffel Ernst gemacht. CDU/CSU und FDP stimmten für den Antrag – SPD, Grüne und Linke dagegen. Viola von Cramon:

    "Ich halte die Entscheidung für eine fatale Entscheidung. Ich glaube, das ist ein Verlust für den Sport. Und ich denke, wir als Sportpolitikerinnen und Sportpolitiker täten gut daran, durch Leistung, durch bessere qualitative Diskussion zu überzeugen, anstatt, wie das in autoritären Staaten üblich ist, dann einfach die Öffentlichkeit auszuschließen."

    SPD-Sportsprecher Martin Gerster wurde noch deutlicher. Er nannte den Beschluss einen "Skandal" und ein "verheerendes Signal" in einer Zeit, da Politik stärker um das Vertrauen der Bevölkerung kämpfen müsse. Die Koalition betreibe blamable Hinterzimmerpolitik und habe schlicht: Angst vor schlechter Presse. Gerster will bei künftigen Sitzungen stets wieder beantragen, Medien zuzulassen.