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Treibstoffe im Elektrozeitalter

Strom gilt seit einigen Jahren als der Treibstoff der Zukunft, allerdings kann Strom nicht alles antreiben und ist für lange Strecken noch keine überzeugende Alternative. Es bahnt sich ein Chaos an Techniken an, das Motorenentwickler gern vermeiden würden, um sich auf eine konzentrieren zu können, hieß es auf dem 20. Aachener Kolloquium zur Motorentechnik.

Von Sönke Gäthke | 12.10.2011
    Das Zeitalter des Öls geht absehbar zu Ende. Damit ist Eile geboten, selbst wenn Treibstoffe wie Benzin und Diesel noch ein, zwei Jahrzehnte lang bezahlbar sind: Was die Treibstoffe ersetzen soll, muss jetzt entwickelt werden, soll der Übergang zum neuen Sprit noch einigermaßen nahtlos laufen. Strom kann dabei einen Teil der Fahrzeuge antreiben, jedoch bei Weitem nicht alle.
    Stefan Pischinger: "Lastwagen ist das beste Beispiel, im Lastwagen wird ja heute doppelt so viel Dieselkraftstoff verbrannt wie in Pkws, obwohl die Stückzahl viel kleiner ist."

    Lutz Eckstein: "Und ich denke, es wird keiner ernsthaft diskutieren, dass man ein schweres Nutzfahrzeug elektrifizieren muss, wir haben das mal durchgerechnet, acht Tonnen Batterie bei heutigem Status, da kommt man ziemlich schnell an die Grenzen, sodass eigentlich klar ist, dass wir auch in Zukunft für den Güterfernverkehr Kraftstoffe brauchen, die chemisch denen ähneln, die wir heute haben, die aber anders erzeugt sein müssen, denn keiner bestreitet andererseits, dass wir raus müssen aus den fossilen Energieträgern."

    Stefan Pischinger und Lutz Eckstein, Professoren für Motoren und Kraftfahrzeuge aus Aachen. Das Problem der Batterien ist die Energiedichte. Benzin oder Diesel speichern im Vergleich zur Akkus ein Vielfaches an Energie. Selbst Stromspeicher wie Metall-Luft-Batterien, die mithilfe des Sauerstoffs aus der Luft Energie bereitstellen, wären immer noch schwerer als ein gut gefüllter Dieseltank. Was den Diesel dann jedoch ersetzen soll, ist unklar. Eine Möglichkeit wären Treibstoffe auf Pflanzenbasis. Stefan Pischinger:

    "Wir setzen alternativ auch auf Biokraftstoffe sehr stark hier in Aachen, und da wird's auch Vorträge noch zu geben, erster, zweiter Generation, und in der Forschung arbeiten wir da an der dritten Generation, wo wir versuchen, einfach Biomasse - den Teil der Biomasse, der also jetzt nicht für die Nahrungsmittelindustrie verwendet wird - zu Kraftstoff zu verarbeiten."

    Damit die Motoren mit diesem Kraftstoff sparsam umgehen, müssten sie natürlich weiterentwickelt werden.

    Das Problem allerdings: Auch andere Industrien haben ein Auge auf diese Reste geworfen: So will die Stromwirtschaft mit ihnen Blockheizkraftwerke betreiben oder die kunststoffverarbeitende Industrie Öl ersetzen.

    Ein anderer Weg wäre daher, Erdgas künstlich herzustellen.

    "Also Solarenergie, damit Wasser aufspalten in Wasserstoff und Sauerstoff, und dann den Wasserstoff methanisieren, also zu 'Erdgas' in Anführungszeichen, also chemisch identisch, weiter verarbeiten, oder dann eben weiter verarbeiten zu anderen Kraftstoffen, Propan, Butan, Alkohole, wie auch immer."

    Der Charme dabei wäre, jede Diskussion um Teller oder Tank zu vermeiden. Allerdings müssten auch an diese Treibstoffe die Motoren noch angepasst werden. Und konkurrenzlos wären die Motorenbauer auch hier nicht: Das künstliche Erdgas wäre für die Elektrizitätswirtschaft ein sehr eleganter Weg, überschüssigen Strom aus Windkraftanlagen im vorhandenen Erdgasnetz zu speichern. Und die Hersteller von Lkw sehen in Erdgas noch keine Alternative für ihre 40-Tonner: Die Tanks seien zu schwer, der Verbrauch zu hoch. Sie suchen daher nach weiteren Treibstoffen.

    Für Ingenieure und Forscher sind das genügend Alternativen, um als Chaos der Technologien angesehen zu werden. Und sie würden dieses Chaos gern kontrollieren. Lutz Eckstein:

    "Wir brauchen aus meiner Sicht eine Art NPM, nennen wir sie jetzt mal, Nationale Plattform für Mobilität, also etwas weiter gefasst, wo wir uns dann mit der Frage auseinandersetzen, lösungsneutral, was brauchen wir eigentlich, um Mobilität in Summe in Deutschland zukünftig darzustellen, und auch weltweit anbieten zu können, Leitanbieter Mobilität statt Leitanbieter Elektromobilität."

    In diesem Programm würden dann sowohl die Treibstoffe behandelt, als auch die Frage, wie viele Rohstoffe dafür überhaupt zur Verfügung stehen und wie die Motoren angepasst werden. Und nicht zuletzt bestünde die Chance, Auto, Lkw, Bahn und Flugzeug intelligent zu verzahnen, und nicht nur neue Techniken, sondern auch Geschäftsmodelle zu exportieren.