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Treue Liebe in der Prärie

Neurowissenschaft.- Als vor zwölf Jahren erstmals das Forum of European Neuroscience stattfand, fanden die Studienergebnisse mancher Wissenschaftler kaum Beachtung. Das ging auch einem amerikanischen Forscher so, der bei der diesjährigen Auflage des Treffens mit einem Preis gewürdigt wurde. Er fand die molekulare Grundlage für Monogamie bei Säugetieren.

Von Kristin Raabe | 05.07.2010
    Der Hirnforscher Thomas Insel interessierte sich bei seiner Arbeit mit den treuen Präriewühlmäusen vor allem für zwei Hormone: Oxytocin und Vasopressin werden bereits bei der Paarung ausgeschüttet.

    "Es ist sehr interessant, dass bei der Präriewühlmaus die Rezeptoren für diese Hormone im Belohnungssystem des Gehirns vorkommen. Bei der bindungsunfähigen Bergwühlmaus finden wir diese Bindungsstellen dagegen nicht im Belohnungssystem. Wenn eine Präriewühlmaus mit ihrem Partner zusammen ist, dann fühlt sie sich gut, weil ihr Belohnungssystem dann aktiv ist. Der Unterschied zwischen Monogamie und Promiskuität liegt also vielleicht einfach darin, wie lohnend es sich anfühlt, mit einem Partner zusammen zu sein."

    Als nächstes wollte Thomas Insel herausfinden, wieso nur bei der Präriewühlmaus die Bindungsstellen für Oxytocin und Vasopressin im Belohnungssystem vorkommen. Die Lösung brachte schließlich eine genaue Untersuchung der Gensequenz für diese Hormone.

    "Vor dem eigentlichen Gen befinden sich regulierende Gensequenzen, sogenannte Promotor-Regionen. Solche Promotor-Regionen entscheiden, wie häufig aus der nachfolgenden Gensequenz ein Protein synthetisiert wird und manchmal auch, wo im Organismus diese Proteine hergestellt werden. Bei der Präriewühlmaus finden wir eine mehrere hundert Basenpaare lange Sequenz in der Promotorregion für die Oxytocin- und Vasopressinrezeptoren, die bei der Bergwühlmaus einfach fehlt. Wir haben jetzt Hinweise, dass diese Sequenz dafür verantwortlich ist, dass die Rezeptoren für diese Hormone speziell in dem Belohnungssystem des Gehirns hergestellt werden. Damit wären diese zusätzlichen DNA-Sequenzen in der Promotor-Region sozusagen die molekulare Grundlage der Monogamie."

    Kollegen von Thomas Insel haben eine bindungsunwillige Bergwühlmaus mit der fehlenden Gensequenz ausgestattet. Und tatsächlich fanden sich im Belohnungssystems im Gehirn des Tieres dann auch die Bindungststellen für die Hormone Vasopressin und Oxytocin. Und auch das Sozialverhalten der genetisch veränderten Bergwühlmaus ähnelte nun dem der treuen Präriewühlmaus. Natürlich wollte Thomas Insel wissen, ob ähnliche genetische Varianten auch für die menschliche Bindungsfähigkeit verantwortlich sind. Einen ersten Hinweis lieferte vor kurzem eine schwedische Studie mit Zwillingen.

    "Es gab da bei dieser Studie einen kleinen Zusammenhang, zwischen Variationen in der Promotor-Region für diese Hormonrezeptoren und der Unfähigkeit einiger dieser Männer langfristige Beziehungen einzugehen. Über ihre Bindungsfähigkeiten hatten sie selbst und auch ihre jeweiligen Partnerinnen oder Expartnerinnen berichtet. Wenn ihre Promotor-Region für diese Hormone weniger lang war, dann hatten sie Probleme mit dauerhaften Bindungen. Bei diesen Geschichten muss man aber sehr vorsichtig sein. Das menschliche Sozialverhalten wird von sehr vielen Faktoren beeinflusst und es wäre ziemlich überheblich anzunehmen, eine einzige Genvariante könnte einen großen Teil dieses Verhaltens beeinflussen."

    Thomas Insel leitet in der Nähe von Washington das nationale Institut für geistige Gesundheit. Seine Forschungen sollen vor allem Menschen mit psychischen Krankheiten helfen. Die von ihm so gründlich untersuchte Bindungsfähigkeit ist bei Menschen mit Autismus extrem eingeschränkt. Für sie fühlt es sich überhaupt nicht lohnenswert an, mit anderen Menschen zusammen zu sein. Einige Studien konnten kürzlich zeigen, dass bei Autisten tatsächliche genetische Varianten in den Genen für die Rezeptoren von Oxytocin und Vasopressin auftreten.

    "Wenn es also wirklich Substanzen gibt, die soziales Verhalten fördern, dann könnte man damit vielleicht auch Menschen mit Autismus behandeln. Aber das Ganze ist natürlich ziemlich komplex. Von den Tiermodellen wissen wir schließlich, dass es gar nicht die Menge von Oxytocin ist, die entscheidend ist. Es kommt vielmehr darauf an, wo die Bindungsstellen für Oxytocin im Gehirn verteilt sind. Aber immerhin können wir nun überhaupt erst darüber nachdenken, Substanzen zu finden, die denen helfen, die sociale Deficite haben."