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Trikot und Stutzen statt Kopftuch

Noch nie hat eine Frauen-Mannschaft aus der arabischen Welt an einer Fußball-Weltmeisterschaft teilgenommen. Und dennoch: Auch dort wird gekickt. Grenzen werden den Frauen häufig durch die Politik gesetzt.

Von Aglaia Dane | 13.06.2011
    Vor etwa acht Jahren hing in der Universität in Bethlehem an einer Pinnwand ein Zettel: Suche Frauen, die Interesse an Fußball haben. Die erste die sich meldete war Hani Thaljieh. Kurze Zeit später war die damals 18-Jährige Kapitänin der ersten Frauen-Fußball-Nationalmannschaft von Palästina.

    Die deutsche Fotografin Claudia Wiens hat Hani Thaljieh häufig getroffen.

    "Eine unglaubliche Powerfrau, total beindruckend."

    Claudia Wiens lebt in Kairo und Istanbul - für ihre Arbeit ist sie ständig im Nahen Osten unterwegs. Eines ihrer Lieblingsmotive: Fußballerinnen. Die Geschichte der palästinensischen Nationalmannschaft hat sie besonders beeindruckt.

    "Am Anfang waren es dann 5 oder 6 Frauen, ist dann ja auch schwierig, wenn man gegeneinander spielen will und inzwischen gibt es eine erste und eine zweite Liga, eine Nationalmannschaft und seit diesem Jahr auch Spiele auf großem Feld."

    Frauen-Fußball in der arabischen Welt - ungezwungen Kicken, einfach aus Spaß am Sport - geht das? Selbst Claudia Wiens, die Region gut kennt, war am Anfang überrascht.

    "Man hat ja auch Klischees im Kopf und ich hab dann halt auch gedacht, vielleicht gibt es nicht so viel Frauenfußball in Ägypten. Vielleicht gibt es dann auch Probleme mit den Eltern und fand es dann aber toll zu entdecken, dass diese Mädels super selbstbewusst sind."

    Und Tatsache ist: Mit Ausnahme von Saudi-Arabien ist Frauen-Fußball in allen Ländern im Nahen Osten und Nordafrika erlaubt. Viele fördern es auch - wie zum Beispiel Bahrain. Das Königreich verpflichtete für seine Nationalmannschaft vor fünf Jahren die damalige Trainerin vom FFC Frankfurt, Monika Staab. Die blieb ein halbes Jahr und merkte schnell, wo die Probleme liegen.

    "Mir hat mal ein Muslime gesagt, eine Frau ist ein Kristall und wenn sie Fußball spielt, zerbricht sie."

    Für viele arabische Männer komme es nicht in Frage, eine Fußballerin zu heiraten, erzählt Staab.

    "das ist natürlich ein ganz großes Problem, denn Familie steht an erster Stelle in diesen Ländern. Und dann natürlich das Vorurteil, dass wer Fußball spielt, keine Kinder bekommen kann."

    Mittlerweile ist Monika Staab Fifa-Botschafterin für Frauen-Fußball und reist um den Globus. 59 Länder hat sie besucht und sie warnt davor, von DER arabischen Welt zu sprechen.

    "Katar ist viel strenger oder Kuwait ist auch viel strenger als zum Beispiel Bahrain. Da war ich sechs Monate und musste natürlich auch kein Kopftuch aufziehen."

    Das Thema Kopftuch beim Fußball-Spielen - Die Fotografin Claudia Wiens hat bei ihren Recherchen in Ägypten und Palästina einen entspannten Umgang damit erlebt.

    "Meine Erfahrung ist, dass die meisten Mädels, die ein Kopftuch tragen wollen, bei öffentlichen Spielen dann eben dieses kleine Sportkopftuch tragen, dass dann nur die Haare verdeckt sind und dann tragen sie dann häufig einen Rolli dazu."

    Ausnahme bildet ausgerechnet das Land, in dem der Frauen-Fußball am stärksten ist in der Region - der Iran. Der Verband dort hat rund 100.000 weibliche Mitglieder. Von ihnen verlangt er, dass sie Kopftuch sowie lange Hemden und Hosen tragen - das gilt auch für die Spielerinnen der Nationalmannschaft. Die Fifa verbietet die islamischen Ganzkörper-Trikots. Ein Länderspiel vergangene Woche wurde deshalb abgebrochen.

    Und so sind es nicht unbedingt nur die moralischen und gesellschaftlichen Schranken, die den Frauen vom Kicken abhalten. Manchmal ist es auch die große Politik. Das hat auch Claudia Wiens in Palästina erlebt.

    "Zum Beispiel, dass die Nationalmannschaft nicht komplett ist, weil zwei Spielerinnen im Gaza-Streifen leben, die anderen leben der Westbank und die können nicht zusammen trainieren, weil man nicht reisen darf zwischen den beiden Landeteilen, die sehen sich also nur bei Auslandsspielen. Verrückte Vorstellung eigentlich."

    Häufig kommt es auch vor, dass Frauen in Palästina nicht zum Training kommen können aufgrund der Straßensperren der Israelis. Aber Claudia Wiens hat festgestellt, die Frauen lassen sich nicht entmutigen - sie wollen Fußball spielen.