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Türkei
Haftstrafen für Cumhuriyet-Journalisten

Ein Gericht in Istanbul hat zwei Journalisten der regierungskritischen Zeitung "Cumhuriyet" zu mehrjährigen Haftstrafen verurteilt. Chefredakteur Dündar und der Leiter des Hauptstadtbüros seien schuldig, geheime Dokumente veröffentlicht zu haben. Vor der Urteilsverkündung hatte ein Angreifer Schüsse auf Dündar abgefeuert.

06.05.2016
    Der Chefredakteur der türkischen Zeitung "Cumhuriyet", Can Dündar, nach der Bekanntgabe des Urteils eine Istanbuler Gerichts gegen ihn am 6.5.2016.
    Der Chefredakteur der türkischen Zeitung "Cumhuriyet", Can Dündar, nach der Bekanntgabe des Urteils eine Istanbuler Gerichts gegen ihn. (picture alliance / dpa / Sedat Suna)
    Chefredakteur Can Dündar soll dem Urteil zufolge fünf Jahre und zehn Monate in Haft. Der Chef des Hauptstadtbüros von Cumhuriyet, Gül, für fünf Jahre. Weil noch Berufung möglich ist, müssen die Journalisten die Strafen vorerst nicht antreten. Dündar bezeichnete die Urteile dem Sender CNN Türk zufolge als "Mordanschläge". Man werde sich davon aber nicht stoppen lassen.
    Die Staatsanwaltschaft hatte ursprünglich lebenslange Haft für Dündar und Gül gefordert. Dabei ging es zudem um den Vorwurf, eine Terrororganisation unterstützt zu haben und die Regierung stürzen zu wollen. Dafür sollen sich die beide Journalisten jetzt aber in einem gesonderten Verfahren verantworten. Für den angeblichen Geheimnisverrat forderte die Anklage 25,5 Jahre Haft für Dündar und zehn Jahre Gefängnis für Gül.
    Auslöser war Bericht über angebliche Waffenlieferungen
    Hintergrund der Verurteilung ist ein "Cumhuriyet"-Bericht über angebliche Waffenlieferungen der Türkei an Extremisten in Syrien aus dem vergangenen Jahr. Staatspräsident Recep Tayyip Erdogan hatte Anzeige gegen Dündar und Gül erstattet. Sowohl Erdogan als auch der türkische Geheimdienst MIT wurden als Nebenkläger zugelassen.
    Die Anklage war international als Schlag gegen die Pressefreiheit in der Türkei gewertet worden. Der Prozess hatte unter großer öffentlicher Aufmerksamkeit am 25. März begonnen. Schon am ersten Verhandlungstag wurde die Öffentlichkeit ausgeschlossen, was zu scharfer Kritik führte.
    Dündar und Gül verbrachten drei Monate in Untersuchungshaft, bevor das Verfassungsgericht Ende Februar ihre Freilassung anordnete. Erdogan hatte die Entscheidung des Obersten Gerichts mit den Worten kritisiert: "Ich sage es offen und klar, ich akzeptiere das nicht und füge mich der Entscheidung nicht, ich respektiere sie auch nicht."
    Schüsse auf Dündar in Prozesspause
    Während einer Pause des Prozesses kam es am Nachmittag zu einem Zwischenfall vor dem Gerichtsgebäude. Ein Angreifer hatte mit einer Pistole bewaffnet mehrere Schüsse auf den Angeklagten Dündar ebgefeuert. Nach Angaben eines Reporters des Fernsehsenders CNN Türk rief der Angreifer "Du Verräter", bevor er auf Dündar schoss. Der Mann legte kurz danach seine Waffe nieder und wurde von der Polizei festgenommen. Bei dem Angriff wurde ein Journalist an der Wade verletzt.
    Der unverletzte Dündar kommentierte den Angriff dem Sender zufolge mit den Worten: "Ich kenne den Angreifer nicht, aber ich weiß, wer ihn zu der Tat ermutigt hat." Diesen Leuten müsse man die Schuld geben. Damit dürfte die islamisch-konservative Regierungspartei AKD und Staatschef Recep Tayyip Erdogan gemeint sein, die Dündar immer wieder öffentlich scharf angegriffen hatten.
    (pr/adi)