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Türkischer Basketballer Enes Kanter
Staatsfeind in der NBA

Erstmals werden in der Türkei Live-Übertragungen von den NBA-Playoff-Spielen verboten. Der Grund? In einer der Halbfinal-Mannschaften spielt der Erdogan-Kritiker Enes Kanter.

Von Jürgen Kalwa | 18.05.2019
Denver Nuggets-Spieler Mason Plumlee (rechts) kämpft mit dem türkischen Basketballer Enes Kanter (Portland Trail Blazer-Mitte) (links) während des NBA-Basketball-Spiels um die bessere Spielposition Todd Pierson
Gülen-Anhänger Enes Kanter fürchtet um sein Leben (imago / Agencia EFE / Todd Pierson)
Wenn man 2,11 Meter groß ist und in der Lage, sich in der besten Basketballliga der Welt im Getümmel unter dem Korb zu behaupten, muss man sich um seinen Job eigentlich keine Gedanken machen. Irgendein Team braucht immer einen langen Kerl. Und so vagabundiert Enes Kanter seit sieben Jahren von Klub zu Klub. Gut bezahlt: In der laufenden Saison kassiert er 19 Millionen Dollar.
Seinen Namen kennt man aber hauptsächlich aus einem anderen Grund. Das liegt an Enes Kanters Einstellung zum türkischen Regime. Über Präsident Recip Erdogan sagte er 2017 in einem Video, das über die sozialen Medien Verbreitung fand: "Er ist ein Diktator. Er ist der Hitler unseres Jahrhunderts. Bitte betet für uns."
Enge Beziehung zu Fethullah Gülen
Gebete gehören für Kanter als gläubigem Muslim zum Alltag. Genauso wie die strengen Fastenregeln des Ramadan. Selbst jetzt, wo er mit seinem jüngsten Klub, den Portland TrailBlazers, in den Playoffs steht, hält er sich strikt an sie.
"Ich faste selbst in der regulären Saison an ein oder zwei Tagen die Woche, um mich auf den Ramadan vorzubereiten."
Doch das ist nur ein kleiner Teil dessen, was ihn derzeit intensiv beschäftigt. Erdogan, der Mann hinter dem Versuch, die deutschen Fußballnationalspieler Mesut Özil und Ilkay Gündogan für seine politischen Kampagnen einzuspannen, hat Kanter die Staatsbürgerschaft aberkennen lassen. Mehr noch: Über Interpol wurde seine Festnahme und Auslieferung beantragt.
Alles nur, weil der Basketballprofi eine enge Beziehung zu Fethullah Gülen unterhält. Staatsfeind Nummer eins, prominentes Oberhaupt einer islamischen Organisation, der im amerikanischen Bundesstaat Pennsylvania im selbstgewählten Exil lebt. Der wird von Erdogan für den Putschversuch des türkischen Militärs 2016 verantwortlich gemacht. Kanter war übrigens in jener Nacht, als die Panzer losrollten, zu Besuch bei Gülen und bestreitet, dass der auch nur irgendwie involviert gewesen sei.
So etwas ficht den ehemaligen NBA-Profi Hedo Türkoğlu, ein enger Erdogan-Berater und seit Oktober 2016 Vorsitzender des türkischen Basketballverbandes nicht an. Der sagte dem amerikanischen Fernsehsender ESPN vor kurzem, ohne irgendwelche Beweise vorzulegen:
"Fethullah Gülen ist der Anführer einer terroristischen Organisation. Und Enes Kanter unterstützt diesen Anführer ganz offen."
Angst um das eigene Leben
Kanter verlässt inzwischen nicht mehr die Vereinigten Staaten und wartet darauf, die amerikanische Staatsangehörigkeit zu erhalten. Weil der lange Arm Ankaras nicht reicht, um den Basketball-Profi in die Türkei zu bringen, hat man sich nun eine andere Maßnahme ausgedacht. Man versucht, ihn trotz seiner Erfolge mit Portland, aus der Sportberichterstattung komplett auszuradieren.
So werden die Spiele der TrailBlazers vom türkischen Fernsehsender S Sport einfach nicht mehr übertragen. Ausgerechnet in einem Jahr, in dem das Team richtig gut ist. "Diese Situation liegt nicht an uns", meinte ein Sprecher des Senders gegenüber der Nachrichtenagentur Reuters. Es blieb offen, wer hinter den Kulissen Regie führt.
Kanter erfährt in den USA große Unterstützung. Und das auch, weil er es seit langem sehr gut versteht, sich und sein Anliegen medial wirkungsvoll darzustellen. Sei es als es um den Versuch der Türkei ging, ihn in Asien und später in Rumänien festzusetzen, ehe er es doch noch zurück in die USA schaffte. Oder als er im Januar erklärte, weshalb er nicht mit seinem damaligen Team, den New York Knicks, nach London reist. Er hatte Angst vor einer Kidnapping-Aktion und davor, nach einer Festnahme umgebracht zu werden.
"Wegen dieses verdammten Irren, des türkischen Präsidenten. Es ist möglich, dass man mich dort umbringt."