"Die Ukraine heißt auf Ukrainisch 'Land an der Peripherie', es gibt einfach Schwierigkeiten mit der Ukraine, die jetzt langsam selbstständig wird, und es ist mit dem Namen so schwierig wie mit der Politik der Ukraine."
Der Lehrstuhl für Ukrainistik war in Greifswald drei Jahre lang verwaist, das Sterben des Faches war schon mehrfach ausgerufen. Die Philosophische Fakultät hat sich in schweren Kämpfen neu aufgestellt - der Lehrstuhl für Ukrainistik ging auf in einem Lehrstuhl für Ost- und Westslawische Philologie. Alexander Wöll hat nun auch die Polonistik mit zu vertreten. Kein Problem für einen Mann, der auch das Russische perfekt beherrscht und in Regensburg die Bohemistik, als das Tschechische, zu Rang und Namen gebracht hat.
Alexander Wöll ist im Allgäu geboren, nach Greifswald reiste er aus Oxford in klarem Bewusstsein, was er da tut, auch einen Ruf an die alte schottische St. Andrews Universität schlug er für Greifswald aus.
"Ja das ist eine Stelle ganz breit für Ost- und Westslawische Philologie, in Oxford, da hatte ich ein ganz rigides Prüfungssystem, da hatte ich entweder nur Tschechisch oder nur Polnisch oder nur Russisch, und ich hatte einen zweiten Ruf nach St. Andrews in Schottland, das wäre nur Russisch gewesen. Und das ist die Stärke der deutschen Slawistik, dass sie so eine große Breite hat, die viel spannender ist, wo man komparatistisch, also im Vergleich, der einzelnen slawischen Literaturen arbeiten kann. Und auch die Tatsache, dass es die einzige Ukrainistik in der Bundesrepublik ist, hat mich bewogen, dass ich das eigentlich als große und tolle Herausforderung sehe, und deshalb eben nach Greifswald komme. Und Greifswald entgegen all meinen bayerischen Kollegen und Studierenden, die sagen, sie würden nie nach Greifswald kommen - es gefällt mir sehr gut."
Dazu kommt, dass das Alfried Krupp Wissenschaftskolleg seit Jahren ein Ukrainicum abhält, eine Fortbildungsveranstaltung gewissermaßen, die weit über die Uni ausstrahlt.
Für die Zukunft der Ukrainistik hat Alexander Wöll konkrete Pläne und Verabredungen.
"Also zunächst mal ist mit dem Rektorat geplant, dass es ein zweisemestriges fakultätsübergreifendes Ukrainicum gibt ab nächstem Wintersemester. Das heißt also zum Beispiel, dass ein Jurist, ein Wirtschaftswissenschaftler oder ein Biologe oder irgendjemand aus einem beliebigen Fach zwei Semester sich als Zusatzausbildung einschreiben kann, dann ukrainische Sprache beigebracht bekommt, noch Kultur, Landeskunde im weitesten Sinne und auch noch so einen groben Überblick über Politik, Kultur und Geschichte, und dann am Ende nach einem Jahr Zusatzausbildung noch nach Lemberg fährt. Und dort in Lemberg ist dann noch vier Wochen Kompaktkurs und dann gibt es ein Zertifikat des Ukrainicums."
Daneben ist natürlich das Fach auch als solches wiederaufzubauen, so auch der ganz normale Lehrbetrieb, ein knappes Dutzend Studenten fand Wöll bei seiner Ankunft am Jahresanfang vor. Gerade bei einem "Orchideenfach" ist die Frage erlaubt - wer kommt denn da und was kann er machen?
Das Ukrainicum am Krupp-Kolleg fand vor allem Zuspruch unter Historikern und Juristen, Mitarbeiter von Goetheinstituten oder aus dem diplomatischen Dienst. Alexander Wöll sieht aber gute Berufschancen für Studenten im Hauptfach.
"Als Hauptfach, da sehe ich es einfach aus der Perspektive des angelsächsischen Raums: Wer da einfach dynamisch, erfolgreich und mit der richtigen Persönlichkeit zügig studiert, der wird sich mit jedem Studium hinterher durchsetzen. Und wer sich eben für die Ukraine interessiert, wird sich mit der Ukrainistik dann in diesem Bereich gegenüber Mitbewerbern durchsetzen. Die Ukraine ist eben durch ihre Position mitten zwischen Osten und Westen, zwischen Russland und der EU, und da ist einfach ein Bedarf da, aus meiner Sicht."
Die Ukraine und das Gas - dieses Themenfeld hat ja in den vergangenen Wochen für viele Schlagzeilen gesorgt, auch dazu kann Alexander Wöll Auskunft geben, ohne Richter zu sein in einem schwierigen Streit.
"Zunächst mal war mir in der Ukraine, wenn ich da hinfahre, immer klar, dass es wieder so ein Bedürfnis gibt, alte Traditionen wieder aufleben zu lassen nach der sozialistischen Zeit. Und da kommt etwas ins Spiel, nämlich so eine gewisse Dickköpfigkeit, nämlich dass man jetzt wieder Ukraine sein will und Ukrainisch sprechen will. Da ist das Gas eigentlich ein Symbol. Da geht es nicht nur um das materielle Wärmemittel Gas, sondern es geht im metaphorischen und symbolischen Sinne um Unabhängigkeit und Freiheit und eine stolze Tradition, die von den Kosaken, die bis zur galizisch-bukowinischen Tradition eben auch was Nichtrussisches in sich birgt, dass es nur ein Element und ein Symbol für einen Ablöseprozess ist. Man muss wirklich aus der Logik des 19. Jahrhunderts heraus denken, dass das als ein Akt der Befreiung und der Emanzipierung verstanden wird."
Die Ukrainistik in Greifswald klingt also nicht nach Elfenbeinturm, wiewohl sie ein "Orchideenfach" bleiben wird.
Der Lehrstuhl für Ukrainistik war in Greifswald drei Jahre lang verwaist, das Sterben des Faches war schon mehrfach ausgerufen. Die Philosophische Fakultät hat sich in schweren Kämpfen neu aufgestellt - der Lehrstuhl für Ukrainistik ging auf in einem Lehrstuhl für Ost- und Westslawische Philologie. Alexander Wöll hat nun auch die Polonistik mit zu vertreten. Kein Problem für einen Mann, der auch das Russische perfekt beherrscht und in Regensburg die Bohemistik, als das Tschechische, zu Rang und Namen gebracht hat.
Alexander Wöll ist im Allgäu geboren, nach Greifswald reiste er aus Oxford in klarem Bewusstsein, was er da tut, auch einen Ruf an die alte schottische St. Andrews Universität schlug er für Greifswald aus.
"Ja das ist eine Stelle ganz breit für Ost- und Westslawische Philologie, in Oxford, da hatte ich ein ganz rigides Prüfungssystem, da hatte ich entweder nur Tschechisch oder nur Polnisch oder nur Russisch, und ich hatte einen zweiten Ruf nach St. Andrews in Schottland, das wäre nur Russisch gewesen. Und das ist die Stärke der deutschen Slawistik, dass sie so eine große Breite hat, die viel spannender ist, wo man komparatistisch, also im Vergleich, der einzelnen slawischen Literaturen arbeiten kann. Und auch die Tatsache, dass es die einzige Ukrainistik in der Bundesrepublik ist, hat mich bewogen, dass ich das eigentlich als große und tolle Herausforderung sehe, und deshalb eben nach Greifswald komme. Und Greifswald entgegen all meinen bayerischen Kollegen und Studierenden, die sagen, sie würden nie nach Greifswald kommen - es gefällt mir sehr gut."
Dazu kommt, dass das Alfried Krupp Wissenschaftskolleg seit Jahren ein Ukrainicum abhält, eine Fortbildungsveranstaltung gewissermaßen, die weit über die Uni ausstrahlt.
Für die Zukunft der Ukrainistik hat Alexander Wöll konkrete Pläne und Verabredungen.
"Also zunächst mal ist mit dem Rektorat geplant, dass es ein zweisemestriges fakultätsübergreifendes Ukrainicum gibt ab nächstem Wintersemester. Das heißt also zum Beispiel, dass ein Jurist, ein Wirtschaftswissenschaftler oder ein Biologe oder irgendjemand aus einem beliebigen Fach zwei Semester sich als Zusatzausbildung einschreiben kann, dann ukrainische Sprache beigebracht bekommt, noch Kultur, Landeskunde im weitesten Sinne und auch noch so einen groben Überblick über Politik, Kultur und Geschichte, und dann am Ende nach einem Jahr Zusatzausbildung noch nach Lemberg fährt. Und dort in Lemberg ist dann noch vier Wochen Kompaktkurs und dann gibt es ein Zertifikat des Ukrainicums."
Daneben ist natürlich das Fach auch als solches wiederaufzubauen, so auch der ganz normale Lehrbetrieb, ein knappes Dutzend Studenten fand Wöll bei seiner Ankunft am Jahresanfang vor. Gerade bei einem "Orchideenfach" ist die Frage erlaubt - wer kommt denn da und was kann er machen?
Das Ukrainicum am Krupp-Kolleg fand vor allem Zuspruch unter Historikern und Juristen, Mitarbeiter von Goetheinstituten oder aus dem diplomatischen Dienst. Alexander Wöll sieht aber gute Berufschancen für Studenten im Hauptfach.
"Als Hauptfach, da sehe ich es einfach aus der Perspektive des angelsächsischen Raums: Wer da einfach dynamisch, erfolgreich und mit der richtigen Persönlichkeit zügig studiert, der wird sich mit jedem Studium hinterher durchsetzen. Und wer sich eben für die Ukraine interessiert, wird sich mit der Ukrainistik dann in diesem Bereich gegenüber Mitbewerbern durchsetzen. Die Ukraine ist eben durch ihre Position mitten zwischen Osten und Westen, zwischen Russland und der EU, und da ist einfach ein Bedarf da, aus meiner Sicht."
Die Ukraine und das Gas - dieses Themenfeld hat ja in den vergangenen Wochen für viele Schlagzeilen gesorgt, auch dazu kann Alexander Wöll Auskunft geben, ohne Richter zu sein in einem schwierigen Streit.
"Zunächst mal war mir in der Ukraine, wenn ich da hinfahre, immer klar, dass es wieder so ein Bedürfnis gibt, alte Traditionen wieder aufleben zu lassen nach der sozialistischen Zeit. Und da kommt etwas ins Spiel, nämlich so eine gewisse Dickköpfigkeit, nämlich dass man jetzt wieder Ukraine sein will und Ukrainisch sprechen will. Da ist das Gas eigentlich ein Symbol. Da geht es nicht nur um das materielle Wärmemittel Gas, sondern es geht im metaphorischen und symbolischen Sinne um Unabhängigkeit und Freiheit und eine stolze Tradition, die von den Kosaken, die bis zur galizisch-bukowinischen Tradition eben auch was Nichtrussisches in sich birgt, dass es nur ein Element und ein Symbol für einen Ablöseprozess ist. Man muss wirklich aus der Logik des 19. Jahrhunderts heraus denken, dass das als ein Akt der Befreiung und der Emanzipierung verstanden wird."
Die Ukrainistik in Greifswald klingt also nicht nach Elfenbeinturm, wiewohl sie ein "Orchideenfach" bleiben wird.