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Und es fliegt doch

Astronomie. - Das letzte große Forschungsinstrument der Internationalen Raumstation wird zurzeit im Kennedy Space Center in Florida für den Transport ins All vorbereitet. Das Alpha-Magnetspektrometer soll in der Umlaufbahn nach Antimaterie fahnden.

Von Dirk Lorenzen | 26.08.2010
    "The experiment weighs seven tons. It is an equipment three metres by three metres by three metres in volume."

    Ein Würfel sieben Tonnen schwer und mit drei Metern Kantenlänge: AMS, das "Alpha Magnetic Spektrometer", ist das schwerste Experiment, das auf der Internationalen Raumstation zum Einsatz kommt – und mit mehr als eineinhalb Milliarden US-Dollar Kosten sicher auch das teuerste. Dennoch hatte es zwischenzeitlich so ausgesehen, als bliebe AMS wegen des Endes der Shuttle-Flüge als Investitionsruine am Boden. Doch das internationale Forscherteam um Maurice Bourquin von der Universität Genf hat das fast Unmögliche geschafft: Es hat die Nasa zu einem weiteren Shuttle-Flug überredet.

    "Das war ein hartes Stück Arbeit. Wir haben jetzt die Zusicherung, dass AMS im nächsten Jahr zur Raumstation fliegen wird. Der US-Kongress hat der Nasa die Gelder für den zusätzlichen Flug bewilligt."

    Der Kongress ist sonst eher dafür berüchtigt, der Nasa die Mittel zu kürzen. Vielleicht hat die Abgeordneten die enorme wissenschaftliche Bedeutung von AMS überzeugt. Das Instrument, das nun im Februar 2011 am Außengerüst der Raumstation installiert werden soll, erforscht den Kosmos auf ganz besondere Weise. Bourquin:

    "AMS wird die Teilchen aufspüren, die durch den Kosmos rasen. Das Instrument misst Geschwindigkeit, Impuls und Ladung dieser kosmischen Strahlung. Wir suchen vor allem Teilchen der Antimaterie. Antimaterie hat genau die gleichen Eigenschaften wie Materie, nur die elektrische Ladung ist anders. Die große Frage ist, ob es im Weltall noch immer Antimaterie gibt."

    Nach heutigen Theorien müssten unmittelbar nach dem Urknall Materie und Antimaterie in gleichen Mengen entstanden sein. Treffen Materie und Antimaterie aufeinander, zerstrahlen sie zu purer Energie. Warum es aber offenbar etwas mehr Materie als Antimaterie gegeben hat und somit der heute beobachtbare Kosmos entstehen konnte, ist eines der größten Rätsel der Physik. AMS soll Maurice Bourquin und seinem Team helfen, es zu lösen.

    "Diese Messungen können wir nur im Weltraum machen, weil die Antimaterieteilchen in unserer Atmosphäre absorbiert würden. Sobald AMS auf der Raumstation installiert ist, starten wir die Messung. Die Daten gelangen per Satellit ins Bodenzentrum bei uns am Cern in Genf. Sollte es die Antimaterie wirklich geben, so müssten wir im Laufe der Jahre ein gutes Dutzend Teilchen nachweisen. Das ist nicht sehr viel. Aber schon eines würde uns zeigen, dass es noch immer irgendwo im Weltraum Antimaterie gibt – und das wäre eine sehr wichtige Entdeckung."

    Jede Messung von Antimaterie im All wäre für die Forscher ein Riesensprung, um besser zu verstehen, wie der Kosmos sich entwickelt hat. Manche sprechen bei AMS gar vom Hubble-Teleskop für die kosmische Strahlung. Antimaterie ist womöglich ein Bestandteil der Dunklen Materie – jener geheimnisvollen Komponente im All, deren Anziehungskraft die Astronomen beobachten, von der sie aber bisher nicht wissen, woraus sie besteht. Vielleicht hilft AMS ihnen auf die Sprünge. Nach dem Start im kommenden Frühjahr wird das Instrument bis zum Lebensende der Raumstation Ausschau halten nach den geheimnisvollen Teilchen der Antimaterie.