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Ungezügelter Naturgenuss

Wer den Naturpark Südschwarzwald einmal aus ganz neuer Perspektive erleben möchte, sollte die einmalige Landschaft hoch zu Ross erkunden. Mittlerweile gibt es dort ein Netz aus 30 pferdefreundlichen Gaststätten und Übernachtungsmöglichkeiten.

Von Sebastian Bargon | 30.05.2010
    In einem großen Offenstall mit Koppel und angrenzenden Weiden stehen zwei Norweger, ein Haflinger sowie ein Welsh Cop und ein Welsh Pony. Fünf Mädchen haben sich für den Zweitagesritt angemeldet, der sie kreuz und quer durch die Hügellandschaft des Naturparks Südschwarzwald führen wird.

    "Also, ich bin die Franziska Werne, bin 14 Jahre alt und freue mich schon richtig, weil es mal ne neue Runde ist, wo ich noch nie war."

    "Ich heiße Jana Victor, bin 16 Jahre alt, und ich mache mit, weil mir reiten ganz viel Spaß macht, weil ich dann mal zwei Tage weg sein kann von zu Hause."

    "Man reitet halt über die Wiesen und Felder, und es ist jetzt nicht so wie beim Dressur- oder Springreiten, wo es nur um Sport und gewinnen, gewinnen geht - es ist halt im Einklang mit dem Pferd."

    Nachdem die Pferde geputzt, gesattelt und getrenst sind, kann es losgehen. Vorneweg reitet Reinhard Barsch, der Gründer des Wanderreiten im Naturpark Südschwarzwald. Der Mann mit dem Lederhut hat sich gewissenhaft vorbereitet.

    "Ja, ich habe erstmal eine Karte dabei, so ne topografische 1: 25 000, da sind alle Feldwege drauf, und dann habe ich mir das vom PC ausgedruckt mit Detailansichten, und dann habe ich noch ein GPS dabei, das ist die Zukunft des Wanderreitens."

    In gemächlichem Tempo trottet die Gruppe aus dem Dorf, über Feldwege und Wälder geht’s in Richtung Wutachschlucht.

    Der Weg ins 200 Meter tiefe Wildflusstal ist von dichtem Nadelwald gesäumt, steinig und sehr steil. Um den Fluss zu überqueren, muss die Gruppe eine große Holzbrücke passieren. Zunächst sind die Pferde vom Geräusch ihrer Hufe auf dem Holz verunsichert und bleiben stehen. Die Reiter haben Zeit, seltene Pflanzen wie zum Beispiel Felsennelken, Hirschzunge und Mondviolen zu betrachten. Über ihnen zieht ein Wespenbussard seine Kreise. Als sich das Pferd von Reinhard Barsch entschließt über die Brücke zu gehen, folgen die anderen nach. Dann beginnt der Aufstieg. Die Reiter müssen sich konzentrieren, da der Pfad steinig und rutschig ist. Aufgrund der Steigung müssen sie in den leichten Sitz gehen, um die Tiere zu entlasten. Doch die Mühe lohnt sich: Vom Höhenweg aus bietet sich ein überwältigender Blick über die steilen Felshänge und die urwüchsigen Wälder.

    Nach zweieinhalb Stunden im Sattel kommen die Wanderreiter beim Gasthof Kreuzhof in Lenzkirch an. Dort hat Andrea Spall für Pferde und Reiter Wasser und Verpflegung vorbereitet. Sie ist eine von 30 Kooperationspartnern von Reinhard Barsch.

    "Ich habe eine Koppel vorbereitet, der Herr Barsch hat gesagt, dass das alles Pferde aus einem Stall sind, dann kann man sie auf eine Koppel bringen. Wenn sie aus verschiedenen Ställen kommen, muss man das ein bisschen abteilen, damit es keinen Ärger gibt zwischen den Pferden, wenn sie sich nicht kennen. Mit Herrn Barsch klappt es wunderbar. Er besucht uns wirklich sehr oft. Das ist eine so schöne Tour von Reiselfingen hierher. Die Pferde sind gut untergebracht, man kann gut Mittag essen und dann gemütlich wieder nach Hause reiten."

    Nachdem sich Pferde und Reiter eine Stunde lang erholt haben, geht’s weiter Richtung Titisee. Über Wiesen und Waldwege galoppieren die Reiter auf ein 1000 Meter hoch gelegenes Plateau, das aufgrund seiner romantischen Berg- und Seenkulisse wie eine dreidimensionale Schwarzwald- Postkarte wirkt. Über die Rodelbahn gelangt die Gruppe ins Tal, wo sie in einem traditionellen Schwarzwaldhof ihr Nachtquartier bezieht. Johannes und Hannelore Ganter sind ebenfalls Mitglieder des Vereins Wanderreiten im Naturpark Südschwarzwald.

    "Wir hatten auch schon Gäste, denen hat der Hintern weh getan vom reiten, weil sie mehrere Tage im Sattel saßen. Und dann haben sie eine zweitägige Pause, Erholungsphase eingelegt, hat ihnen hier gut gefallen am Titisee, mit Blick auf den See und dann sind sie wieder weitergeritten."

    "Wir haben auch schon Gäste gehabt, die haben ihre Hochzeitsreise gemacht auf dem Pferd!"

    Am nächsten Morgen gibt’s ein reichhaltiges Frühstück und Proviant für die Satteltaschen. Sieben Stunden später kommt die Gruppe erschöpft, aber hochzufrieden zurück zu ihrem Ausgangspunkt, dem Reiselhof.

    "Die Sonne hat geschienen, und wir haben viele neue Sachen gesehen, wie zum Beispiel Eidechsen und Vögel – war schön!"

    "Auf dem Weg nach Lenzkirch, da entstand plötzlich zwischen den Pferden eine Windhose. Die ging also korkenziehermäßig hoch, die Pferde spritzten vor Schreck auseinander. Dann zog das nach hinten weg und löste sich wieder auf. Also das war unheimlich, aber sehr interessant!"

    Frage an Franziska, Jana und Eva – kann jeder, der jetzt Lust bekommen hat, solch eine Tour bewältigen?

    "Also man sollte schon reiten können. Wenn man gar nicht reiten kann, sind mehrere Tage nicht geeignet."

    "Mit der Zeit war es mal anstrengend und dann ging es schon in die Beine!"

    Kein Muskelkater an bestimmten Stellen des Körpers ?

    "Nein, nein, es ist noch alles dran!"