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Unternehmen helfen
Vom Flüchtling zur Fachkraft

Wie kann man als Unternehmen konkrete Hilfe für Flüchtlinge leisten? Eine Möglichkeit wäre es, einen Flüchtling einzustellen oder auszubilden. Das ist zwar mit Papierkrieg verbunden, der aber nicht vergeblich bleiben muss.

Von Jörg Sauerwein | 10.09.2015
    Auch auf dem Schreibtisch von Frank Huster stapeln sich Infoblätter, Gesetzestexte und Zeitungsartikel. Seit einigen Wochen melden sich immer mehr Speditionsbetriebe beim Hauptgeschäftsführer des Branchenverbands in Bonn. Es herrscht Fachkräftemangel. Warum nicht also Fachkräfte unter den Flüchtlingen suchen? Aber dann geht's los.
    "Wo kann ich überhaupt mich melden, um zu suchen, ob es qualifizierte Kräfte gibt? Aber das grundlegende Problem liegt eigentlich schon darin, weil es für Unternehmen auch völlig unbekannt ist: Was für einen Status hat ein Flüchtling? Ein Mensch, der Europa erreicht und nun hier registriert ist?"
    Und: Darf ich als Unternehmer überhaupt einen Flüchtling beschäftigen? Grundsätzlich lautet die Antwort: Ja - und zwar sogar, wenn der Asylsuchende noch nicht offiziell anerkannt ist. Dann allerdings folgt das "Aber" von Sefer Öncel bei der Bundesagentur für Arbeit:
    "Aber eine Wartefrist von drei Monaten. Wenn das Beschäftigungsverbot von drei Monaten abgelaufen ist, haben Unternehmen die Möglichkeit, auch Flüchtlinge in eine Arbeitsstelle oder eine Ausbildungsstelle zu übernehmen, unter Berücksichtigung einiger gesetzlicher Regelungen."
    Wartefrist von drei Monaten
    Das gilt allerdings nicht für Zeitarbeitsfirmen - dort besteht grundsätzlich ein Beschäftigungsverbot von vier Jahren. Alle anderen Arbeitgeber aber können nach Ablauf der drei Monate zusammen mit dem Flüchtling das Formular für die Stellenbeschreibung ausfüllen. Die gibt man am besten gemeinsam bei der Ausländerbehörde ab, empfiehlt Öncel. Dann könnte es allerdings noch ein weiteres "Aber" geben:
    "Es kann passieren, dass eine Vorrangprüfung durch die Bundesagentur für Arbeit vorgenommen werden muss, ob Bewerber aus EU-Staaten oder berechtigte Ausländer für diese Stelle in Frage kommen. Wenn das nicht der Fall sein sollte, wird die Vorrangprüfung positiv entschieden und der Arbeitgeber kann den Flüchtling in seinem Betrieb entsprechend einstellen."
    Anders bei einer Ausbildung - hier muss die Bundesagentur für Arbeit nicht zustimmen. Und so hat zum Beispiel ein Spediteur aus dem hessischen Lorch gerade zum Monatsbeginn zwei Syrer als Auszubildende eingestellt und kann sich sogar noch mehr vorstellen. Nicht nur als Fahrer, sondern zum Beispiel auch im kaufmännischen Bereich seien die Flüchtlinge einsetzbar, erklärt Frank Huster vom Speditionsverband in Bonn. Bei den Qualifikationen seien sie manchmal sogar im Vorteil, nicht nur weil gerade viele Syrer sehr gut Englisch sprechen:
    "Die Logistik ist international aufgestellt, sie ist beispielsweise auch im Nahen Osten aktiv, und es kann durchaus von Hilfe sein, dass Arabisch zum Beispiel - eine Sprache, die ja nicht leicht erlernbar ist für Europäer und auch nicht gesprochen wird von Europäern - hilfreich sein kann für Logistiker, die in diesem Raum Geschäfte machen."
    Nützliche Fremdsprachenkenntnisse
    Dagegen sind allerdings die deutschen Sprachkenntnisse häufig ein Problem. Sie sind die Voraussetzung dafür, dass die Lehrlinge neben der praktischen Ausbildung auch die Berufsschule meistern, sagt Sefer Öncel von der Arbeitsagentur.
    "Ohne ausreichende Sprachkenntnisse wird es den Jugendlichen nicht möglich sein, diese Berufsschulzeit erfolgreich zu durchlaufen, sodass ausreichende Sprachkenntnisse im Vorfeld zu erwerben sind."
    Bei vielen Fragen, die in Unternehmen rund um die Beschäftigung von Flüchtlingen auftauchen, können neben den örtlichen Arbeitsagenturen oft auch die Industrie- und Handelskammern helfen. Und auch wenn zum Beispiel die Anerkennung eines Führerscheins aus Syrien schon ein echtes Problem darstellen kann, glaubt Frank Huster, dass sich das Engagement für viele Unternehmen lohnen kann, und zwar nicht nur, um Gutes zu tun.
    "Die Logistikbranche ist wie alle anderen Branchen auch nicht das Rote Kreuz. Wir sind keine Hilfsorganisation. Wir glauben aber, für bestimmte Zielgruppen eine Win-win-Situation herstellen zu können."
    Die Wirtschaft könnte dank qualifizierter Arbeitskräfte profitieren - und für viele Flüchtlinge bieten sich neue Zukunftschancen.