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Versorgungsrücklagen
Berlin zieht Geld aus Kohle ab

Aktien von Unternehmen, die ihr Geld mit Kohle und mit Energie aus fossilen Quellen verdienen, haben in den letzten Jahren oft drastisch verloren. Auch das Land Berlin will seine Papiere der konventionellen Energieversorger in Deutschland jetzt abstoßen und ethisch korrekt anlegen. Das hat das Berliner Abgeordnetenhaus beschlossen.

Von Anja Nehls | 24.06.2016
    Es regnet Euroscheine
    Divestment bedeutet, dass man Geld abzieht aus kritischen Bereichen wie Kinderarbeit, Kriegswaffen oder klimaschädliche Unternehmen (imago / Udo Kröner)
    750 Millionen Euro schwer ist der Geldtopf für die Versorgungsrücklagen der Stadt Berlin. Damit sollen die Renten und Pensionen der Beamten und städtischen Angestellten sichergestellt werden. Zehn Prozent dieses Geldes, ungefähr 80 Millionen Euro, sind in Aktien angelegt, der andere größere Teil gemischt in anderen Wertpapieren oder Immobilien. Jetzt will die Stadt das Aktienportfolio, das unter anderem in RWE und Total investiert, so umstrukturieren, dass Unternehmen, die einen beträchtlichen Teil ihres Geschäfts mit Kriegswaffen, Atomkraft oder fossilen Energien machen, da herausfallen. Gestern hat das Parlament in Berlin entschieden – und zwar einstimmig.
    Die Klimaschutzorganisation Fossil Free hat fast zwei Jahre dafür gekämpft, dass sich Berlin der weltweit immer stärker wachsenden Divestment Bewegung anschließt, sagt Matthias von Gemmingen von Fossil Free Berlin:
    "Ein Divestment ist das Gegenteil einer Investition, das bedeutet, dass man Geld abzieht aus den Bereichen in der Wirtschaft, die kritisch sind, bei denen die soziale Akzeptanz einfach nicht mehr da ist, Stichwort Kinderarbeit, Kriegswaffen oder eben klimaschädliche Unternehmen."
    Der Berliner Finanzsenator Matthias Kollatz Ahnen (SPD ) hat nun eine Ausschreibung gestartet um einen neuen Aktienindex entwickeln zu lassen, weil es in Deutschland und Europa aktuell keinen Index gibt, der den Kriterien genügt, die sich das Parlament gegeben hat. Darin sollen neben Unternehmen die Kriegswaffen exportieren oder Atomenergie erzeugen alle Unternehmen ausgeschlossen werden, die dem Ziel der Klimaneutralität von Berlin widersprechen. Für Kollatz-Ahnen bedeutet das, nur noch Unternehmen zuzulassen, die möglichst wenig fossile Energie erzeugen:
    Klimaneutral bis 2050
    "Da ja häufig an den Aktienmärkten große Konglomerate gehandelt werden, kann das natürlich sein, dass das irgendwo in einem kleineren Umfang dann in den Unternehmen, die dann in einem solchen Index wären eine Rolle spiel. Aber das wäre eben dann nicht mehr der dominante Unternehmenszweck und gegenwärtig ist das eben bei den Aktienindizes anders und wir würden dann einen Aktienindex haben, in den wir dann die Versorgungsrückklage investieren, der zumindest einen deutlichen Fortschritt darstellt."
    Bis 2050 will Berlin klimaneutral werden, das bedeutet dass die CO2 Emissionen um 80 bis 85 Prozent sinken sollen. Mit der Umschichtung der Rücklagen in ethisch korrekte Anlagen sei Berlin in einer beispielhaften Vorreiterrolle in Deutschland, meint Matthias von Gemmingen von Fossil Free. Die erste Stadt in Deutschland, die ähnlich gehandelt hat, war allerdings Münster, und auf der ganzen Welt gibt es bereits über 500 Beispiele von institutionellen Anlegern und großen Investoren, die ihr Geld aus fossilen Brennstoffen abgezogen haben:
    "Da sind so berühmte Beispiele dabei wie der Pensionsfonds in Norwegen, der staatliche Pensionsfonds oder die Allianz Versicherung in Deutschland, die evangelische Landeskirche in Hessen-Nassau hat's auch getan. Da ist dabei die Rockefeller Foundation, also die Familie, die mit Öl steinreich geworden ist und jetzt genau das Gegenteil tut weil, die erkannt hat, dass das Öl diese negativen Effekte auf das Klima hat."
    Jetzt ist die Berliner Finanzverwaltung am Zug. Wenn alles planmäßig läuft, könnten bis zum Ende des Jahres die Aktienpakete bereits umgeschichtet und sauber sein.