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Videospiele im Museum
Kunst und Games

Beim Filmfestival Kino der Kunst in München flimmern rund 50 Film über die Leinwand, darunter auch "Weltpremieren". Doch nicht nur Filme stehen hier im Fokus. Das Unterhaltungsmedium, das dem Film allmählich den Rang abläuft, ist: Das Videospiel - mit anspruchsvollen Storys und starken Bildern.

Von Julian Igantowitsch | 23.04.2015
    Das Museum Ägyptische Kunst in München. Eine ältere Frau mit kurzen grauen Haaren steht vor einer Videowand und imitiert Bewegungen, die ihr ein Avatar auf dem Screen vormacht. Sie spielt - ein Videospiel mit Bewegungserkennung: "Perfect Woman". Gaming im Museum.
    "Mit den Games im Museum das ist sowieso Avantgarde, etwas das in Amerika schon üblich ist, aber in Deutschland noch kaum passiert. Wobei das für mich keine Frage der Objektgattung ist, sondern der Zeit. Kino, Videokunst, Gamesart - dass das seinen Weg ins Museum findet, ist ja nur ganz logisch."
    Sagt Museumsdirektorin Sylvia Schoske. Sie freut sich besonders über den Kontrast, den Joystick, Tablet und die auf die Wand projizierten Videospiele zu den Sarkophagen und Pharaonen-Büsten hier im Ägyptischen Museum bilden. Archäologie der Zukunft – so der Titel der Ausstellung.
    Zukunft, die jetzt allmählich Gegenwart wird. In den USA haben Computerspiele längst Einzug ins Museum gehalten. Die Wanderschau "The Art of Video Games", gestartet 2012, ist dort ein großer Publikumserfolg, das MOMA in New York zeigt schon fast regelmäßig Videospiele und hat Klassiker wie Pac-Man, Tetris oder Die Sims in seine Sammlung aufgenommen. Bald auch in Deutschland?
    "Wenn sich tatsächlich große Namen der Film und Videokunst in den Bereich der Games bewegen, dann wird den Museen gar nichts anderes übrig bleiben, als irgendwann den Schritt zu machen und zu sagen: Ja, das muss auch ein Museum sammeln!"
    Für Internationale Künstler ist dieses Medium inzwischen mehr als nur ein Experimentierfeld. Bill Viola ("The Night Journey") oder Thierry Fournier ("Last Room") konzipieren ganze Videospiele, und zwar fürs Museum, für die Konsole daheim sind sie nicht bestimmt.
    Anders ist das bei den verstärkt auf den Markt drängenden Independent-Produktionen. Entwickler wie The Chinese Room oder Playdead entwerfen Spielewelten jenseits des Mainstreams – und schaffen damit: ein ganz neues Spieleerlebnis. Regisseur und Autor Heinz Peter Schwerfel, Leiter der Ausstellung, erklärt, worin sich Games mit Kunstcharakter auszeichnen:
    "Erstens, dass es nicht dieser blinde Wettbewerb, dieses Rennen um Punkte gibt. Es ist nicht so wichtig, wie viel man punktet, sondern es ist wichtiger, wie man damit umgeht und wohin die ganze Reise geht. Das zweite ist, dass es fast alles Spiele sind, die visuell künstlerisch interessant sind, die also anders als die meisten Mainstream-Spiele sind, denen es nur um Realismus und 3D-Effekte geht."
    Auch große Produktionsfirmen investieren in Games mit Kunstcharakter
    Inhalt und Form also. Intelligentes Storytelling mit Referenz zu Popkultur, Philosophie oder Zeitgeist und ausdrucksstarke Ästhetik, die in der Bildsprache nicht selten an moderne Kunst erinnert.
    Dear Esther ist so ein Spiel. Ruhig, meditativ, fast schon poetisch. Der Spieler wandert über eine schottische Insel und spürt einer Frau namens Esther nach, die, wie er allmählich erfährt, tot ist. Er trifft Entscheidungen, hört Versatzstücke von Briefen und sieht das rauschende Meer. Die Geschichte ist eigentlich Film, Hörspiel und Videospiel zugleich. Und sieht dazu aus wie ein Gemälde.
    "Von realistischen Bildern ausgehend, da ist Dear Esther ein gutes Beispiel, wie da umgegangen wird mit Landschaft, das hat einiges zu tun mit Landschaftsmalerei."
    Oder Limbo, in Optik einer Graphic Novel. Hier steuert der Spieler eine kleine Figur durch den Limbus, die Vorhölle, um seine Schwester zu retten. Halb Jump'n'Run, halb logisches Rätsel. Ein minimalistisches Schwarz-Weiß-Spiel.
    Mittlerweile investieren auch große Produktionsfirmen wie Sony in solche Games mit Kunstcharakter. "Journey" heißt eines der bekanntesten Beispiele. "Everybody's Gone To The Rapture" eine der vielversprechendsten Neuankündigungen.
    Autorenschaft – der Begriff ist nicht mehr nur an Literatur und Kino gebunden. Schwerfel meint...
    "..., dass wirkliche Autoren die Chance haben, künstlerisch anerkannt zu werden und unsterblich zu werden - das gilt auch für die Games. Die Technologie ist nicht so wichtig, wie das, was man damit sagen will."
    Nicht alle Games erfüllen den künstlerischen Anspruch eines Bill Viola. Allen gemein ist jedoch, dass Ästhetik und Aussage über der technischen Innovation stehen - und das variiert von witzig über sozialkritisch, spirituell, nachdenklich bis hin zu sehr unterhaltsam.