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Vor 25 Jahren
Die DEFA-Filmstudios in Babelsberg werden verkauft

Die ältesten und größten deutschen Filmstudios in Potsdam-Babelsberg sind legendär, ihre Produktionen hatten bis in die 30er-Jahre Weltrang. Dieser Mythos sollte nach dem Fall der Mauer wiederbelebt werden. Allerdings war unklar, was mit der seit 1946 dort ansässigen DEFA - der staatlichen Filmgesellschaft der DDR - passieren sollte.

Von Christian Berndt | 19.05.2017
    Hinter der Kamera sieht man unscharf eine Puppe, die Marlene Dietrich in ihrer Rolle der Lola in "Der blaue Engel" darstellt, sowie andere Requisiten.
    Eine Defa-Filmkamera steht im Requisitenlager auf dem Filmstudiogelände Babelsberg in Potsdam , aufgenommen am 27.09.2011. (dpa)
    "Ich habe nur die schönsten Erinnerungen. Ich habe heute noch die Nostalgie für Babelsberg. Und ich hoffe nur, dass Sie haben den Erfolg, den Sie mit Recht erwarten. Auf Wiedersehen, ich drücke die Daumen für Sie, Marlene."
    Ein historischer Moment. 1990 wurde die Silvestersendung der ARD aus den DEFA-Studios in Potsdam-Babelsberg übertragen, und aus Paris war telefonisch Marlene Dietrich zugeschaltet. Die Übertragung kam aus jenem Studio, in dem "Der blaue Engel" entstanden war. Es ging darum, den Mythos des glorreichen, deutschen Ufa-Films vor 1933 wiederzubeleben.
    Nach der Wiedervereinigung war sogar die Rede vom Babelsberger Hollywood - davon träumte auch Regisseur Volker Schlöndorff. Durch das 1912 gegründete Filmstudio sollte der europäische Film in Stellung gegen Hollywood gebracht werden - so Schlöndorff 1992: "Es kann nicht gut sein, dass auf diesem Planeten in den nächsten 10, 20 Jahren nur an einem Ort Unterhaltung produziert wird. Ein Konkurrent hat hier eine Chance, und dieser Konkurrent ist Europa. Hier muss geklotzt werden und nicht gekleckert."
    Mehr als nur Propaganda an der DEFA
    Allerdings hatte die Geschichte Babelsbergs nicht 1933 geendet. Nach dem Zweiten Weltkrieg war die 1946 gegründete Deutsche Film AG, DEFA, in die Studios gezogen. Zu DDR-Zeiten diente sie der sozialistischen Erziehung. Aber ihre Filme, wie der seinerzeit verbotene Klassiker "Spur der Steine", der Oscar-nominierte Film "Jakob der Lügner" oder "Solo Sunny" waren mehr als nur Propaganda.
    Die Filmwissenschaftlerin an der Berliner Akademie der Künste Cornelia Klauß: "Im Filmbereich war man natürlich nicht entkoppelt von den internationalen Bewegungen und hat sich die Filme der Nouvelle Vague in Frankreich, die neorealistischen, italienischen Filme hat man sich sehr genau angesehen, und daran haben sich DEFA-Regisseure natürlich auch orientiert. Ich denke, dass es immer lohnt, Filme in Abständen sich anzusehen, und da könnte ich schon einige aufzählen, von denen ich denke, dass die international nach wie vor mithalten können."
    Zum Beispiel "Die Legende von Paul und Paula". Der Regisseur des Films, Heiner Carow, drückte 1992 den Frust vieler DEFA-Regisseure über das Desinteresse der westdeutschen Filmbranche aus: "Es wird ständig so getan, als wenn die Geschichte '45 aufgehört hat, und wenn Sie irgendeine Veranstaltung in diesem Studio sehen, tritt bestimmt Ilse Werner auf oder Johannes Heesters, und das ist für mich zum Kotzen."
    Cornelia Klauß: "Sie müssen sich vorstellen, dass viele DEFA-Regisseure jahrelang um ihre Stoffe gekämpft haben, und in dem Augenblick, wo die Mauer fällt, plötzlich diese Chance sehen, endlich die Filme machen zu können, auf die man jahrelang gewartet hat. Und dann plötzlich abgewiesen werden mit dem Argument, das seien alte Hüte, alte Zöpfe, dafür würde sich keiner mehr interessieren."
    Nach dem Verkauf wurde für das Fernsehen produziert
    Aber Desinteresse zeigte nicht nur der Westen, so Cornelia Klauß: "Ich sehe schon auch, dass damals die DDR-Bevölkerung das Interesse an den DEFA-Filmen auch ein Stück weit verloren hat. Das hat damit zu tun, dass zu DDR-Zeiten gab es da immer ein ganz enges Verhältnis zwischen Zuschauer und den Filmen, dass die gewohnt waren, zwischen den Zeilen zu lesen. Nach 1990 ist diese Art von Dialog ja auch erst mal zusammengebrochen. Auf einmal war es ja möglich, Dinge auszusprechen."
    Ab 1990 fungierte die Treuhand als Gesellschafter der DEFA, die als ehemaliger volkseigener Betrieb der DDR privatisiert werden sollte. Treuhandchef Detlev Rohwedder schwebte ein Erhalt der DEFA vor, seine Nachfolgerin Birgit Breuel setzte auf schnellen Verkauf. Am 19. Mai 1992 übernahm ein französischer Konzern die Studios - und Schlöndorff wurde Geschäftsführer.
    Aber sein Traum vom europäischen Hollywood ging trotz hoher Investitionen nicht in Erfüllung - nun wurde vor allem für das Fernsehen produziert. Nach dem Verkauf an neue Investoren 2004 konnte das größte Filmstudio Europas als Dienstleister stärker als bisher Hollywoodproduktionen anlocken - Spielberg und Tarantino drehten hier.
    Babelsberg hat heute international einen ausgezeichneten Ruf, aber die staatliche Filmförderung, die ausländischen Produktionen Subventionen gewährt, ist im internationalen Konkurrenzkampf hierzulande mittlerweile zu niedrig, Hollywood ist weitergezogen. Der Kampf ums Überleben geht in die nächste Runde.