Ein Schritt nach links, ein Schritt nach rechts gilt als Fluchtversuch. Ein Sprung nach oben - als Provokation!
Solches Gebrüll sowjetischer Wachsoldaten hat noch jeder im Ohr, der den GULag des Lawrentij Pavlovitsch Berija durchlitten und überlebt hat.
Der GULag - jenes weitverzweigte, über das ganze riesige Territorium der ehemaligen Sowjetunion ausgebreitete System von Straf- und Arbeitslagern, über das der stellvertretende Ministerpräsident der UdSSR herrschte - zugleich in Personalunion Minister für Inneres und Staatssicherheit. Seit März 1953, seit dem Tod seines georgischen Landsmannes Stalin, der nicht zuletzt mit Berijas Hilfe das Land über ein Vierteljahrhundert in seinem eisernen Griff gehalten hatte, war Berija nominell die politische Nummer zwei in der UdSSR, nach Ministerpräsident Malenkov.
Er war der oberste Chef der gesamten Geheimdienste und des Apparates des Innenministeriums. Das war wahrscheinlich der größte Machtblock, den es in der Sowjetunion gegeben hatte.
...bestätigt der Berliner Politologe und Historiker Jan Foitzik vom Münchner Institut für Zeitgeschichte.
Und, fügt Jewgenij Shyrnov hinzu, Experte für sowjetische und russische Zeitgeschichte bei der Moskauer Wochenzeitschrift "Kommersant - Vlastj":
Vor allem war Berija ein Machtmensch. - Ich kenne Dokumente, aus denen hervorgeht, dass er ein Kämpfer war, ein Killer. In den 20er Jahren hat er im Auftrag S-talins im Kaukasus politische Gegner einfach verschwinden lassen, Menschen umgebracht. - Es reichte, Berija eine Andeutung zu machen - und der Betreffende war weg. Er machte so etwas ohne jeden Anflug von Gewissensbissen.
Verflucht sollst du sein - Kalyma!
als Wunder-Planet einst bezeichnet,
Unfreiheit
die Sinne
verwirrt
eine Rückkehr,
die wird es nie geben
Auf mich
wartest du
lang nicht mehr
meine Briefe - die willst du nicht lesen.
Mich zu holen,
das wird dir zu schwer
Komme ich aber jemals zurück
dann wirst du
mich nicht mehr
erkennen.
Eines der bekanntesten Lagerlieder aus jener Zeit, entstanden im Fernen Osten, im Gebiet Kolyma. - Ausgerechnet Berija, der sich nun darauf vorbereitete, das innenpolitische Machtvakuum, das nach Stalins Tod entstanden war zu füllen, wollte ein Zeichen setzen. Auf seine Initiative hin wurde eine Amnestie für die in den Lagern Inhaftierten verkündet, es kam zum sogenannten "Kalten Sommer des Jahres 1953":
Das war eine Massenamnestie - unter Ausschluss der politischen Häftlinge. Entlassen wurde eine riesige Welle krimineller Verbrecher. Und das führte dann anschließend zu großen Ausschreitungen und Übergriffen gegen die Bevölkerung.
...erinnert sich Lazar’ Lazarev, Chefredakteur der in Moskau erscheinenden Zeitschrift "Voprosy literatury" ("Fragen der Literatur").
Ein wenig anders indes interpretiert Jevgenij Shyrnov von "Kommersant Vlast’" das Motiv Berijas, eine Amnestie voranzutreiben:
Das hatte einen rein wirtschaftlichen Hintergrund: Berija wollte einfach überflüssige Esser loswerden, die in den Lagern, im GULag, saßen. Berija wusste am besten, wie wirtschaftlich ineffektiv das GULag-System war. - Klar: Die Arbeitskraft der Häftlinge war kostenlos - aber die Arbeitsleistung war dementsprechend schlecht. Dass die Kriminalität im Land anwachsen würde, wenn vor allem Kriminelle freikämen, hat er wohl schlicht nicht in die Rechnung einbezogen. - Aber: Es gibt auch die These, dass er damit zielgerichtet eine Destabilisierung des Landes angestrebt hat, um so leichter die Macht zu übernehmen. Welche der beiden Thesen stimmt, wird sich wohl nie mehr nachprüfen lassen, denn in Berijas Gehirn kann man nicht mehr hineinsehen.
Der Politologe Jan Foitzik ist sich sicher, dass die Aktivitäten Berijas in den Diadochenkämpfen um die Nachfolge Stalins in der historischen Rückschau sogar als eigentlicher Beginn der so genannten "Entstalinisierung" zu werten sind - lange also vor Chruschtschovs berühmter Geheimrede 1956 vor dem 20. Parteitag der KPdSU. - Für Foitzik steht jedenfalls fest,...
...dass die Entstalinisierung schon vielleicht Ende März/Anfang April 1953 anfängt. Und dass Berija derjenige war, der sie begonnen hatte.
Diese Bewertung teilt auch Sergej Sygatschov von der Forschungsabteilung der Moskauer Menschenrechts-Organisation "Memorial":
Berija - und kein anderer - hat damit begonnen, den Stalin-Mythos zu zerstören. Auf Berija geht zurück, dass schon zwei, drei Wochen nach Stalins Tod im März ’53 bis hinein in den Juli ’53 Stalins Name in den Zeitungen schon so gut wie nicht mehr erwähnt wurde. Erst ab Juli, mit Berijas Verhaftung, änderte sich das wieder für eine kurze Zeit.
Alle hatten inzwischen begriffen, dass Stalins Innen- und Außenpolitik in eine Sackgasse geführt hatte. Auch wenn sie natürlich an sich selbst dachten, ging es den Führern der Partei schon auch darum, den Sowjetstaat zu konsolidieren. Das waren doch alles Etatisten! - Immerhin: Die ersten Freilassungen von politischen Häftlingen geschahen unter und auf Initiative von Berija. Natürlich aus taktisch-strategischen Erwägungen heraus. Nicht, weil er so ein lieber, netter Kerl war. - Henker bleibt immer Henker!
Das Tempo, das Berija dabei an den Tag legt, ist erstaunlich:
Sehr offensiv hat er die ganze Sache angepackt und hat gemeint, er könnte sozusagen im Sturm die Macht erobern. - Und das hängt wahrscheinlich damit zusammen, dass er von Untersuchungen bedroht war, die noch Stalin selbst eingeleitet hatte. Er hat dann sehr schnell versucht, das Innenministerium zur obersten Behörde in der sowjetischen Staatsführung zu machen. Und ich nehme an, damit hat er den größten Konflikt ausgelöst...
Angst und Misstrauen wachsen im engsten Führungszirkel. Der Schrecken, den er verbreitet hat, sitzt auch ihnen in den Knochen. Alle erinnern sich noch gut daran, wie sich schon bei Stalins Beerdigung Anfang März Berija ungeniert in den Vordergrund drängte.
Der damalige Offizier der Kremlwache, Solowjov, war Augenzeuge. Zweifel kamen bei ihm auf: Vorne auf der linken Seite von Stalins Sarg hätte das Staatsoberhaupt stehen müssen.
Sein automatischer Vertreter - im Abwesenheitsfall - wäre automatisch die "Nr. 2" im Staat, der Vorsitzende des Ministerrats. Diese Ordnung hatte Stalin einst selbst eingeführt. Auf Stalins Beerdigung war Berija auf der linken Position. Und nahm damit eigentlich Malenkovs Vorsitzenden-Position ein:
Der Sarg (Stalins) wurde dann folgendermaßen aus dem Kolonnensaal des (Moskauer) Gewerkschaftshauses getragen: Vier Offiziere, darunter ich, mussten den Sarg hochheben und den Regierungs-Mitgliedern übergeben. Die Nummer "1" musste links stehen, so dass die Rechte den Sarg halten konnte. - Warum mit der rechten Hand? - Weil Stalins linke Hand noch im Bürgerkrieg bei den Kämpfen in Zarizyn, dem späteren Stalingrad, verletzt worden war und schwächer war als die Rechte.
Und als ich Berija dort vorne links sah, da dachte ich mir schon: "Hmmm..., na jetzt wird sich die Macht wohl ändern!"
Und noch eins: Als der Sarg aus dem Kolonnensaal getragen wurde, schrie Berija die körperlich größeren Träger hinter ihm an, sie sollten den Sarg gefälligst senken. Die aber hielten sich nicht an seine Anweisungen. Daraufhin wurde Berija wütend und überschüttete sie mit nicht zitierfähigen Flüchen.
Diese Beschreibung passt auch in das Bild, dass Berija an Stalins Totenlager abgegeben haben muss, gleich nachdem der Despot seinen letzten Atemzug getan hatte. Dessen Leibwächter Jurij Solovjov erinnert sich:
Wache hielten --- na, die da: Berija und Malenkov,, Chruschtschov mit Bulganin... dann kam auch noch Mikojan dazu... Na, ja, ist schon wahr: Nikitka Chruschtschov ist in Tränen ausgebrochen. Und auch Bulganin... Alle ha’m sie irgendwie ’ne Träne abgedrückt...
Als erster aber sprang Berija aus der Tür. Und brüllte gleich aus vollem Hals: ‚Chrustaljoff, den Wagen!’ - Chrustaljoff, der Fahrer, ein fülliger, ruhiger und ausgeglichener Typ kam heran, seufzte tief auf und sagte: ‚Das war’s dann - der Genosse Stalin ist gestorben!
Selbst im Sicherheitsapparat - von seinen protegés vielleicht abgesehen - war Berija nicht sonderlich beliebt und - man war auf der Hut vor ihm. Bezeichnend ein Vorfall aus den vierziger Jahren, den Stalins Leibwächter Alexej Rybin Jahrzehnte später erzählt:
Berija hat sich - wissen Sie, wie soll sich sagen - mit Frauen zeitlebens gern und eng befasst. Überall hatte er welche: im Balschoj-Theater, in den Sanatorien, und dann... eben unsere "Wohl-Meinende", ein weiblicher Spitzel... ein sehr attraktives, rundliches Mädchen, das zu ihm in die Wohnung kam.
Und einmal, als sie so am Tisch sitzen, schaut sie auf ein Portrait Stalins, das dort an der Wand hing - und denkt still vor sich hin: ‚Was geht bloß vor bei dir?’ - als Berija sie auf einmal anfährt: ‚Warum schaust du ihn an? Der Hausherr hier im Land bin ich! Nicht er!’
Können Sie sich das vorstellen?
Anschließend kam sie zu uns und hat über ihren Besuch bei Berija einen Bericht für uns geschrieben.
Doch zurück zum Frühsommer 1953 - Berijas hektischer Aktionismus begann den Widerstand seiner Kollegen aus dem Politbüro, dem Führungsgremium der Kommunistischen Partei hervorzurufen. Berija - so der Publizist Shyrnov - hatte sich offenbar überschätzt:
Ein kluger Politiker vermeidet es, gleich zu Anfang alles ändern und austauschen zu wollen. Berija aber fing sofort an, seine Leute auf verschiedene Posten zu schieben, und zwar bis hinunter auf die Ebene von Gebiets-Chefs. Hier ernannte er, dort löste er ab. Dann fing er an, sich in die Angelegenheiten anderer sozialistischer Länder einzumischen... das alles passierte im März, April, Mai ’53!
Und so jagte er allen seinen Kollegen mit seinem Verhalten Angst ein.
Die ganze Führungsspitze - der Vorsitzende des Ministerrats Malenkov; Molotov, Bulganin - sie alle hatten eine tödliche Furcht vor Berija. Und erst da tauchte Chruschtschov auf, der anfing allen zuzureden: "Lasst uns zusammen etwas machen - sonst vernichtet uns Berija!
Shyrnov hat Hinweise darauf gefunden,...
... dass es im Mai ’53 erste Gespräche innerhalb des Sicherheitsapparates gegeben haben muß, gegen Berija vorzugehen. Chruschtschovs Mann im MGB - Ivan Serov, der spätere Vorsitzende des KGB bei Chruschtschov - dieser Serov also lud damals eine Reihe von höheren Funktionären der Staatssicherheit auf seine Datscha ein und führte mit ihnen sogenannte "allgemein-umfassende" Gespräche: "Also, Berija - irgendwie ist das mit dem so eine Sache, er macht nicht das, was er soll..." Konkret ist man dabei noch nicht geworden. Aber jeder von ihnen hat natürlich verstanden, worum es eigentlich geht.
Und das ist übrigens auch ein Beweis dafür, dass Berija inzwischen viel zu wenig seiner Leute in der Moskauer Lubjanka sitzen hatte, im Zentrum der sowjetischen Staatssicherheit. Der ganze Mittelbau der Staatssicherheit, das waren alles Leute, die nie mit Berija gearbeitet hatten. Er versetzte sie willkürlich, rügte und beschimpfte sie - als gefährlicher Rüpel war er ohnehin verrufen.
Kurz: Die Staatssicherheit war damals keine Stütze im Machtkampf für ihn.
Und dann - so Shyrnov - kam es auch noch zum Aufstand am 17. Juni 1953 in der DDR, ein - um im makabren Bild zu bleiben - echter Nagel an Berijas Sarg. Wieder einmal hatte er sich wohl verrechnet:
Um ein unanfechtbarer Führer zu werden, brauchte Berija die Unterstützung der Bevölkerung, breiter Schichten der Partei. - Und deshalb mußte sich die wirtschaftliche Lage im Land deutlich verbessern. Und das bedeutete auch: Berija wollte sich von der "drückenden Last DDR" und den anderen sozialistischen Ländern befreien. Und was den 17.Juni ’53 in der DDR angeht: Es steht fest, dass alle seine Leute dorthin geschickt worden waren, um die Angelegenheit aufzuklären. Anders gesagt: Auf dem Höhepunkt der Verschwörung gegen Berija fehlten ihm jene Leute in Moskau, die ihm am meisten ergeben waren - aus der Auslandsspionage, aus der Gegenspionage usw.. Das heißt: Der 17.Juni in der DDR spielte eine außerordentlich große Rolle, als Berija ausgeschaltet wurde.
Kaum hatten am 26. Juni Armeeoffiziere auf Weisung der Verschwörer im Politbüro Berija - ohne großen Lärm und Widerstand - bei einer Sitzung des Regierungs-Kabinetts verhaftet, tagte kurz darauf auch schon, Anfang Juli ’53, das Plenum des Zentralkommitees der KPdSU, um - wie es dann landläufig hieß - mit Berija abzurechnen.
Und zwar, wie das Protokoll ausweist, in echt stalinistischer Diktion und Sitzungsleitung. Nicht von ungefähr bewerten die meisten Zeithistoriker dieses Protokoll als das vorweg genommene Todesurteil, das ein knappes halbes Jahr später gegen Berija und 38 mit ihm verbundene Staatssicherheits-Generäle gefällt wird.
Berija wird dabei auch vorgeworfen, die DDR dem Westen ausliefern zu wollen. Eine glatte Überinterpretation der entsprechenden Vorlage, wie Jan Foitzik findet:
Ich halte diese Erklärung auf dem Juli-Plenum des ZK im wesentlichen für eine Legende. - Es gab Diskussionen in der sowjetischen Führung ’52/’53 über den Kurs in der Deutschlandfrage. Berija war unschlüssig in diesem Punkt. Genauso wie die gesamte sowjetische Führung. Das ist später zum Vorwand genommen worden, um Berija aus dem politischen Kampf auszuschalten.
Ich meine, wenn man sich das Urteil vom Dezember ’53 gegen Berija anschaut, kann man den Vorwurf, dass er die DDR hat fallen lassen wollen, überhaupt nicht aufrechterhalten.
In diesem Urteil ist nämlich festgehalten worden, dass er die ganze Sowjetunion hat fallenlassen wollen. Die sozialistische Verfassung der Sowjetunion wollte er abschaffen. Er wollte zurückkehren zum Kapitalismus in der Sowjetunion, usw. - in den Worten seiner Ankläger! Und das ist dann später von Ulbricht und von Honecker sozusagen ins Deutsche übersetzt worden - sie haben statt UdSSR einfach DDR geschrieben.
Alle fanden es nur komisch, als bekannt wurde, dass Berija ein englischer Spion gewesen sein sollte. Jeder wusste, dass das völliger Quatsch war. Es gab noch viel mehr idiotische Vorwürfe. Ein Beispiel:
Berija sei unmoralisch und pervers gewesen, hieß es offiziell als Anklagepunkt. Beweise??? - In seinem Safe habe man Präservative gefunden. - Jedem - auch damals schon - war klar: Ausgemachter Blödsinn. Mit Berija wollten sie einfach abrechnen - und das war’s! - So wie er das vorher mit anderen Menschen gemacht hatte...!
Mit Berija fielen auch noch viele seiner engsten Mitarbeiter. Alle diese Generäle aus den Reihen des NKWD und des Ministeriums für Staatssicherheit hatten ebenso Blut an ihren Händen wie ihr Herr und Meister. Aber auch auf den Gewinnern dieses Machtkampfs lastete als Schüler und Gefolgsleute Stalins eine blutbefleckte Vergangenheit - einschließlich Nikita Sergejewitsch Chruschtschov.
Im September 1953 spielte das, wie auch später, nie eine Rolle.
Mit ihm wählte damals das Zentralkommitee den vermeintlich Harmlosesten aus dem Führungskreis zum Ersten Sekretär der Kommunistischen Partei der Sowjetunion. Er galt als jovialer Mann und besaß den Stallgeruch, den der Partei-Apparat so schätzte. Und nun macht er sich - als Unauffälligster aller Stalin-Nachfolger - zielstrebig auf den Weg nach oben, um als Partei-Chef bald auch an die Spitze des Staates zu gelangen.
Der "Klatschdame vom Kurfürstendamm", Agnes Windeck, in der so genannten Frontstadt Berlin ist das zum Jahreswechsel ’53/’54 noch herzlich egal - in einer Kabarettsendung im RIAS Berlin verbreitet sie lieber ihre ganz eigenen Ansichten zum "Fall Berija und Genossen":
Nach dem Sturz von Berija hatte ich noch Mund und Nase aufgesperrt. - Dann wurde Dekanosov abgesetzt. Da hab ich mich beim Frühstück kaum mehr verschluckt. Und als dann gleich drauf der Innenminister der Ukraine drankam, hab ich nur noch lässig gesagt: Na, sieh mal an! Und beim Sturz von Bagirov: Ei, gucke da!
Jede einzelne dieser Nachrichten hätte eine Sensation werden können. Aber die Leute machen sich ja alles kaputt. Kein Gefühl für Einteilung.(...)
Die Leute haben einen so mit Sensationen überfüttert, dass man schon ganz wurschtig ist.
Ich sage Ihnen: wenn morgen in der Zeitung steht: ‚Malenkov hat den Zaren wieder eingeführt" - "So, so", würd’ ich sagen.
Ernster zuvor dagegen der politische Jahresrückblick 1953. Stalin und Berija - ihr Ende hat die Chronik dieses Jahres 1953 entscheidend geprägt.
Der allmächtige Beherrscher der geheimen Polizei, der Georgier Berija wurde gestürzt. Seine Stimme dringt aus dem Totenreich zu uns:
"Liebe Genossen und Freunde, schwer mit Worten auszudrücken sind die Gefühle der großen Trauer, die in diesen Tagen unsere Partei und die Völker unseres Landes und die gesamte fortschrittliche Menschheit durchleben. - Stalin lebt nicht mehr! Der große Mitstreiter und geniale Fortsetzer der Sache Lenins!"
Einen Tag vor dem Weihnachtsfest wurde Berija erschossen.
Solches Gebrüll sowjetischer Wachsoldaten hat noch jeder im Ohr, der den GULag des Lawrentij Pavlovitsch Berija durchlitten und überlebt hat.
Der GULag - jenes weitverzweigte, über das ganze riesige Territorium der ehemaligen Sowjetunion ausgebreitete System von Straf- und Arbeitslagern, über das der stellvertretende Ministerpräsident der UdSSR herrschte - zugleich in Personalunion Minister für Inneres und Staatssicherheit. Seit März 1953, seit dem Tod seines georgischen Landsmannes Stalin, der nicht zuletzt mit Berijas Hilfe das Land über ein Vierteljahrhundert in seinem eisernen Griff gehalten hatte, war Berija nominell die politische Nummer zwei in der UdSSR, nach Ministerpräsident Malenkov.
Er war der oberste Chef der gesamten Geheimdienste und des Apparates des Innenministeriums. Das war wahrscheinlich der größte Machtblock, den es in der Sowjetunion gegeben hatte.
...bestätigt der Berliner Politologe und Historiker Jan Foitzik vom Münchner Institut für Zeitgeschichte.
Und, fügt Jewgenij Shyrnov hinzu, Experte für sowjetische und russische Zeitgeschichte bei der Moskauer Wochenzeitschrift "Kommersant - Vlastj":
Vor allem war Berija ein Machtmensch. - Ich kenne Dokumente, aus denen hervorgeht, dass er ein Kämpfer war, ein Killer. In den 20er Jahren hat er im Auftrag S-talins im Kaukasus politische Gegner einfach verschwinden lassen, Menschen umgebracht. - Es reichte, Berija eine Andeutung zu machen - und der Betreffende war weg. Er machte so etwas ohne jeden Anflug von Gewissensbissen.
Verflucht sollst du sein - Kalyma!
als Wunder-Planet einst bezeichnet,
Unfreiheit
die Sinne
verwirrt
eine Rückkehr,
die wird es nie geben
Auf mich
wartest du
lang nicht mehr
meine Briefe - die willst du nicht lesen.
Mich zu holen,
das wird dir zu schwer
Komme ich aber jemals zurück
dann wirst du
mich nicht mehr
erkennen.
Eines der bekanntesten Lagerlieder aus jener Zeit, entstanden im Fernen Osten, im Gebiet Kolyma. - Ausgerechnet Berija, der sich nun darauf vorbereitete, das innenpolitische Machtvakuum, das nach Stalins Tod entstanden war zu füllen, wollte ein Zeichen setzen. Auf seine Initiative hin wurde eine Amnestie für die in den Lagern Inhaftierten verkündet, es kam zum sogenannten "Kalten Sommer des Jahres 1953":
Das war eine Massenamnestie - unter Ausschluss der politischen Häftlinge. Entlassen wurde eine riesige Welle krimineller Verbrecher. Und das führte dann anschließend zu großen Ausschreitungen und Übergriffen gegen die Bevölkerung.
...erinnert sich Lazar’ Lazarev, Chefredakteur der in Moskau erscheinenden Zeitschrift "Voprosy literatury" ("Fragen der Literatur").
Ein wenig anders indes interpretiert Jevgenij Shyrnov von "Kommersant Vlast’" das Motiv Berijas, eine Amnestie voranzutreiben:
Das hatte einen rein wirtschaftlichen Hintergrund: Berija wollte einfach überflüssige Esser loswerden, die in den Lagern, im GULag, saßen. Berija wusste am besten, wie wirtschaftlich ineffektiv das GULag-System war. - Klar: Die Arbeitskraft der Häftlinge war kostenlos - aber die Arbeitsleistung war dementsprechend schlecht. Dass die Kriminalität im Land anwachsen würde, wenn vor allem Kriminelle freikämen, hat er wohl schlicht nicht in die Rechnung einbezogen. - Aber: Es gibt auch die These, dass er damit zielgerichtet eine Destabilisierung des Landes angestrebt hat, um so leichter die Macht zu übernehmen. Welche der beiden Thesen stimmt, wird sich wohl nie mehr nachprüfen lassen, denn in Berijas Gehirn kann man nicht mehr hineinsehen.
Der Politologe Jan Foitzik ist sich sicher, dass die Aktivitäten Berijas in den Diadochenkämpfen um die Nachfolge Stalins in der historischen Rückschau sogar als eigentlicher Beginn der so genannten "Entstalinisierung" zu werten sind - lange also vor Chruschtschovs berühmter Geheimrede 1956 vor dem 20. Parteitag der KPdSU. - Für Foitzik steht jedenfalls fest,...
...dass die Entstalinisierung schon vielleicht Ende März/Anfang April 1953 anfängt. Und dass Berija derjenige war, der sie begonnen hatte.
Diese Bewertung teilt auch Sergej Sygatschov von der Forschungsabteilung der Moskauer Menschenrechts-Organisation "Memorial":
Berija - und kein anderer - hat damit begonnen, den Stalin-Mythos zu zerstören. Auf Berija geht zurück, dass schon zwei, drei Wochen nach Stalins Tod im März ’53 bis hinein in den Juli ’53 Stalins Name in den Zeitungen schon so gut wie nicht mehr erwähnt wurde. Erst ab Juli, mit Berijas Verhaftung, änderte sich das wieder für eine kurze Zeit.
Alle hatten inzwischen begriffen, dass Stalins Innen- und Außenpolitik in eine Sackgasse geführt hatte. Auch wenn sie natürlich an sich selbst dachten, ging es den Führern der Partei schon auch darum, den Sowjetstaat zu konsolidieren. Das waren doch alles Etatisten! - Immerhin: Die ersten Freilassungen von politischen Häftlingen geschahen unter und auf Initiative von Berija. Natürlich aus taktisch-strategischen Erwägungen heraus. Nicht, weil er so ein lieber, netter Kerl war. - Henker bleibt immer Henker!
Das Tempo, das Berija dabei an den Tag legt, ist erstaunlich:
Sehr offensiv hat er die ganze Sache angepackt und hat gemeint, er könnte sozusagen im Sturm die Macht erobern. - Und das hängt wahrscheinlich damit zusammen, dass er von Untersuchungen bedroht war, die noch Stalin selbst eingeleitet hatte. Er hat dann sehr schnell versucht, das Innenministerium zur obersten Behörde in der sowjetischen Staatsführung zu machen. Und ich nehme an, damit hat er den größten Konflikt ausgelöst...
Angst und Misstrauen wachsen im engsten Führungszirkel. Der Schrecken, den er verbreitet hat, sitzt auch ihnen in den Knochen. Alle erinnern sich noch gut daran, wie sich schon bei Stalins Beerdigung Anfang März Berija ungeniert in den Vordergrund drängte.
Der damalige Offizier der Kremlwache, Solowjov, war Augenzeuge. Zweifel kamen bei ihm auf: Vorne auf der linken Seite von Stalins Sarg hätte das Staatsoberhaupt stehen müssen.
Sein automatischer Vertreter - im Abwesenheitsfall - wäre automatisch die "Nr. 2" im Staat, der Vorsitzende des Ministerrats. Diese Ordnung hatte Stalin einst selbst eingeführt. Auf Stalins Beerdigung war Berija auf der linken Position. Und nahm damit eigentlich Malenkovs Vorsitzenden-Position ein:
Der Sarg (Stalins) wurde dann folgendermaßen aus dem Kolonnensaal des (Moskauer) Gewerkschaftshauses getragen: Vier Offiziere, darunter ich, mussten den Sarg hochheben und den Regierungs-Mitgliedern übergeben. Die Nummer "1" musste links stehen, so dass die Rechte den Sarg halten konnte. - Warum mit der rechten Hand? - Weil Stalins linke Hand noch im Bürgerkrieg bei den Kämpfen in Zarizyn, dem späteren Stalingrad, verletzt worden war und schwächer war als die Rechte.
Und als ich Berija dort vorne links sah, da dachte ich mir schon: "Hmmm..., na jetzt wird sich die Macht wohl ändern!"
Und noch eins: Als der Sarg aus dem Kolonnensaal getragen wurde, schrie Berija die körperlich größeren Träger hinter ihm an, sie sollten den Sarg gefälligst senken. Die aber hielten sich nicht an seine Anweisungen. Daraufhin wurde Berija wütend und überschüttete sie mit nicht zitierfähigen Flüchen.
Diese Beschreibung passt auch in das Bild, dass Berija an Stalins Totenlager abgegeben haben muss, gleich nachdem der Despot seinen letzten Atemzug getan hatte. Dessen Leibwächter Jurij Solovjov erinnert sich:
Wache hielten --- na, die da: Berija und Malenkov,, Chruschtschov mit Bulganin... dann kam auch noch Mikojan dazu... Na, ja, ist schon wahr: Nikitka Chruschtschov ist in Tränen ausgebrochen. Und auch Bulganin... Alle ha’m sie irgendwie ’ne Träne abgedrückt...
Als erster aber sprang Berija aus der Tür. Und brüllte gleich aus vollem Hals: ‚Chrustaljoff, den Wagen!’ - Chrustaljoff, der Fahrer, ein fülliger, ruhiger und ausgeglichener Typ kam heran, seufzte tief auf und sagte: ‚Das war’s dann - der Genosse Stalin ist gestorben!
Selbst im Sicherheitsapparat - von seinen protegés vielleicht abgesehen - war Berija nicht sonderlich beliebt und - man war auf der Hut vor ihm. Bezeichnend ein Vorfall aus den vierziger Jahren, den Stalins Leibwächter Alexej Rybin Jahrzehnte später erzählt:
Berija hat sich - wissen Sie, wie soll sich sagen - mit Frauen zeitlebens gern und eng befasst. Überall hatte er welche: im Balschoj-Theater, in den Sanatorien, und dann... eben unsere "Wohl-Meinende", ein weiblicher Spitzel... ein sehr attraktives, rundliches Mädchen, das zu ihm in die Wohnung kam.
Und einmal, als sie so am Tisch sitzen, schaut sie auf ein Portrait Stalins, das dort an der Wand hing - und denkt still vor sich hin: ‚Was geht bloß vor bei dir?’ - als Berija sie auf einmal anfährt: ‚Warum schaust du ihn an? Der Hausherr hier im Land bin ich! Nicht er!’
Können Sie sich das vorstellen?
Anschließend kam sie zu uns und hat über ihren Besuch bei Berija einen Bericht für uns geschrieben.
Doch zurück zum Frühsommer 1953 - Berijas hektischer Aktionismus begann den Widerstand seiner Kollegen aus dem Politbüro, dem Führungsgremium der Kommunistischen Partei hervorzurufen. Berija - so der Publizist Shyrnov - hatte sich offenbar überschätzt:
Ein kluger Politiker vermeidet es, gleich zu Anfang alles ändern und austauschen zu wollen. Berija aber fing sofort an, seine Leute auf verschiedene Posten zu schieben, und zwar bis hinunter auf die Ebene von Gebiets-Chefs. Hier ernannte er, dort löste er ab. Dann fing er an, sich in die Angelegenheiten anderer sozialistischer Länder einzumischen... das alles passierte im März, April, Mai ’53!
Und so jagte er allen seinen Kollegen mit seinem Verhalten Angst ein.
Die ganze Führungsspitze - der Vorsitzende des Ministerrats Malenkov; Molotov, Bulganin - sie alle hatten eine tödliche Furcht vor Berija. Und erst da tauchte Chruschtschov auf, der anfing allen zuzureden: "Lasst uns zusammen etwas machen - sonst vernichtet uns Berija!
Shyrnov hat Hinweise darauf gefunden,...
... dass es im Mai ’53 erste Gespräche innerhalb des Sicherheitsapparates gegeben haben muß, gegen Berija vorzugehen. Chruschtschovs Mann im MGB - Ivan Serov, der spätere Vorsitzende des KGB bei Chruschtschov - dieser Serov also lud damals eine Reihe von höheren Funktionären der Staatssicherheit auf seine Datscha ein und führte mit ihnen sogenannte "allgemein-umfassende" Gespräche: "Also, Berija - irgendwie ist das mit dem so eine Sache, er macht nicht das, was er soll..." Konkret ist man dabei noch nicht geworden. Aber jeder von ihnen hat natürlich verstanden, worum es eigentlich geht.
Und das ist übrigens auch ein Beweis dafür, dass Berija inzwischen viel zu wenig seiner Leute in der Moskauer Lubjanka sitzen hatte, im Zentrum der sowjetischen Staatssicherheit. Der ganze Mittelbau der Staatssicherheit, das waren alles Leute, die nie mit Berija gearbeitet hatten. Er versetzte sie willkürlich, rügte und beschimpfte sie - als gefährlicher Rüpel war er ohnehin verrufen.
Kurz: Die Staatssicherheit war damals keine Stütze im Machtkampf für ihn.
Und dann - so Shyrnov - kam es auch noch zum Aufstand am 17. Juni 1953 in der DDR, ein - um im makabren Bild zu bleiben - echter Nagel an Berijas Sarg. Wieder einmal hatte er sich wohl verrechnet:
Um ein unanfechtbarer Führer zu werden, brauchte Berija die Unterstützung der Bevölkerung, breiter Schichten der Partei. - Und deshalb mußte sich die wirtschaftliche Lage im Land deutlich verbessern. Und das bedeutete auch: Berija wollte sich von der "drückenden Last DDR" und den anderen sozialistischen Ländern befreien. Und was den 17.Juni ’53 in der DDR angeht: Es steht fest, dass alle seine Leute dorthin geschickt worden waren, um die Angelegenheit aufzuklären. Anders gesagt: Auf dem Höhepunkt der Verschwörung gegen Berija fehlten ihm jene Leute in Moskau, die ihm am meisten ergeben waren - aus der Auslandsspionage, aus der Gegenspionage usw.. Das heißt: Der 17.Juni in der DDR spielte eine außerordentlich große Rolle, als Berija ausgeschaltet wurde.
Kaum hatten am 26. Juni Armeeoffiziere auf Weisung der Verschwörer im Politbüro Berija - ohne großen Lärm und Widerstand - bei einer Sitzung des Regierungs-Kabinetts verhaftet, tagte kurz darauf auch schon, Anfang Juli ’53, das Plenum des Zentralkommitees der KPdSU, um - wie es dann landläufig hieß - mit Berija abzurechnen.
Und zwar, wie das Protokoll ausweist, in echt stalinistischer Diktion und Sitzungsleitung. Nicht von ungefähr bewerten die meisten Zeithistoriker dieses Protokoll als das vorweg genommene Todesurteil, das ein knappes halbes Jahr später gegen Berija und 38 mit ihm verbundene Staatssicherheits-Generäle gefällt wird.
Berija wird dabei auch vorgeworfen, die DDR dem Westen ausliefern zu wollen. Eine glatte Überinterpretation der entsprechenden Vorlage, wie Jan Foitzik findet:
Ich halte diese Erklärung auf dem Juli-Plenum des ZK im wesentlichen für eine Legende. - Es gab Diskussionen in der sowjetischen Führung ’52/’53 über den Kurs in der Deutschlandfrage. Berija war unschlüssig in diesem Punkt. Genauso wie die gesamte sowjetische Führung. Das ist später zum Vorwand genommen worden, um Berija aus dem politischen Kampf auszuschalten.
Ich meine, wenn man sich das Urteil vom Dezember ’53 gegen Berija anschaut, kann man den Vorwurf, dass er die DDR hat fallen lassen wollen, überhaupt nicht aufrechterhalten.
In diesem Urteil ist nämlich festgehalten worden, dass er die ganze Sowjetunion hat fallenlassen wollen. Die sozialistische Verfassung der Sowjetunion wollte er abschaffen. Er wollte zurückkehren zum Kapitalismus in der Sowjetunion, usw. - in den Worten seiner Ankläger! Und das ist dann später von Ulbricht und von Honecker sozusagen ins Deutsche übersetzt worden - sie haben statt UdSSR einfach DDR geschrieben.
Alle fanden es nur komisch, als bekannt wurde, dass Berija ein englischer Spion gewesen sein sollte. Jeder wusste, dass das völliger Quatsch war. Es gab noch viel mehr idiotische Vorwürfe. Ein Beispiel:
Berija sei unmoralisch und pervers gewesen, hieß es offiziell als Anklagepunkt. Beweise??? - In seinem Safe habe man Präservative gefunden. - Jedem - auch damals schon - war klar: Ausgemachter Blödsinn. Mit Berija wollten sie einfach abrechnen - und das war’s! - So wie er das vorher mit anderen Menschen gemacht hatte...!
Mit Berija fielen auch noch viele seiner engsten Mitarbeiter. Alle diese Generäle aus den Reihen des NKWD und des Ministeriums für Staatssicherheit hatten ebenso Blut an ihren Händen wie ihr Herr und Meister. Aber auch auf den Gewinnern dieses Machtkampfs lastete als Schüler und Gefolgsleute Stalins eine blutbefleckte Vergangenheit - einschließlich Nikita Sergejewitsch Chruschtschov.
Im September 1953 spielte das, wie auch später, nie eine Rolle.
Mit ihm wählte damals das Zentralkommitee den vermeintlich Harmlosesten aus dem Führungskreis zum Ersten Sekretär der Kommunistischen Partei der Sowjetunion. Er galt als jovialer Mann und besaß den Stallgeruch, den der Partei-Apparat so schätzte. Und nun macht er sich - als Unauffälligster aller Stalin-Nachfolger - zielstrebig auf den Weg nach oben, um als Partei-Chef bald auch an die Spitze des Staates zu gelangen.
Der "Klatschdame vom Kurfürstendamm", Agnes Windeck, in der so genannten Frontstadt Berlin ist das zum Jahreswechsel ’53/’54 noch herzlich egal - in einer Kabarettsendung im RIAS Berlin verbreitet sie lieber ihre ganz eigenen Ansichten zum "Fall Berija und Genossen":
Nach dem Sturz von Berija hatte ich noch Mund und Nase aufgesperrt. - Dann wurde Dekanosov abgesetzt. Da hab ich mich beim Frühstück kaum mehr verschluckt. Und als dann gleich drauf der Innenminister der Ukraine drankam, hab ich nur noch lässig gesagt: Na, sieh mal an! Und beim Sturz von Bagirov: Ei, gucke da!
Jede einzelne dieser Nachrichten hätte eine Sensation werden können. Aber die Leute machen sich ja alles kaputt. Kein Gefühl für Einteilung.(...)
Die Leute haben einen so mit Sensationen überfüttert, dass man schon ganz wurschtig ist.
Ich sage Ihnen: wenn morgen in der Zeitung steht: ‚Malenkov hat den Zaren wieder eingeführt" - "So, so", würd’ ich sagen.
Ernster zuvor dagegen der politische Jahresrückblick 1953. Stalin und Berija - ihr Ende hat die Chronik dieses Jahres 1953 entscheidend geprägt.
Der allmächtige Beherrscher der geheimen Polizei, der Georgier Berija wurde gestürzt. Seine Stimme dringt aus dem Totenreich zu uns:
"Liebe Genossen und Freunde, schwer mit Worten auszudrücken sind die Gefühle der großen Trauer, die in diesen Tagen unsere Partei und die Völker unseres Landes und die gesamte fortschrittliche Menschheit durchleben. - Stalin lebt nicht mehr! Der große Mitstreiter und geniale Fortsetzer der Sache Lenins!"
Einen Tag vor dem Weihnachtsfest wurde Berija erschossen.