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Wahlkampf in Hessen
Ackern für Schwarz-Grün

Grüne und CDU in Hessen haben in der vergangenen Legislaturperiode reibungslos zusammengearbeitet. In der Regierung ließen sie sich gegenseitig genug Spielraum, um beide erfolgreich zu sein. Doch ein Einzug der AfD ins Parlament könnte Schwarz-Grün bei der Landtagswahl Ende Oktober die Mehrheit kosten.

Von Ludger Fittkau | 20.09.2018
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    Volker Bouffier von der CDU und Tarek Al-Wazir von den Grünen (Bild: Fredrik von Erichsen/dpa) (Fredrik von Erichsen/dpa)
    Priska Hinz: "Also, meine Damen und Herren, wir werden ab heute – Tarek und ich – in den Wahlkampf starten. Mit Leidenschaft."
    Tarek Al-Wazir: "Und natürlich ist klar: Je stärker die Grünen werden, umso grüner wird's."
    Tarek Al-Wazir und Priska Hinz, die grünen Spitzenkandidaten in Hessen, eröffnen Mitte September vor dem Landtag in Wiesbaden die heiße Phase des Landtagswahlkampfes. Die Grünen wollen die Fortsetzung des schwarz-grünen Regierungsbündnisses in Hessen – daran lassen sie keinen Zweifel. Der stellvertretende hessische Ministerpräsident und Wirtschaftsminister Tarek Al-Wazir:
    "Wenn Sie sich die Umfragen anschauen und mal vergleichen zwischen den Bundesländern, dann fällt eines auf: Die Hessinnen und Hessen sind zufriedener als in anderen Bundesländern. Wenn sie mal Bayern neben Hessen legen, fällt ihnen das ganz besonders auf. Ich glaube, im letzten Hessentrend war der höchste Zufriedensheitsgrad mit der Landesregierung, seitdem es den Hessentrend gibt, das sind 20 Jahre."
    Die Spitzenkandidaten der Grünen für die Landtagswahl in Hessen, Priska Hinz und Tarek Al-Wazir, vor einem Wahlkampfplakat, das die beiden zeigt und mit dem Slogan "Haltung zeigen: Vernunft statt Populismus" versehen ist
    Die Spitzenkandidaten der Grünen für die Landtagswahl in Hessen, Priska Hinz und Tarek Al-Wazir, beim Wahlkampfauftakt der Grünen Hessen (picture alliance/ dpa/ Andrea Löbbecke)
    Schwarz-Grün hat schlechte Chancen
    Wenige Stunden später – ein Bierzelt an einem Sportplatz der Gemeinde Obertshausen, zehn Kilometer östlich von Offenbach: Auch der hessische CDU-Ministerpräsident Volker Bouffier und seine Frau Ursula werben gemeinsam auf der Bühne für die Fortsetzung der schwarz-grünen Koalition in Hessen.
    Volker Bouffier: "Es geht um Hessen, es geht darum, dass das Land stark bleibt, dass wir kein Durcheinander kriegen."
    Ursula Bouffier: "Die Koalition macht 'ne gute Arbeit und ich hoffe, es bleibt so - dafür kämpfen wir."
    Doch dass es bei einer schwarz-grünen Regierungskoalition in Hessen bleiben kann, ist knapp fünf Wochen vor der Landtagswahl am 28. Oktober mehr als fraglich. Das wissen auch die Spitzenpolitiker von CDU und Grünen. Seit vielen Monaten hat die bisherige Landesregierung in den Umfragen keine Mehrheit mehr. Wie es aussieht, müssen sich Volker Bouffier und Tarek Al-Wazir nach der Wahl noch einen weiteren Koalitionspartner suchen, wenn sie weiterregieren wollen.
    Ziel: GroKo verhindern
    Nach Lage der Dinge kann das nur die FDP sein. Sonst bleibt für Hessen wohl nur eine Große Koalition. Die will die bisherige hessische Umweltministerin Priska Hinz von den Grünen verhindern:
    "Wer uns wählt, sorgt dafür, dass es keine Große Koalition gibt, die wieder nur Stillstand bedeuten würde."
    Den Grünen in Hessen fällt es naturgemäß leichter, die bisherige schwarz-grüne Koalition in Hessen als Gegenbild zur Groko in Berlin zu beschreiben. Leichter jedenfalls als der CDU, die ja in Berlin mit der SPD regiert. Die hessischen Grünen setzen auch auf ein klassisches grünes Top-Thema für den Wahlkampf – den Klimawandel nämlich. Beim Wahlkampfauftakt vor dem Wiesbadener Landtag präsentieren Priska Hinz und Tarek Al-Wazir allerdings überraschenderweise erst einmal zwei PKW, in denen sie ihre Wahlkampftour bestreiten wollen.
    Priska Hinz: "Na ja, wir haben extra Hybridfahrzeuge. Aber es ist klar: Bei der Vielzahl von Terminen, das schaffen wir nicht allein auf dem Fahrrad."
    Tarek Al-Wazir: "Aber ich darf vielleicht an dieser Stelle nochmal sagen: Verkehrswende bedeutet ja nicht, dass man keinen Individualverkehr mehr hat, sondern dass man den Individualverkehr anders organisiert. Dass man über Alternativen zum Verbrennungsmotor nachdenkt."
    Bouffier nimmt die grünen Kernthemen ernst
    Dass Grüne und CDU in Hessen in der vergangenen Legislaturperiode in der Regierung so reibungslos zusammengearbeitet haben, liegt auch daran, dass Ministerpräsident Volker Bouffier die grünen Kern- Themen wie etwa den Ökolandbau durchaus ernst genommen hat. Das macht er auch in einer aktuellen Landtagsdebatte zur Bilanz der Koalition deutlich. Bouffier knüpft dabei sehr zur Freude der Grünen an einen Regierungsstil an, für den vor allem der ehemalige nordrhein-westfälische Ministerpräsident und spätere Bundespräsident Johannes Rau (SPD) bekannt war:
    "Zusammenführen und nicht spalten – das ist die Linie. Und das können sie auch finden bei der konventionellen Landwirtschaft und der Frage der Ökolandwirtschaft. Man kann die gegeneinander ausspielen, man kann aber auch wie in Hessen dafür sorgen, dass beide erfolgreich sind."
    CDU und Grüne in Hessen haben sich gegenseitig in der Regierung eigentlich genug Spielraum gelassen, um beide erfolgreich zu sein. Die Grünen haben der CDU geholfen, mehr als 1.500 neue Polizisten einzustellen - die Aufklärungsquote bei Straftaten ist höher als je zuvor. Die Grünen bekamen ein landesweites "Schülerticket" für den ÖPNV – die anfangs skeptische CDU findet das jetzt auch gut.
    Der Ausbau der Frankfurter Flughafens gelingt ohne zusätzliches Steuergeld, die CDU lobt die Bemühungen des grünen Verkehrsministers, das Nachtflugverbot am Flughafen notfalls mit Strafen gegen verspätete Fluglinien durchzusetzen. Hessen steht vor allem wirtschaftlich gut da.
    Grüne Komponente im Wohnungsbau
    Doch der Einzug der AfD ins Parlament könnte Schwarz-Grün die Mehrheit kosten. Wie es aussieht, wird es für Schwarz-Grün alleine nicht mehr zur Regierungsmehrheit reichen. Sollte die FDP als dritte Regierungspartei hinzukommen, könnte die grüne Umweltministerin Priska Hinz ihre bisherige Zuständigkeit für die Wohnungsbaupolitik des Landes verlieren. Denn die FDP sieht das Thema Bauen im Umweltministerium falsch angesiedelt.
    Beim Wahlkampfauftakt vor dem Landtag argumentiert Priska Hinz jedoch nochmal für eine spezifisch grüne Komponente im Wohnungsbau. Auch das ist ein Thema, dass Volker Bouffier seinem Koalitionspartner gönnt – wohl auch aus Überzeugung:
    "Wohnen ist mehr als ein Dach über dem Kopf. Das heißt, es gehört auch soziale Infrastruktur dazu und auch grünes Umfeld. Spielflächen, Kindertagesstätten, Schulen, Begegnungsstätten, Parks."
    Im Bierzelt bei Offenbach geht Volker Bouffier nicht mehr so sehr in inhaltliche Details. Er weist darauf hin, dass die Briefwahl in Hessen in dieser Woche schon begonnen hat:
    "Ab jetzt kann man jeden Tag wählen. Die nächsten gut sechs Wochen müssen wir ackern."
    Ackern – gerne auch für Schwarz-Grün, wenn es doch nochmal reichen sollte. Sonst eben wohl für eine Ampel-Koalition. Tarek Al-Wazir spricht auch für Bouffier mit, wenn er sagt:
    "Und wir sind auch das Gegenbild zu einer handlungsunfähigen Großen Koalition. Und auch darüber werden wir in den nächsten sechs Wochen reden."