Dienstag, 23. April 2024

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Kölner Forum für Journalistmuskritik
Laudatio für den Wallraff-Preisträger 2022 Julian Assange

Julian Assange hat den Günter-Wallraff-Preis 2022 zugesprochen bekommen. Seine Frau Stella Morris nahm die Auszeichnung am 19. Mai 2022 auf dem Kölner Forum für Journalismuskritik für ihren in London inhaftierten Mann entgegen. Wir dokumentieren im Folgenden die Laudatio von Birgit Wentzien, Chefredakteurin des Deutschlandfunks.

Von Birgit Wentzien | 19.05.2022
    Deutschlandfunk-Chefredakteurin Birgit Wentzien beim 6. Kölner für Journalismuskritik am 19.5.2022.
    Deutschlandfunk-Chefredakteurin Birgit Wentzien beim 6. Kölner für Journalismuskritik am 19.5.2022. (Deutschlandradio/Dirk Borm)
    Spion, Verräter, Staatsfeind - Freiheitskämpfer, Aktivist, investigativer Journalist. Es kommt darauf an, wen Du fragst. NEIN, das kann nicht sein.

    Julian Assange veröffentlichte über die Enthüllungsplattform Wikileaks geheime Dokumente von Regierungen, Unternehmen und Organisationen. Akten aus dem US-Gefangenenlager Guantanamo, diplomatische E-Mails und Beweise für Kriegsverbrechen im Irak.

    Missstände öffentlich zu machen, ist eine Kernaufgabe des Journalismus. Genau das hat Julian Assange getan. Er hat Geheimdokumente veröffentlicht, die ihm von seinen Quellen zugespielt wurden. Aber er hat diese Dokumente nicht selbst gesammelt oder gestohlen. Sollte Julian Assange dafür verurteilt werden, wäre das ein weltweiter Präzedenzfall und ein Zeichen der Abschreckung für Reporterinnen und Reporter auf der ganzen Welt.
    "Julian Assange betrifft uns alle.“ Für die US-Staatsanwaltschaft ist Assange kein Journalist. Auf die Frage, ob er Assange eher als Hightech-Terroristen oder als Whistleblower bezeichnen würde, antwortete Joe Biden, damals US-Vizepräsident: "Ich würde sagen, er ist ein Hightech-Terrorist.“

    Was mit uns passiert, wenn wir nicht mehr wagen, die Dinge beim Namen zu nennen? Dies hinzunehmen ist Selbstaufgabe – der Demokratie, der Meinungs- und der Pressefreiheit. Punktum. Hannah Arendt spricht in „Wahrheit und Politik“ von einer doppelten Gefahr, der demokratische Gesellschaften ausgesetzt sind. Die eine Gefahr, das ist die systematische Verwischung des Unterschieds von Wahrheit und Lüge. Und die andere Gefahr, das ist die Versuchung, Augen und Ohren vor unbequemen Wahrheiten zu schließen.
    Meinungsfreiheit ist eine Farce, wenn die Information über die Tatsachen nicht garantiert ist. Meinungsfreiheit beginnt da, wo die Fakten klar sind. Journalisten können nicht aus einem Krieg berichten, der keiner sein soll. Ein Krieg ist ein Krieg. Und andersherum und auch mit Hannah Arendt: "Wo prinzipiell und nicht nur gelegentlich gelogen wird, hat derjenige, der einfach sagt, was ist, bereits zu handeln angefangen.“

    Günter Wallraff initiierte 2020 einen Appell für die Entlassung von Julian Assange aus der Haft - aus medizinischen und rechtsstaatlichen Gründen. Günter Wallraff sagt: "Es geht nicht nur um Julian Assange selbst, sondern um die Verteidigung der Meinungs- und Pressefreiheit. Wenn Journalisten und Whistleblower befürchten müssen, die Aufdeckung staatlicher Verbrechen mit Einkerkerung oder ihrem Leben zu bezahlen, sei die Vierte Gewalt und damit die Demokratie in Gefahr.“
    Der Günter-Wallraff-Preis 2022 geht an Julian Assange und es ist uns eine große Ehre und Freude, dass Stella Moris diesen Preis hier in Köln entgegennimmt.
    Seien Sie herzlich willkommen und bedankt und nehmen Sie bitte die Auszeichnung für Ihren Mann entgegen, aber auch für Ihr eigenes Tun und Wirken in dieser für uns alle so wichtigen Sache.