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Weltraum-Ausstellung
Forschungsobjekt, Inspiration und Müllkippe

Meteoritensplitter, Nachbauten von E.T. und R2D2 oder eine Endzeituhr: Vier Jahre haben die Kuratoren der Bonner Ausstellung "Outer Space" Material gesammelt. Herausgekommen ist eine faszinierende Weltraum-Schau zwischen Kunst und Wissenschaft.

Von Peter Backof | 02.10.2014
    Der Mond oder die Luna? Wir sind Sternenstaub. MIR, ISS, Apollo und Sputnik, das sind Eigennamen. Sie stehen für etwas. Und da ist dieses Bild, das von Menschen, die im Weltall waren, immer wieder beschrieben wurde: der Blick aus der Raumkapsel, zurück auf den Blauen Planeten. Alles werde nichtig und klein.
    "Der Weltraum ist für alle gut"
    Das ist die lyrische Ebene von "Outer Space". Die Schau, die schon alleine innenarchitektonisch spektakulär als wabenförmige Weltraumstation inszeniert ist, beginnt im ersten der 15 Räume so poetisch: Eine Walnuss in Originalgröße, in deren Schale sich – unendlich viele Lichtpunkte befinden. Allspace in a Nutshell: diese Paradoxa des Alls. Oder: Das große, barocke Gemälde von Rubens: Herkules, schon als kleiner Wonneproppen überirdisch stark, saugte allzu sehr beim Gesäugtwerden. Mutti Hera stieß ihn von sich und so entstand die Milchstraße. Oder haben Sie eine andere Theorie?
    "Der Weltraum ist ja für alle gut: Der ist für die Wissenschaft gut, für die Künstler, für die Schriftsteller, für die Spinner, für die Esoteriker. Und es gibt da wunderbare Schnittstellen."
    Vier Jahre lang haben die Kuratoren Claudia Dichter und Stephan Andreae gesammelt: Von dem originalen Meteoritensplitter, der - ausgerechnet 1492, sogenannte Entdeckung der Neuen Welt! - im Elsass gefunden wurde, über autorisierte Nachbauten von E.T. und R2D2, bis zur Endzeituhr: Rote LED-Ziffern zählen herunter bis in vier Milliarden Jahren und ein paar Zerquetschte, wenn dann die Sonne explodieren wird. Was das Ende von Alles in allem bedeuten – könnte?
    Zwischen Kunst und Wissenschaft
    Die Schau oszilliert immer zwischen einer künstlerischen und einer technisch- informativen Perspektive. Mit Inhalten, die auch überraschen, mit Schnittstellen:
    "Fritz Lang hat gesagt: Wir können diese Rakete nicht starten lassen, ohne dass es ein emotionales Verdichtungsmoment gibt. Und der hat den Countdown erfunden. Also der Countdown geht auf Fritz Lang zurück!"
    Den Countdown hören wir an dieser Stelle nicht, wir sehen ihn als Texttafel im Stummfilm "Frau im Mond."
    "Und die NASA wiederum hat gesagt: Das ist super, das machen wir auch! Und seitdem wird jeder Raketenstart der westlichen Welt von einem Countdown begleitet."
    Und ein großer für die Menschheit. Rein technisch gesehen gibt es keine Notwendigkeit für einen Countdown. Er hat etwas damit zu tun, wie man Weltraumfahrt im Fernsehen in Szene setzte.
    Oder auch instrumentalisierte: Das Rennen zum Mond zwischen Amerikanern und Russen, seine Okkupation als neuen Kontinent: "Scheitern ist keine Option" heißt ein Raum.
    "Nee, so sind wir heute nicht mehr drauf. Natürlich hat sich die politische Lage verändert. Es hat viele tragische Ereignisse gegeben. Also viele Astronauten und Kosmonauten mussten ihr Leben lassen. Natürlich gab es dann irgendwann die Frage: Warum opfert man Menschenleben und warum setzt man auch so viel Geld ein?"
    Der Bezug zum Weltraum ist nach dem Ende des Kalten Kriegs rationaler geworden. Aber nicht durchweg: Immer noch ist alles, was aus dem All kommt oder mal im All war, mit überirdischer Bedeutung aufgeladen: Objekte wie Reliquien: Haben nicht auch Raketen von der Form her etwas Kathedrales, Sakrales? Eine künstlerische Arbeit zeigt einen Nachbau des Betts, in dem Neil Armstrong vor genau 45 Jahren schlief: Was hat er geträumt? War er nicht auch eine Art "Auserwählter"? - Und dann: wieder der Schwenk ins Technische:
    Blick ins All und auf uns
    Ein letzter Blick aus der Raumkapsel fällt auf Weltraumschrott. Zehntausende lädierter Objekte kreisen heute um den Globus wie der Ring des Saturns. Eine unterschätze Gefahr: Kollidieren sie, werden sie aus der Bahn geworfen und könnten auf uns stürzen, wenn sie es unter einem bestimmten Eintrittswinkel durch die Atmosphäre schaffen. Die Weltraumforschung sucht nach dem großen Asteroiden, der uns aus der Tiefe des Raums kommend ins Armaggedon stürzt wie damals die Dinosaurier.
    Die Katastrophe könnte aber selbst gemacht sein! Auch eine Art Botschaft.
    Outer Space, die Schau erzeugt mit ihrer hinreißenden Qualität – wie das All – fast schon Ehrfurcht. Kandidatin für eine der besten, deutschen Ausstellungen dieses Jahres!