Sonntag, 28. April 2024

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Wie Künstler wohnen
Kleinmädchenträume und Rückzugsräume für Rockstars

Sängerin Florence Welch hat in ihrem Häuschen in London eine ganze Etage für ihre Garderobe freigeräumt, Gitarrist Lindsey Buckingham verkriecht sich gerne im Tonstudio über seiner Garage. Wie Musiker wohnen, lasse auch Rückschlüsse auf ihre Kunst zu, sagte Christine Halter-Oppelt, Autorin des Bildbands "Rock My Home", im Dlf.

Christine Marie Halter-Oppelt im Gespräch mit Fabian Elsäßer | 20.11.2017
    Florence Welch mit ihrer Band Florence + the Machine beim Coachella Music and Arts Festival
    Florence Welch mit ihrer Band Florence + the Machine (imago stock&people/ZUMBA Press)
    Fabian Elsäßer: Wer mag der Mensch hinter der Musik sein, was machen Rock- und Popstars eigentlich, wenn sie nicht auf der Bühne oder im Studio stehen - bei Künstlern mit kurzer Halbwertzeit oder geringer Inhaltstiefe - da kriegt man das öfter mal mit, denn ein Paparazzi Schnappschuss mehr verlängert im Zweifelsfall den Ruhm und eine Geschichte aus den eigenen vier Wänden hält das Interesse an der Person aufrecht. Aber echte Stars oder echte Künstler haben das meistens nicht nötig.
    Umso spannender wird es, wenn sie doch mal einen Einblick in ihre Rückzugsräume geben - und die hat Christine Marie Halter-Oppelt für den Bildband "Rock My Home" zusammengetragen. Sie arbeitet als Design-Journalistin und ist jetzt aus München zugeschaltet, hallo!
    Christine Marie Halter-Oppelt: Hallo.
    Elsäßer: Frau Halter-Oppelt, bleiben wir doch gleich bei Florence + the Machine, die ja auch einen großen Platz in Ihrem Bildband findet. Die 31-Jährige wohnt in einem alten Arbeiterhaus. Was war Ihr erster Gedanke, als Sie diese ziemlich vollgestopften Räume gesehen haben?
    Halter-Oppelt: Das Haus erscheint mir genauso verrückt wie die Bewohnerin selbst. Die Florence ist ja sowohl auf der Bühne als auch in dem Song, den wir vorhin gehört haben, ziemlich explosiv, springt auch schon mal in die Beleuchtungsanlagen bei ihren Konzerten. Und genauso spontan war sie auch in der Einrichtung ihres kleinen Hauses, was sie sich geleistet hat. Davor wohnte sie bei ihrer Mutter, wo sie so viele Klamotten in ihrem eigenen Zimmer gestapelt hatte, dass sie da gar nicht mehr schlafen konnte und immer im Wohnzimmer genächtigt hatte nach Konzerten. Also war es an der Zeit, etwas Neues zu kaufen. Und das ist jetzt genauso vollgestopft mit ihren ganzen Vintage-Kostümen, Kleidern und alten Möbeln, Trödel, Büchern - ja, alles, was sie so mag und sammelt.
    "Wohnen ist etwas sehr Persönliches"
    Elsäßer: Jetzt haben Sie natürlich nur ausschnittsweise dieses Phänomen "Wie wohnen Musiker" beleuchten können mit dem Material, das sie zur Verfügung hatten. Aber trotzdem: Wenn Sie jetzt aus diesen Beispielen, die sie da haben, mal eine Quersumme ziehen würden - wie oft haben wir dann das Phänomen "My Home is My Castle"? Also dass das wirklich der Rückzugsraum ist, an den keiner ran soll?
    Halter-Oppelt: Also ich würde sagen: fast immer. Das trifft ja, glaube ich, auf uns alle zu. Wohnen ist etwas sehr Persönliches. Und jeder fühlt sich, glaube ich, in seinen eigenen Räumen am sichersten und kann sich dort auch ganz frei ausdrücken, ohne zu überlegen: Sieht das jetzt jemand anders? Wie urteilt der darüber? Ich kann mich dort auf das Sofa fläzen und Musik hören oder ein Buch lesen und niemand schaut mir zu. Und darum ist das ein ganz, ganz persönlicher Raum für jeden, glaube ich.
    Kindheitserinnerungen, Trödel und Gitarren
    Elsäßer: Sie haben ja gerade schon eine Kongruenz hergestellt zwischen Kunst und Einrichtung des eigenen Rückzugsraums, am Beispiel von Florence + the Machine. Haben Sie das jetzt öfter bei diesen Beispielen gesehen, dass Sie gedacht haben: Ja, da passt schon irgendwie der Künstler zum Haus und andersherum, beziehungsweise die Musik passt zum Stil.
    Halter-Oppelt: Also eigentlich bei fast jedem Künstler. Ich könnte Ihnen jetzt viele Beispiele nennen. Zum Beispiel Sheryl Crow: Ich würde jetzt weniger sagen, die Musik … wobei: Sie wohnt natürlich in Nashville, das ist die Country-Hochburg. Ihre Musik bewegt sich auch in dem Bereich. Aber bei ihr ist ganz besonders, dass sie mit ihren Eltern immer früher auf den Flohmarkt ging, in Trödelgeschäften Möbel zusammensuchte. Und das ist ihre Kindheitserinnerung, das ist ihre Vergangenheit, das macht sie heute mit Leidenschaft immer noch. Und ihr ganzes Haus ist vollgestopft mit alten Sachen, mit Erinnerungen, mit alten Möbeln, mit Fundstücken.
    Elsäßer: Wie viel Platz geben die Künstler eigentlich ihrer Kunst zu Hause? Also ihren Arbeitsgeräten? Haben wir da bei jedem Beispiel ein Heimstudio, eine Halle voller Musikinstrumente?
    Halter-Oppelt: Viele Künstler haben die Musikinstrumente in die Wohnung integriert, also in das Interieur integriert. Bei Kid Rock zum Beispiel stehen die Gitarren sehr dekorativ neben dem offenen Kamin. Sheryl Crow hat eine ganze Gitarrensammlung, die sind allerdings in ihrem Studio, das sie in einem Extragebäude … Das ist wie eine Scheune von außen, drinnen ist aber das Tonstudio, da sind diese Gitarren aufgereiht. Dann zum Beispiel Ozzy Osbourne: Der hat ein Studio im Keller, damit nicht so viel Krach im Haus ist. Auch Lindsey Buckingham …
    Elsäßer: Von Fleetwood Mac.
    Halter-Oppelt: Von Fleetwood Mac. Er hat auch ein eigenes Studio.
    Elsäßer: Da sieht es richtig nach Arbeit aus.
    Halter-Oppelt: Genau. Also er hat ein Garagenhaus - natürlich führ mehrere Autos, wie das in Amerika üblich ist. Darüber ist das Studio eingerichtet. Und da trifft er sich auch mit seinen alten Kollegen und die arbeiten gerade auch an einem neuen Album.
    Kid Rock: Innenarchitekt und Pornobildchen
    Elsäßer: Was war die größte Überraschung für Sie beim Durchgucken dieser Bilder?
    Halter-Oppelt: Eigentlich doch Kid Rock. Er ist ja so der "White Trash"-Sänger …
    Elsäßer: Ja, wobei bei ihm wird es ja auch geschmacklos: Elfenbeinschmuck auf dem Beistelltisch im Badezimmer.
    Halter-Oppelt: Ich finde den Elfenbeinschmuck gar nicht so schlimm. Haben Sie die Bilder dahinter gesehen? Da sind nämlich nackte Frauen drauf, in eindeutigen Positionen. Aber das Haus gefällt mir. Das Haus ist eigentlich sehr geschmackvoll gemacht. Es ist alles mit dunklen Hölzern eingerichtet, so ein bisschen im Kolonialstil.
    Elsäßer: Aber Artenschutz geht anders.
    Halter-Oppelt: Wir gehen jetzt mal davon aus, dass es antike Sachen sind, die man ja auch noch handeln und kaufen darf. Er hatte natürlich einen sehr guten Inneneinrichter, Martyn Lawrence Bullard aus L.A. - und der hat natürlich dem ganzen Haus den Feinschliff gegeben.
    Elsäßer: Das sagt also mehr etwas aus über die Leute, die dann da arbeiten dürfen. Die Innenarchitekten und Architekten, die beteiligt sind.
    Halter-Oppelt: Ich glaube, viele sind auch sehr passioniert, wenn es darum geht, ihre Wohnungen und Häuser einzurichten, und geben den Stil vor, arbeiten aber auch in enger Zusammenarbeit. Zum Beispiel Cher: Sie wollte ihre Leidenschaft, den Buddhismus, dort widergespiegelt sehen und das hat sie so ihrem Inneneinrichter mitgegeben. Der hat das dann für sie realisiert.
    Lilly Allens Kleinmädchentraum
    Elsäßer: Bei wem wurden Sie sofort einziehen wollen und warum?
    Halter-Oppelt: Ich würde jetzt mal sagen: Lilly Allen, weil das etwas ganz anderes ist als wo ich wohne. Das ist ein Cottage wie ein Märchenschloss, eigentlich ein Kleinmädchentraum, was sie sich da realisiert hat, nördlich von London auf dem Land, mit ganz vielen Wiesen und Beeten und bunten Blumen drumherum. In jedem Zimmer ist eigentlich ein offener Kamin und es sind plüschige Sofas dort, weiche Betten - ja, so wie man sich das vorstellt.
    Elsäßer: Rückzugsräume für Rocker und Kleinmädchenträume - das gibt es zu sehen im Bildband "Rock My Home: Wie Musiker wohnen", 192 Seiten und 200 Farbabbildungen stark, erschienen bei DVA [*]. Wir sprachen mit Christine Halter-Oppelt, die diesen Band zusammengestellt hat. Vielen Dank für dieses Corsogespräch!
    Halter-Oppelt: Gerne.
    Äußerungen unserer Gesprächspartner geben deren eigene Auffassungen wieder. Der Deutschlandfunk macht sich Äußerungen seiner Gesprächspartner in Interviews und Diskussionen nicht zu eigen.

    [*] Anders als im Beitrag zu hören, ist das Buch bei DVA erschienen