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"Wir müssen diese Proteste ausweiten"

Trotz massiver Studentenproteste mit Straßensperren und Eierwürfen hat das italienische Parlament einer Reform von Bildungsministerin Mariastella Gelmini zugestimmt, die Kürzungen in Höhe von mehreren Milliarden Euro umfasst. Doch die Studierenden wollen nicht aufstecken, im Gegenteil.

Von Thomas Migge | 01.12.2010
    "Wir haben uns entschieden, jetzt den Protest auf das ganze Land auszuweiten, weil unsere Argumente komplett ignoriert werden. Wir müssen reagieren, damit diese Reform in der zweiten Kammer des Parlaments revidiert wird. Wir müssen alle Italiener mobilisieren."

    Massimiliano Gervasi vom italienischen Studentenbund gibt sich nicht geschlagen. Seine Organisation will weiterkämpfen. Unterstützt werden sie von Eltern, von Bildungspolitikern von der linken Opposition und einer Vielzahl von Hochschullehrern. Am Tag nach der ersten wichtigen Abstimmung zur umstrittenen Unireform der Regierung Berlusconi herrscht ganz dicke Luft. Enrico Eramo, Biologe und Wissenschaftlicher an der Universität Rom ist einer derjenigen, die neue Protestaktionen planen und erneut das Lahmlegen des Zug- und Autoverkehrs fordern, um die Öffentlichkeit auf die Folgen der Unireform aufmerksam zu machen:
    "Wir müssen diese Proteste ausweiten, um der Regierung klar zu machen, dass wir es ernst meinen. Wir wollen die Reform ja nicht ganz über den Haufen werden, sondern sie verbessern. Die Regierung ignoriert total unser Angebot zur Diskussion. Folglich bleibt uns nur ein noch radikalerer Protest. Rund 50 Prozent aller Uni-Dozenten sagen Nein zu der jetzigen Reform."
    Was die Protestierenden vor allem erregt: die von der Regierung ohne Wenn und Aber durchgeboxte Kürzung der staatlichen Ausgaben für die Hochschulen, während gleichzeitig die privaten in den Genuss von mehr Finanzmitteln kommen.

    Die Reaktionen auf die Abstimmung im Parlament könnten, befürchtet Annalisa Mercante, Kommunikationswissenschaftlerin an La Sapienza in Rom, zu einer gewalttätigen Radikalisierung führen:

    "Diese Reform ist inakzeptabel, weil sie die Situation der Studierenden und der Nachwuchswissenschaftler eindeutig verschlechtert. Aber es ist vor allem die üble Ignoranz auf Kritik nicht einzugehen, die uns so wütend macht. Und dann die Kürzungen! Den Unis fehlen im kommenden Jahr 1,35 Milliarden Euro!."

    Also wird weiter protestiert. Wahrscheinlich brutaler als bisher. Die Versuche der letzten Tage, den Senat und das Parlament in Rom zu stürmen, so wird aus dem Studentenbund versichert, seien nur der Anfang einer ganz neuen Protestwelle.