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Woge des Erfolgs

Die rumänische Stadt Sibiu, früher Hermannstadt, hat 180.000 Einwohner und einen deutschstämmigen Bürgermeister. Klaus Johannis wurde 1959 geboren und zählt zu den rund 2000 Rumänien-Deutschen, die heute noch in Sibiu leben. Vor fünf Jahren wurde er erstmals zum Bürgermeister der Stadt gewählt und im vergangenen Jahr mit über 88 Prozent der Stimmen in seinem Amt bestätigt. Ein Bericht von Theo Geers.

03.11.2005
    An der Wand hängt das kleine protestantische Holzkreuz zu oberst, darunter die orthodoxe Christusikone, darunter das Stadtwappen und zu unterst - als Abrundung - die große rumänische Flagge. Im Ratssaal von Hermannstadt spricht diese pyramidenförmige Rangordnung Bände: Hier ist die Welt noch im Lot, hier ist klar, wer wo steht und wofür.

    "Ich betrachte mich als ethnisch Deutscher und rumänischer Staatsbürger. Ich spreche selbstverständlich sehr gut rumänisch und spreche zu allen offiziellen Gelegenheiten, wenn ich als Bürgermeister auftrete, rumänisch. Ob man jetzt Hermannstadt oder Sibiu sagt, das hängt davon ab, in welcher Sprache man spricht. Wenn ich deutsch spreche, sage ich immer Hermannstadt, wenn ich rumänisch spreche Sibiu."

    Für Klaus Johannis ist es kein Spagat, als Deutscher und so fühlt er sich. Das Wort "deutschstämmig" mag er nicht. Doch bei aller Bescheidenheit, mit der er auftritt …

    "Ich spreche nicht so gern über meine Person und wie großartig ich dabei agiere."

    Bei aller Bescheidenheit: Der 46-Jährige hat inzwischen auch fünf Jahre Zeit gehabt, mit dem Amt zu Recht zu kommen.

    "Ich bin Physiklehrer. Ich habe in der Schulverwaltung gearbeitet und bin ganz zufällig in die Politik gekommen und dann im Jahr 2000 Bürgermeister von Hermannstadt geworden."

    Und seit dem schwimmen er und die Partei der deutschen Minderheit, das Demokratische Forum, auf einer Woge des Erfolgs. Nur noch 2000 Köpfe zählt diese deutsche Minderheit in Hermannstadt. Das sind gut zwei Prozent der 180.000 Einwohner. Und doch haben fast unglaubliche 88,7 Prozent der Wähler Klaus Johannis im Juni letzten Jahres wiedergewählt. Sein Erfolgsrezept ist einfach.

    "Was ich da so tue? Ich denke es hat einfach damit zu tun, dass ich wohl die Sachen meistens richtig angepackt habe."

    Und das vor allem erfolgreich. Die Sachen, das sind beispielsweise eine 30 km lange Umgehungsstraße, die Komplettsanierung der 70 Hektar großen historischen Altstadt, der Antrag, diese, wenn sie fertig ist, als Weltkulturerbe von der Unesco anerkennen zu lassen und zuvor, 2007, Hermannstadt als Kulturhauptstadt Europas zu präsentieren. Und wie hinter allem steckt auch dahinter rationales Kalkül.

    "Wir hoffen, dass noch mehr Wirtschaft in die Stadt kommt und somit der Standort noch besser wird."

    Und da schimmert es dann so richtig durch: Klaus Johannis, der Vorzeigedeutsche mit dem rumänischen Pass, ist ein Macher durch und durch. Ein Bürgermeister, so sein Credo, hat zu aller erst für ein gesundes wirtschaftlich Fundament in seiner Stadt zu sorgen. Und da ist Hermannstadt mehr als gesund. Zwölf Prozent Wirtschaftswachstum im letzten Jahr sprechen ebenso für sich wie eine Arbeitslosenquote von fünf Prozent. Der Hüne mit der Stoppelhaarfrisur ist ein Glücksfall für die Stadt und ihre deutsche Minderheit, die ausgerechnet jetzt die größte politische Rolle spielt, wo sie am kleinsten ist: Seit der letzten Wahl verfügt die Partei der Zwei-Prozent-Minderheit mit 16 von 23 Sitzen über die absolute Mehrheit im Stadtparlament. Doch von Durchregieren hält Klaus Johannis nichts.

    "Die Leute haben uns nicht gewählt, weil wir Deutsche sind, die haben uns gewählt, weil sie denken, dass wir die Probleme der Stadt lösen können. Wenn wir jetzt die deutschen Probleme der Stadt lösen, dann tun wir weder der Stadt noch uns etwas besonders Gutes."

    Da plagen ihn ganz andere Sorgen. Der sichere EU-Beitritt Rumäniens beispielsweise. 2007 ist Rumänien vielleicht in der EU, 2008 ganz sicher. 75 Prozent der Rumänen wollen das, doch Johannis bleibt auf seine trockene Art nüchtern:

    "Das hat sehr viel mit Hoffnungen zu tun und sehr wenig mit echter Information."

    Tatsächlich muss er nur durch seine Stadt laufen, wo immer noch die kleinen und sehr kleinen Geschäfte den Einzelhandel prägen. Viele ihre Eigentümer haben noch nicht begriffen, dass mit der EU auch die großen Handelsketten mit ihren Baumärkten, Supermärkten und Discountern kommen und die kleinen Schraubenhändler ebenso platt machen werden wie den Gemüsemann oder das Elektrogeschäft, das noch nicht mal ein Schaufenster hat, sondern nur durch eine verwitterte Holztür zu betreten ist. Also den Beitritt eher verschieben? Zum Beispiel, damit Rumänien im Kampf gegen die Korruption noch weiter vorankommt? Klaus Johannis winkt ab

    "Ich gehöre zu den Politikern, die auf einem Beitritt zum 1.1.2007 bestehen, weil es absolut nichts bringt, wenn man den Beitritt um ein Jahr verschiebt. Selbst wenn nicht alle Kriterien haar klein erfüllt werden, ist nicht anzunehmen, dass sie ein Jahr später haar genau erfüllt werden."