Dienstag, 16. April 2024

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Youtuber Lingualpfeife
Faszination Orgel im Videoformat

Der Lehramtsstudent Ludwig Martin Jetschke hat rund 2.500 Videos im Internet veröffentlicht, bei denen die Orgel im Mittelpunkt steht. Seiner Faszination für das Instrument folgen inzwischen Tausende auf seinem Kanal Lingualpfeife und mit einigen hat er sich in Freiburg zum Austausch getroffen.

Von Claus Fischer | 27.01.2020
    Orgelpfeifen der St Petri Kirche in Dortmund
    "So, nun zu einer nächsten Runde der Registerkunde! In den letzten Videos habe ich ja schon vorgestellt, was die Einheit ‚Fuß‘ bedeutet, dass also verschiedene Tonhöhen anzusteuern sind mit einer Taste und jetzt möchte ich also auf die einzelnen Klangfarben eingehen!"

    Ein typisches Internet-Video von Ludwig Martin Jetschke alias Lingualpfeife. Der junge Mann mit dem freundlichen, manchmal verschmitzt lächelnden Gesicht und dem legeren Kapuzenpulli sitzt am Spieltisch der spätromantischen Orgel in der Bamberger Kirche St. Otto und erläutert die sogenannten Prinzipalregister.

    "Die bilden im Wesentlichen so den Klang ab, den man von der Orgel kennt, also der typische Orgelklang, 'princeps' heißt ja auch der Erste, der Führende … ein 8'-Prinzipal klingt dann ungefähr so." (Der Organist spielt ein Klangbeispiel.)


    Ludwig Martin Jetschkes Geschichte als Influencer "Lingualpfeife" begann vor acht Jahren.

    "Ich habe eine Digitalkamera geschenkt bekommen. Erstmal macht man natürlich Fotos und dann irgendwann denkt man: Oh, da kann man ja auch Videos machen! Und dann war ich ein absoluter Anfänger und Dilettant und hab' halt nur gedacht: OK, ich stell jetzt mal die Kamera hin und schau, was passiert. Und habe die dann mehr spaßeshalber an die Orgelempore mitgeschleppt, und dann dachte ich, dann stelle ich das halt mal ins Netz, aber das war völlig naiv und blauäugig!"
    Ludwig Martin Jetschke alias Lingualpfeife
    Seit acht Jahren macht Ludwig Martin Jetschke alias Lingualpfeife Videos über Orgeln (Deutschlandradio/Claus Fischer)
    Lingualpfeife als Vorbild
    "Also ich hab eine Orgelausbildung gemacht und das gab aber irgendwie keine Leute, die so Orgel gespielt haben, wie ich das wollte", erzählt Lara, Physikstudentin in Heidelberg und Mitglied der Lingualpfeife-Community. "Und dann habe ich ganz viel von Ludwigs Videos geguckt, und dann war der irgendwie mein Vorbild, der hat nämlich so gespielt, wie ich das auch gerne können wollte! Das war nicht so das eingestaubte KirchenorganistInnen-Ding, was man so kennt, sondern irgendwie sehr gute Musik, sehr gut improvisiert, das aber mit einer Leichtigkeit verknüpft."
    Rund 2.500 Videos hat Ludwig Martin Jetschke alias Lingualpfeife inzwischen ins Netz gestellt. Die Spannweite reicht von freien Improvisationen zum Einzug des Klerus eines festlichen Hochamtes in der katholischen Kirche seines Heimatortes Würzburg-Heidingsfeld bis hin zu unzähligen Improvisationen über Kirchenlieder aus dem katholischen Gesangbuch "Gotteslob". Und die Zahl der Klicks steigt von Tag zu Tag.
    "Ich glaube, dass der Erfolg ein Stückweit darin besteht, dass vielleicht viele von den Organisten sehen: OK, so krieg ich´s vielleicht nicht hin, aber ich kann aus dem Video was rausziehen, was ich dann doch umsetzen kann."
    Bei aller Begeisterung über seinen Erfolg im Netz - der Orgel-Youtuber ist sich bewusst, dass er kein professioneller Konzertorganist oder gar Virtuose ist - das will er aber auch gar nicht sein.

    "Also wer da mit einer Formkritik ankommt, da geh ich gnadenlos baden!"
    Der Weihbischof und die Community
    Nicht nur Hobby-Organisten und hauptamtliche Kirchenmusiker haben in den letzten Jahren von Ludwig Martin Jetschkes Aktivitäten im Netz profitiert, sondern auch Theologen wie Christian Würtz, Weihbischof im Erzbistum Freiburg und - wie er augenzwinkernd sagt - vor wenigen Monaten noch ganz normaler Gemeindepfarrer.

    "Als Pfarrer sitzt man eben Freitagmittags am Schreibtisch und überlegt sich: Was für Lieder könnte die Gemeinde am Sonntag singen? Und ich bin jetzt selber nicht so musikalisch, dass ich anhand des Notenbildes gleich sehe, wie sich das Lied anhört. Und dann gibt man halt im Internet die Titelzeile ein und immer häufiger kam dann eben Lingualpfeife. Da habe ich mir dort immer die Lieder angehört, das war für mich sehr hilfreich!"


    Das Treffen einiger der Follower des Orgel-Influencers am vergangenen Wochenende in Freiburg war bereits das dritte seit anderthalb Jahren. Am ersten hatten noch zehn teilgenommen, am zweiten 30 und jetzt in Freiburg waren es rund 60. Es gab Gottesdienste, eine Orgelführung im Freiburger Münster und diverse Workshops, in denen es bei Weitem nicht nur um Musik, sondern auch um theologische und spirituelle Fragen ging. Eingeladen hatte Weihbischof Christian Würtz, dem die Sache spürbar am Herzen lag.

    "Viele junge Leute sind jetzt da, die auch wirklich Freude am Orgelspiel haben und das ist schon auch ganz wichtig, dass da immer wieder Nachwuchs kommt."
    Das von Lingualpfeife initiierte Treffen in Freiburg
    Das Treffen der Orgelinteressierten in Freiburg war bereits das dritte seit anderthalb Jahren (Deutschlandradio/Claus Fischer)
    Reaktionen auf Lingualpfeife
    Der Nachwuchs war übrigens nicht nur katholisch. Community-Mitglied Philipp aus dem südwestfälischen Kreis-Siegen-Wittgenstein ist Hobby-Organist in der evangelischen Kirche seines Dorfes - auch wie er betont, dank Ludwig Martin Jetschke.

    "Ich hatte das Interesse, aber durch Lingualpfeife kam ich dann auf jeden Fall auf den Weg dahin – er hat mich unterstützt."

    Community-Mitglied Carina, Studentin aus Bonn ist noch nicht so weit, aber:

    "Ich überlege auch so ein bisschen, ob ich mal irgendwann Orgel spiele. Es würde mich reizen, ich habe auch viel drüber nachgedacht die letzten Jahre, ich überlege noch, aber das würde ich eigentlich gerne mal machen."

    Solche Äußerungen freuen Ludwig Martin Jetschke natürlich. Die Resonanz auf seine Internet-Aktivitäten ist immens - und sie geht weit über die seiner Community hinaus.

    "Stapelweise Briefe, Mails oder sonst etwas, wo Leute geschrieben haben: Ich habe wegen dir angefangen, Orgel zu spielen, aber auch noch viel weiter. Bis hin zu solchen Sachen wie 'Ich bin wegen dir wieder in die Kirche eingetreten', 'gehe wieder in den Gottesdienst' oder 'habe mich taufen lassen'. Da sieht man, dass man diese Wucht gar nicht überreißen kann, was das Internet für Möglichkeiten bietet!"