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Zentralisierung im deutschen Beachvolleyball
Verband setzt Top-Teams unter Druck

Hamburg will Deutschlands Beachvolleyball-Hauptstadt werden. Am Olympiastützpunkt sollen die besten Teams des Landes trainieren. Dafür versprach die Hansestadt dem klammen deutschen Volleyball-Verband Geld und Sicherheiten. Doch Deutschlands Top-Spielerinnen wollen das nicht.

Von Carsten Upadek | 05.03.2017
    Margareta Kozuch und Karla Borger spielen bei der FIVB World Tour 2017 in Fort Lauderdale.
    Margareta Kozuch und Karla Borger spielen bei der FIVB World Tour 2017 in Fort Lauderdale. (imago)
    Die besten Beach-Volleyballerinnen Deutschlands trainieren momentan wegen des Wetters auf Teneriffa. Neu dabei ist Ex-Hallen-Star Maggie Kozuch, die nun mit der ehemaligen Vize-Weltmeisterin Karla Borger aus Stuttgart im Sand steht:
    "Die Saison im Sommer wird im Winter aufgebaut, das ist ganz, ganz wichtig. Ich glaube, es ist Gold wert, jetzt so schnell wie möglich zusammenzuwachsen."
    Die beiden erfahrenen Athletinnen haben sich in wenigen Monaten ein auf sie zugeschnittenes Team aufgebaut. Doch der Deutsche Volleyball-Verband hat andere Pläne: Borger/Kozuch sollen nach Hamburg wechseln – ohne ihr Team, wenn sie Zuschüsse vom Verband erhalten wollen. Es geht um eine stattliche Summe von gut 25.000 Euro und Sonderleistungen. Um sich anzunähern gab es Ende Februar eine Skype-Schalte. Doch die sei ernüchternd verlaufen, erzählt Maggie Kozuch.
    "Kompromissbereitschaft haben wir nicht wirklich gesehen. Das würde heißen, wenn wir nach Hamburg gehen, müssten wir alles aufgeben, was wir uns seit Oktober aufgebaut haben. Ohne jegliche Kompromissbereitschaft ist das so gut wie unmöglich."
    Der DVV macht Druck
    Insider sagen, der Verband will wenigstens eines der drei Spitzen-Duos im Frauen-Beachvolleyball an seine Strukturen in Hamburg binden, um die Stadt als Geldgeber bei der Stange zu halten. Schließlich gibt es zwischen den Partnern nur eine Absichtserklärung, nichts Konkretes.
    Die Hansestadt wiederum hat Anfang 2016 durch den Ausstieg von Sponsoren erstklassige Teams im Eishockey, Hallen-Volleyball und Handball verloren. Nach dem Olympia-Sieg im August in Rio setzt Hamburg nun strategisch auf Beachvolleyball. Sport-Staatsrat Christoph Holstein:
    "Wir haben am Olympiastützpunkt sehr gute Bedingungen, was am besten dadurch unterstrichen wird, dass man auf den großen Erfolg von Laura Ludwig und Kira Walkenhorst verweist."
    Der Verweis hinkt aber. Die beiden Goldmedaillen-Gewinnerinnen aus Hamburg trainieren zwar am Olympiastützpunkt, nicht aber in den DVV-Strukturen. (in einer früheren Version hieß es: "nicht am Olympiastützpunkt". Das wurde im Text korrigiert.) Ludwig/Walkenhorst haben ihr eigenes Team und wollen das auch nicht aufgeben, erzählt deren Betreuer Andreas Scheuerpflug. Denn das sei ausschlaggebend für den Erfolg gewesen.
    "Diese Kombination aus verschiedenen Trainern, die super miteinander harmonieren und die gesagt haben, sie wollen unbedingt nochmal diesen Vierjahreszyklus angehen."
    Über diese so genannte Insellösung wollte Scheuerpflug mit dem Verband reden und fuhr Anfang März auf eigene Initiative nach Frankfurt. Bilanz des Treffens: Laura Ludwig und Kira Walkenhorst sollen weniger Förderung bekommen, "weil sie ja ihre Insellösung bewilligt bekommen haben und der Verband hat gesagt: Ihr wollt Euer eigenes Ding machen, dann seid Ihr auch verpflichtet, Euch stärker selbst zu organisieren."
    Ex-Olympiasieger Brink lehnt Posten als Sportdirektor ab
    Abwesend bei dem Treffen: sowohl der DVV-Präsident, als auch sein für Beachvolleyball zuständiger Vize Andreas Künkler, ehrenamtlich in dieser Funktion. Professionelle Strukturen sähen anders aus, sagt ein Insider. Auch ein Interview war kurzfristig nicht möglich.
    Ein weiteres Problem im DVV: die Stelle des Sportdirektors ist seit zwei Jahren unbesetzt. Für den Posten hatte sich der Verband nach Informationen des DLF inoffiziell bereits auf Ex-Olympiasieger Julius Brink festgelegt. Doch der sagte Ende Februar ab und bestätigte das nun exklusiv dem Deutschlandfunk. Er könne dem Anforderungsprofil zeitlich leider nicht gerecht werden, schrieb der Olympiasieger von London 2012.
    "Das ist sehr schade, weil Julius sicher sehr gut gewesen wäre", sagt der Betreuer des Teams Ludwig/Walkenhorst, Andreas Scheuerpflug. Denn Welt- und Europameister Brink wisse, dass die Sportler in den Mittelpunkt gehörten. Die heutige Strategie "ist genau der umgekehrte Ansatz – es wir erst einmal das System in den Vordergrund gestellt."
    Gold in Rio 2016 verdeckt Probleme
    Wie die Zentralisierung vom Verband an die Athleten kommuniziert wird, empfinden viele mindestens als unglücklich – auch die zum Jahresende zurückgetretene Katrin Holtwick, Ex-Vize-Europameisterin. Sie verstehe aber, warum der Verband das Geld aus Hamburg genommen habe.
    "Die letzten Jahre haben gezeigt, dass es vor allem im Männer-Volleyball nicht so weitergehen kann, dass jeder seine eigene Suppe kocht."
    Ex-Olympiasieger Jonas Reckermann: "Hätten wir nicht 2016 eine Medaille geholt bei den Frauen, dann würde jeder fragen: Was ist denn mit dem deutschen Beachvolleyball los? Die Goldmedaille übertüncht das ein bisschen."
    Beide sagen: noch sei Deutschland bei den Damen mit drei Spitzenteams gut aufgestellt. Aber die Spielerinnen selbst fühlen sich zum Teil vom Verband genötigt. Karla Borger erzählt über das letzte Gespräch:
    "Ich dachte eigentlich, wir würden eine sachliche und respektvolle Umgangsweise miteinander haben, aber das ist leider nicht dazu gekommen und ich finde das sehr schade, weil wir alle an einem Projekt arbeiten und wir da sehr viel Herzblut reinstecken und großes Vertrauen brauchen und das null entgegengebracht bekommen."