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Zerwürfnis zwischen Bauherr und Architekt

Nach vielen Protesten und Debatten hatte der Kölner Stadtrat vor drei Jahren den Moscheebau genehmigt. Jetzt steht der Rohbau. Doch der Bauherr, die Vereinigung Ditib, hat nun dem Architekten wegen angeblich gravierender Baumängel gekündigt. Dass diese für den Konflikt allein entscheidend sind, glaubt Jörg Biesler nicht.

Jörg Biesler im Gespräch mit Rainer Berthold Schossig | 26.10.2011
    Rainer Berthold Schossig: Die Kölner Zentralmoschee soll eine der größten, ja und auch schönsten Moscheen in Deutschland werden. Nach vielen Protesten und politischen Debatten hatte der Kölner Stadtrat vor drei Jahren den Moscheebau genehmigt. Jetzt steht der Rohbau, oder sogar mehr davon, aber es gibt wieder Ärger. Die Moschee-Bauherren, die türkisch-religiöse Vereinigung Ditib hat dem Architekten Knall auf Fall gekündigt, wegen angeblich gravierender Baumängel. Die Zusammenarbeit mit dem Kölner Architekturbüro Paul Böhm sei daher beendet worden.

    Frage an Jörg Biesler, Architekturkritiker in Köln: Herr Biesler, Paul Böhm hält dagegen, die Ditib sei nur einer von ihm bereits ausgesprochenen Kündigung zuvorgekommen. Da hat es also irgendwie Krach gegeben. Seit über einem halben Jahr seien die fälligen Honorare nicht gezahlt worden. Wer hat recht von beiden?

    Jörg Biesler: Das werden sicher in dem Fall am Ende die Gerichte entscheiden, so weit ist es mittlerweile. Es hat hier offenbar ganz starke Verwerfungen zwischen beiden gegeben. Es ist ja üblich eigentlich, dass Architekt und Bauherr irgendwann mal an den Punkt kommen, wo sie miteinander streiten. Dann ist aber die Frage, wie kommt man da eigentlich wieder zusammen und will man das. Und hier will man es jetzt offenbar nicht mehr. In so einer verfahrenen Situation würde ich sagen, da hat jeder irgendwie recht. Aber es ist nicht ganz zu klären, wer denn nun die Wahrheit sagt und wer hier eigentlich verantwortlich handelt.

    Schossig: Die Ditib konnte ja auch bisher keine konkreten Baumängel anscheinend benennen. Oder haben Sie davon was gehört? Sie haben mit den Leuten gesprochen. Hat es vielleicht ganz andere verborgene Gründe?

    Biesler: Das ist die Frage. Das ist wirklich bemerkenswert, dass hier zwar ein paar Baumängel immer wieder genannt werden, wie zum Beispiel ein Minarett musste teilweise wieder abgerissen werden und neu errichtet werden, weil die Betonfarbe nicht stimmte. Das ist mir zum Beispiel gestern auf Nachfrage gesagt worden, dass das einer der Konfliktpunkte sei. Dieses Minarett ist aber inzwischen wieder aufgebaut und die Kosten dafür hat der Bauunternehmer getragen, der den falschen Zement geliefert hat. Also das ist gar kein Streitpunkt mehr.
    Andere konkrete Punkte, die kann die Ditib bislang nicht nennen. Sie sagt selber, das Gutachten sei noch nicht freigegeben, es gibt wo möglich noch ein zweites Gutachten. Und auf so einer Grundlage, dem Architekten, mit dem man jetzt jahrelang zusammengearbeitet hat, zu kündigen, halte ich für verhältnismäßig fahrlässig.

    Schossig: Es klingt wie ein Vorwand. Liegt's am Geld?

    Biesler: Es könnte am Geld liegen. Man kann natürlich spekulieren über die Gründe. Vielleicht hat es hier auch einfach einen politischen Richtungswechsel gegeben. Vielleicht will man jetzt nicht mehr mit diesem christlichen Architekten zusammenarbeiten, oder man hat ihn für eine Zeit lang gebraucht, um dieses Vorzeigeprojekt zu realisieren, was es ja immer war, christlicher Architekt aus einer katholischen Kirchenbauer-Familie, der entwirft jetzt hier die Moschee und macht das, indem er die moderne, abendländische moderne Architektur kombiniert mit der islamischen Tradition. Es gibt einen Kuppelbau, es gibt Minarette, aber doch eine andere, offene Architektursprache, die sich weit durch große Fensterflächen öffnet. Vorzeigeprojekt, auch so gewollt, symbolträchtig. Vielleicht hat man das eine Zeit lang gewollt, und jetzt sind aber bestimmte Wünsche da, von denen man zumindest glaubt, dass man sie mit Paul Böhm nicht wird erfüllen können. Es wird über die Außenfassade gesprochen, über die Farbe, es wird über die Innenraumgestaltung gesprochen, alles Dinge, in denen man offensichtlich keinen Konsens erzielt hat.

    Schossig: Sie haben es geschildert: Es ist ein teures Projekt. Haben sich die Bauherren, hat sich die Bauherrin verschätzt?

    Biesler: Na ja, neun Millionen sind bis jetzt gesammelt worden durch Spenden. Es gibt auch Eigenmittel der Ditib, die aber nicht ganz klar benannt werden, wie viel das ist. Insgesamt liegen die Baukosten im Augenblick so bei 25 Millionen. Da wird sicherlich noch eine geringe Steigerung eintreten, das ist bei solchen Projekten nun mal so. Das heißt, man hat ein Finanzierungsloch, und ich habe mal nachgefragt, wie das gefüllt werden soll. Mit Krediten jedenfalls nicht.

    Schossig: Warum?

    Biesler: Die Ditib sagt ganz klar, das ist ein Gotteshaus, das wollen wir nicht auf Kredit bauen. Wenn man nun neun Millionen sicher hat und vielleicht noch geringe Eigenmittel, ist es bis 25 Millionen noch ein weiter Weg. Man kann das Ditib jetzt nicht unterstellen, aber es ist am Baumarkt ein übliches Verfahren zu sagen, jetzt werden wir erst mal eine Mängelliste machen und das wird uns am Ende doch ein paar Baukosten ersparen, weil bei dem Vergleich vor Gericht wird irgendjemand dafür aufkommen müssen, aber nicht wir, nicht wir als Bauherren. Also möglich auch, dass man auf diese Weise jetzt versucht, die Bausumme zu reduzieren. Jedenfalls ist es insgesamt undurchsichtig.

    Schossig: Könnte man denn ohne Architekten weiterbauen, wie die Ditib behauptet?

    Biesler: Ja, die Planung ist fertig. Die Gewerke arbeiten. Also da ist nicht mehr unbedingt nötig, dass jetzt noch Paul Böhm weiterhin die Bauaufsicht hat, der bauausführender Architekt ist. Das ist auch vielleicht der Punkt, warum man es gerade jetzt gemacht hat, weil man mit dem Bau eigentlich jetzt so weit fortgeschritten ist, dass zu dem jetzigen Zeitpunkt diese Kündigung eigentlich völlig folgenlos bleibt für das Projekt, das kann weitergebaut werden, aber auch nach der Planung von Paul Böhm. Der hat ein Urheberrecht an dieser Planung, man kann also auch nicht wesentliche Dinge verändern, und auch da wird es wo möglich dann am Ende zu einem Prozess kommen, weil man sagt, das Urheberrecht ist aber so, dass eigentlich diese Veränderungen, die dann vielleicht vorgenommen werden sollen, nicht vorgenommen werden können.

    Schossig: Es ist sehr undurchsichtig, der Streit tobt im Augenblick noch hin und her. Sie haben es gesagt: Diese Kölner Moschee ist eine Art Vorzeigeprojekt interkultureller Begegnung. Also ein katholischer Architekt, der da eine islamische Moschee baut, weit über Köln hinaus wichtig. Und nun scheinen sich also Bauherr und Architekt auf kulturell unterschiedlichen Ebenen aneinander zu reiben. Was ist Ihr Vorschlag? Wie kann man das lösen?

    Biesler: Ich weiß nicht, ob man es lösen kann. Es sieht fast so aus, als könne man es nicht lösen. Aber es ist sicherlich so, dass die auf unterschiedlichen kulturellen Kontinenten leben. Während der Paul Böhm natürlich für sich in Anspruch nimmt, das was wir den Architekten hier immer zugestehen, ich bin der Urheber, ich bestimme, wie das gemacht wird, ich habe den Wettbewerb gewonnen, und natürlich auch so als Architekt auftritt, scheint Ditib der Meinung zu sein, dass der Bauherr derjenige ist, der die Deutungshoheit, die Autorität besitzt, und da kam man offenbar nicht mehr zusammen. Ich glaube, dass die Schäden jetzt, die ja nicht benannt sind, nicht wesentlich für diesen Kulturkonflikt ausschlaggebend sind.

    Schossig: So weit Jörg Biesler, Architekturexperte aus Köln, zum Streit um den Weiterbau der Kölner Zentralmoschee. Vielen Dank.

    Äußerungen unserer Gesprächspartner geben deren eigene Auffassungen wieder. Deutschlandradio macht sich Äußerungen seiner Gesprächspartner in Interviews und Diskussionen nicht zu eigen.

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