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Zwei Italiener aus der Toskana

Der italienische Schauspieler, Komiker und Regisseur Roberto Benigni hat auch eine große Leidenschaft für den ebenfalls aus der Toskana stammenden Großdichter Dante, insbesondere für dessen "Göttliche Komödie". Seit Jahren will Roberto Benigni seinem Publikum Dante nahebringen, zunächst auf der Bühne, nun auch mit dem Buch "Mein Dante".

Von Claudia Cosmo | 15.12.2010
    So mancher Italianistik-Professor könnte sich an Roberto Benigni ein Beispiel nehmen. Mit Schwung und Leichtigkeit erzählt Roberto Benigni über das bedeutendste Werk der italienischen Dichtkunst: die Divina Commedia - die Göttlichen Komödie.

    Schnell wird klar, dass er ein Kenner ist. Er weiß um die komplexe Struktur des dreiteiligen Monumentalgedichtes, in dem es vor literarischen, religiösen und historischen Bezügen aus der Zeit Dantes nur so wimmelt. Die Kunst des Erzählers Benigni besteht darin, seine umfassende literarische Versiertheit nicht in eine nüchterne, akademische Sprache abdriften zu lassen. Er vermittelt sein Wissen über Dantes Werk aus dem 14. Jahrhundert mit komödiantischer Verspieltheit. Ja, er rät seinen Lesern, Dantes Göttlicher Komödie mit der Unbefangenheit eines Kindes zu begegnen.

    Roberto Benigni sieht Dante als zeitlosen Dichter. Er liebt Dante einfach. Diese Liebe möchte er teilen, indem er die Göttliche Komödie in unsere Gegenwart trägt. Das Vorwort zu "Mein Dante" beginnt demnach mit einem temperamentvollen Vorwort Benignis

    "Als ich das erste Mal die Göttliche Komödie zu lesen begann, ging es mir genau so: Mich hat der Schlag getroffen! Wütend klappte ich das Buch zu und rief mit lauter Stimme: So was! Der hat mir die Idee geklaut! Dann schlug ich es wieder auf und las in der Hoffnung weiter, es sei Dante misslungen, sodass ich die Chance gehabt hätte, es besser zu schreiben. Seit diesem Tag habe ich das Buch nicht wieder zugeklappt."

    Mit sehr viel Gefühl für das richtige Maß an Pathos, an witzigen Bemerkungen und espritreichen Gedanken nähert sich Benigni in seinem Vorwort an den großen Dante an. Außerdem liefert sich der Schauspieler ein lustiges Textduell mit seinem Freund, dem Schriftsteller Umberto Eco, der ebenfalls ein Vorwort verfasst hat. Auch zwischen den Zeilen des gesamten Buches spürt man die für Roberto Benigni so typische Impulsivität, die vor Verehrung für Dante nur so sprüht. Benignis Begeisterung für Dante Alighieris Divina Commedia ist ansteckend.

    Der Komödiant Benigni zieht den Leser in Dantes Reiseabenteuer geradezu hinein, hinein in die Hölle, ins Inferno, das mit folgenden Worten beginnt:

    "Wohl in der Mitte unsres Lebensweges geriet ich tief in einen dunklen Wald, sodass vom graden Pfade ich verirrte."

    "Das Leben ist doch genau das: sich zu verirren, sich zu verlaufen und zu verirren ! Das ist existenziell, wir bestehen aus warmen Nerven und warmen Blut, man muss alle Arten von Leidenschaften spüren, sich im dunklen Wald verirren, ihr Deutschen habt ja hier auch den Schwarzwald! Und dann kann man sich selbst wieder finden. Dante ist ein so moderner Autor. Als ich die Göttliche Komödie las, kam es mir so vor, als Dante mich lesen würde, er kennt uns Menschen und unsere tiefsten Wünsche. Dante ist wie ein Freund. Immer wenn ich die Göttliche Komödie lese, möchte ich Dante einfach anrufen und fragen: Hey, bist du heute zwischen fünf und sechs Uhr lebendig? Dann können wir uns zu einem Spaziergang treffen, oder irgendwas essen. Das ist so wie mit einem Freund, einer Person, die man gerne hat."

    Roberto Benigni erzählt über seinen "Freund" Dante in einem leichten Ton. Er beschränkt sich auf einige Ausschnitte dieses Werks der Weltliteratur. Die gesamte Divina Commedia ist als ein Gedicht zu verstehen, das in Gesänge unterteilt ist. Die Hölle wartet mit 34 Gesängen auf. Daraus hat sich Benigni exemplarisch zwölf ausgesucht. Als Höhepunkt beschäftigt er sich mit dem letzten Gesang aus dem Paradiso. Benignis unterhaltsamen Ausführungen folgen im Anhang die ausgewählten Gesänge in voller Länge zum Nachlesen.
    Roberto Benigni geht speziell auf den fünften Gesang der Hölle ein, in dem es um Paolo Malatesta und Francesca da Rimini geht. Paolo und Francesca liebten sich verbotenerweise und wurden von Francescas Ehemann umgebracht. Dante trifft beide in der Hölle, wo das Paar in die Lektüre des Lancelot-Romans vertieft ist. Im Buch kommentiert Benigni diese Szene so:

    "Dante beneidet die beiden Liebenden, obwohl sie sich in der Hölle befinden, er wäre gern an ihrer Stelle, da sie aus Liebe gestorben sind. Dante möchte wissen, wie die beiden bemerkt haben, dass sie ineinander verliebt sind. Francesca antwortet und meint mit "die" die Stelle aus dem Lancelot-Roman:

    'Die war es, wo der heißbegehrte Mund
    von solchen Liebenden geküsst wurde,
    da küsste dieser hier, der nie vor mir
    getrennt sein wird, erbebend mir den Mund.'

    An dieser Stelle genügt kein bloßer Beifall mehr. Hier möchte man sich ausziehen und es mit dem Tisch treiben, so schön ist es. Die Verse sind verwirrend, ihre Schönheit ist erschreckend!"


    Im gesamten Inferno taucht das Motiv der bedingungslosen Liebe immer wieder auf. Denn Liebe, meint Roberto Benigni, ist überall, auch in der Hölle:

    "Das ist ein wunderbares Mysterium, dass gerade in der Hölle von Liebe gesprochen wird! Es ist ein Gefühl, das die Sonne und die Sterne bewegt, es ist das mächtigste aller Gefühle, dass sogar die Hölle lahmlegen kann und zum Stillstand bringt, damit wird der irdischen Liebe Tribut gezollt. Vor der Liebe hält auch Gott inne, da er von ihr geführt wird. Es ist eine Kraft, die stärker als Gott ist, der sie ja selbst geschaffen hat, stell Dir das einmal vor! Deshalb ist unsere Beziehung zur Liebe stärker, als wir uns vorstellen können. Auch wenn wir nur ein Quäntchen davon abbekommen, sind wir nicht mehr der, der wir zuvor waren, und das ist das größte Wunder der Erde. Die Liebe."

    Roberto Benigni ist von der Schönheit der Göttlichen Komödie fasziniert. Fast schon beiläufig erfährt man vom Erzähler Benigni, was ein "Enjambement" im Vers bedeutet, warum Odysseus auch in der Hölle gelandet ist und warum Dante und sein Begleiter Vergil Ähnlichkeiten mit Dick und Doof haben. Der Buchautor Benigni mixt Spaß mit Ernst und Theologie mit Slapstick.

    "Das ist die Pflicht des Komikers: Er muss immer etwas riskieren! Wenn man nur die Dinge tut, die erwartet werden, bewegt sich nichts. Der Komiker wird immer von einem Dämon und einem Engel angetrieben und ist immer am Abgrund. Aber die Schönheit liegt in der kindlichen Leichtigkeit, mit der man alles sagen kann, ohne vulgär zu sein! Das Lachen auf dem Gesicht beschützt uns immer! Goethe sagte, dass das hellste und göttlichste das Lachen und das Lächeln ist! Ich kann mir dadurch erlauben, über solch tiefsinnige Dinge des Lebens sprechen wie den Tod, das Schicksal, das Jenseits und die Liebe. Es muss letztendlich alles von Freude durchströmt sein."

    Mehr noch als Freude steigt Ergriffenheit im Leser auf, wenn Roberto Benigni am Höhepunkt seines heiteren Ausflugs durch Dantes Göttliche Komödie angekommen ist. Er überspringt einfach das Purgatorium und führt direkt ins Paradies, in den letzten, den 33. Gesang. Dort begegnet Dante der Jungfrau Maria und darf Gott schauen. Für Roberto Benigni ist an dieser Stelle das Maximum an Sinnlichkeit und poetischer Schönheit erreicht. Das vermag Roberto Benignis außergewöhnliches Buch "Mein Dante" auch zu vermitteln.

    "Am Ende zählt doch, dass man ein Licht angezündet hat. Es ist gesund, über Dinge zu sprechen, die schwierig sind, die man vielleicht erst nicht versteht. Wir verdienen solche schönen Dinge auch! Sie sind gut für die Gesundheit und sind einfach spektakulär!"

    Roberto Benigni: "Mein Dante". Luchterhand Verlag. Aus dem Italienischen von Franziska Kristen. 219 Seiten und kostet 8,00 Euro.