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20.4.1854 - Vor 150 Jahren

Hochzeitsgeschenke sind ja bekanntlich eine heikle Angelegenheit. Sie sollten durchaus großzügig sein, aber nicht protzig wirken und insgesamt dem Anlass angemessen sein – vor allem aber sollten sie das Brautpaar erfreuen. Zumindest Letzteres schien in diesem Falle denn auch gelungen zu sein. Artig bedankte sich im Frühjahr 1854 der Bräutigam, der junge österreichische Kaiser Franz Joseph, nach seiner Vermählung mit Elisabeth von Bayern – jener als "Sissi" bekannt gewordenen Schönheit – beim preußischen König Friedrich Wilhelm IV. für dessen Aufmerksamkeit:

Von Tillmann Bendikowski | 20.04.2004
    Ich habe mich gefreut, die Segenswünsche Eurer Majestät zu meiner Vermählung und zu unserer Allianz zu empfangen, und ich kann meine Antwort nicht besser beginnen, als wenn ich Eurer Majestät sage, dass Sie mir durch unser herrliches Schutz- und Trutzbündniß das liebste Hochzeitsgeschenk gemacht haben.

    Die Wahl des königlichen Präsentes lässt erahnen, dass es um die politische Lage zu diesem Zeitpunkt nicht gerade gut bestellt war. Denn ein Schutz- und Trutzbündnis verschenkt man eigentlich nur, wenn kriegerisches Ungemach droht. Und tatsächlich mussten Österreich und Preußen gerade mit ansehen, wie ein neuer Krieg Europa in Gefahr brachte. Und so fügte Franz Joseph seinem Dankesschreiben an Friedrich Wilhelm hinzu:

    Eure Majestät wissen aber so gut als ich, dass alsdann der entscheidende Wurf über Krieg und Frieden nur in St. Petersburg fallen kann. Wir haben dies erkannt, als wir unser Bündnis schlossen.

    St. Petersburg, also das russische Zarenreich, hatte die ganze Aufregung provoziert: Im Juli 1853 waren seine Soldaten in die Donaufürstentümer, das Gebiet des späteren Rumäniens, einmarschiert und hatten außerdem die Flotte des politisch labilen Osmanischen Reiches vernichtet. Daraufhin hatten England und Frankreich eingegriffen, ihre Kriegsschiffe ins Schwarze Meer geschickt und waren schließlich auf der Halbinsel Krim gelandet, die diesem Krieg seinen Namen geben sollte. Österreich war als unmittelbarer Nachbar des Kriegsschauplatzes politisch besonders gefordert. Dabei fürchtete der erst 23-jährige Kaiser Franz Joseph eine folgenschwere Destabilisierung der europäischen Monarchien weniger durch einen Krieg und äußere Feinde, als vielmehr durch innere Unruhen, wie sie der Kontinent seit den Revolutionen von 1848 erlebt hatte:

    Vergessen wir nicht, dass die heutige christliche Welt einen schlimmeren Erbfeind hat als die Türken. Dieser Feind aller göttlichen und menschlichen Ordnung ist die Revolution.

    Russlands Militäraktionen mussten gestoppt werden, sollte die alte Ordnung gesichert werden. Die am 20. April 1854 mit Preußen geschlossene Defensivallianz erschien da als richtiger Schritt. Preußen gab seine bisherige neutrale Haltung auf, forderte von Russland die Räumung der besetzten Donaufürstentümer und garantierte Österreich militärischen Schutz, sollte das Land selbst angegriffen werden. Aber Österreich begnügte sich mit dieser Absicherung nicht, sondern demonstrierte Russland gegenüber zunehmend eigene Kriegsbereitschaft. Über Monate hinweg betrieb Wien ein fulminantes Verwirrspiel um die Frage, ob es in den Krieg eingreifen werde. Selbst Preußen beließ man bewusst im Ungewissen. Bei einer Lagebesprechung bei Hofe hieß es:

    Preußen beruhigende Zusicherung geben wollen, in Bezug auf unser aktives Auftreten gegen Russland, hieße schon virtuell die Bewegung einschränken, die Seine Majestät Sich sowohl Russland als den Seemächten gegenüber vorbehalten haben. Es wäre also unser evidentes Interesse, diese vollkommene Ungewissheit fortbestehen zu lassen.

    Europa fürchtete einen Krieg, in den alle großen Mächte des Kontinents verwickelt werden könnten. Und so mahnte der preußische König den Monarchen in Wien:

    Europa ist gerettet, wenn Euer Majestät den Krieg gegen Russland vermeiden; aber verloren, wenn das nicht geschieht.

    Doch die Strategie des Kaisers Franz Joseph ging schließlich auf. Seine ständigen Kriegsdrohungen gegen Russland verband er bald mit einer Annäherung an die Westmächte England und Frankreich. Der entsprechende Bündnisvertrag vom Dezember 1854 bedeutete zwar, dass das dabei übergangene Preußen ihm fortan die Gefolgschaft verweigerte, doch es war der entscheidende Schritt, Russland in die Knie zu zwingen: Der Krimkrieg endete mit einer Niederlage des Zaren, der im Frieden von Paris 1856 unter anderem in eine Entmilitarisierung des Schwarzen Meeres einwilligen musste. Das österreichisch-preußische Schutz- und Trutzbündnis sollte also nur wenige Monate Bestand haben. Dagegen hielt übrigens die fast zeitgleich eingegangene – wenngleich nicht immer sehr glücklich verlaufende – Ehe des österreichischen Kaisers mit seiner Elisabeth offiziell bis zu deren Tod – immerhin über 40 Jahre.