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Der Flughafen in Lübeck war einst ein hochgelobtes Projekt – das jetzt abzustürzen droht. Es werden rote Zahlen geschrieben, viel zu wenig Passagiere starten von Lübeck aus in die Luft und jetzt ist guter Rat buchstäblich teuer.

Von Matthias Günther | 01.04.2010
    Am südlichen Stadtrand, direkt am Naturschutzgebiet Grönauer Heide, liegt der Flughafen Lübeck-Blankensee. Hier sind die Wege kurz: Die Maschinen halten direkt vor der Abfertigungshalle. Viele Norddeutsche haben den kleinen Lübecker Airport schätzen gelernt.

    "Ich bin also jetzt sehr zufrieden damit. Muss ich wirklich sagen. Das Personal ist sehr freundlich, sehr nett, und es ist alles noch in den Kinderschuhen, finde ich."

    "Ich habe vor drei Wochen überhaupt erst erfahren, dass es diesen Flughafen gibt, weil ich sonst immer vom Hamburger Flughafen losgefahren bin. Und ich bin überrascht, dass man eben sehr preiswert hier noch London fliegen kann."

    Auch viele andere europäische Ziele lassen sich gut von hier erreichen. Trotzdem: Der Flughafen macht Verluste. Bei den Gebühren, die der Hauptkunde zahlt, die Billigfluggesellschaft Ryanair, wären schwarze Zahlen erst bei zwei Millionen Passagieren im Jahr möglich. Es sind bisher aber nur 800.000. Und so ist der private Betreiber nach einer vereinbarten Probezeit wieder ausgestiegen. Die Stadt Lübeck musste den Flughafen vertragsgemäß zurücknehmen und den Kaufpreis und alle Investitionen erstatten: 26 Millionen Euro. Hinzu kommen die laufenden Kosten. Deshalb will die hochverschuldete Hansestadt den Flughafen so schnell wie möglich wieder abgeben. Damit er für mögliche Investoren interessant ist, soll die Stadt nach dem Willen von Bürgermeister Bernd Saxe nun zunächst selbst noch einmal vier Millionen Euro in den weiteren Ausbau investieren. Dafür hat der sozialdemokratische Bürgermeister die Unterstützung der bürgerlichen Parteien in der Lübecker Bürgerschaft, dem Stadtparlament. Andreas Zander, Fraktionschef der CDU:

    "Wir haben jetzt soviel investiert, jetzt kommen noch vier Millionen, von denen es viele Fördermöglichkeiten ja auch noch gibt. Ich denke, das Risiko müssen wir allemal eingehen, um einen Investor zu finden, damit wir auch mit dem Flughafen auch in Zukunft was anfangen können."

    Die vier Millionen dürften nicht reichen. Unter anderem wegen Schäden durch den strengen Winter sind nach neueren Berechnungen mindestens sieben Millionen Euro nötig. Die linke Mehrheit in der Lübecker Bürgerschaft aus SPD, Grünen und Linkspartei will aber überhaupt kein weiteres Geld in den Flughafen stecken. Bernd Möller, Fraktionschef der Grünen:

    "Es gibt ernst zu nehmende Untersuchungen, die aufzeigen, dass er keine schwarzen Zahlen in Zukunft schreiben wird. Und wir haben in dieser Stadt im Hunderte-Millionen-Bereich Investitionsbedarf, Brücken, Schulen usw., diese Stadt hat andere Aufgaben. Wenn der Flughafen als regionale Aufgabe gesehen wird, dann soll das Land ihn übernehmen, wir können es als Stadt nicht."

    Für ein Engagement des Landes sieht auch Bürgermeister Bernd Saxe durchaus Gründe:

    "Die Passagiere, die ankommen, um hier einen Kurzurlaub zu verbringen oder auch einen längeren Aufenthalt, verbleiben zu 42 Prozent im Lande Schleswig-Holstein. Also es ist nicht nur Lübeck, was davon profitiert, sondern das Ganze Land."

    Das Land lehnt einen Einstieg beim Lübecker Flughafen aber ab. Die schwarz-gelbe Koalition im Kieler Landtag stellt immerhin eine großzügige Förderung in Aussicht, wenn Lübeck den Flughafen allein weiter entwickelt, bis sich ein Investor findet. Hans-Jörn Arp von der CDU-Fraktion im Schleswig-Holsteinischen Landtag:

    "Immerhin werden wir den weiteren Ausbau bis zu 75 Prozent bezuschussen. Und daran sehen Sie, dass es einen hohen Stellenwert hat. Es gibt keine andere Maßnahme, die bis zu 75 Prozent Förderung kriegt. Mehr kann das Land wirklich nicht leisten in dieser Frage."

    Die linke Mehrheit in der Lübecker Bürgerschaft hält weitere Investitionen trotzdem für nicht vertretbar. Denn die Zukunft des Flughafens hängt ganz wesentlich vom größten Kunden ab, der irischen Billigfluggesellschaft Ryanair. Der Flughafen hat nur dann eine Chance, schwarze Zahlen zu schreiben, wenn die Iren in Lübeck eine eigene Basis mit einer Reihe dort fest stationierter Maschinen einrichten und damit deutlich mehr Flüge anbieten, sodass sich die Zahl der Passagiere beinahe verdreifacht: auf die zwei Millionen im Jahr, mit denen schwarze Zahlen erreicht werden sollen. Gäbe Ryanair diese Zusage, wären weitere Investitionen ökonomisch vertretbar. Allerdings, sagt SPD-Fraktionschef Peter Reinhardt:

    "Wir hoffen nur. Es gibt keine Sicherheit. Absolut keiner gibt uns hier eine klare Sicherheit. Aber auch nicht andeutungsweise eine Sicherheit. Es ist nur Prinzip Hoffnung."

    Ryanair wird aber ein starkes Interesse an einer Basis in Lübeck nachgesagt. Denn wegen der Nähe zu Hamburg sind die Maschinen hier zu 70 bis 80 Prozent ausgelastet – das erreicht Ryanair an anderen Standorten nur schwer. Doch was die Zukunftspläne angeht, bleibt Ryanair vage. Die Marketingleiterin für Deutschland, Henrike Schmidt, erklärt lediglich:

    "Wir sind sehr daran interessiert, weiter in Lübeck zu wachsen, weiter dem Flughafen gegenüber sehen wir sehr, sehr großes Potenzial. Zur Basis generell kann ich leider keine Kommentare lassen, das liegt in der Zukunft, denke ich, und da müssen Sie einfach schauen, was von unserer Seite her noch kommt."

    Die Iren wollen ihre Entscheidung auch davon abhängig machen, ob der Flughafen weiter ausgebaut wird. Ob die Hansestadt Lübeck gegen den Willen der linken Rathausmehrheit weiter in den Flughafen investiert, entscheiden nun die Bürger. CDU, FDP und die Wählerinitiative Bürger für Lübeck haben in einem Bürgerbegehren weit mehr Unterschriften gesammelt als erforderlich war, sodass es zu einem Bürgerentscheid kommt. Im Wahlkampf stellen die Befürworter heraus, dass vom Flughafen schon jetzt mehr als 2000 Arbeitsplätze in der Region abhängen. Für Lübecks CDU-Fraktionschef Andreas Zander eröffnen Investitionen in den Flughafen neue Chancen.

    "Der Flughafen ist einer der wichtigsten Bestandteile des Tourismusstandortes Lübeck. Das muss man einfach so deutlich sehen. Womit wollen wir in Lübeck in den nächsten zehn, 15 Jahren Geld verdienen? Das wird vielleicht irgendwann wieder im Hafen werden, und das wird mit Tourismus werden. Und für Tourismus ist die Infrastruktur Flughafen ja nun wirklich ein Juwel. Und das sollten wir pflegen. Und ich denke, wir werden in den nächsten Jahren noch viel Freude mit diesem Flughafen haben."

    Doch die Unterstützer des Flughafens müssen nicht nur überzeugen, sondern auch mobilisieren. Denn die Unterschriftenlisten für das erfolgreiche Bürgerbegehren wurden den Lübeckern in der Fußgängerzone hinterher getragen – beim Bürgerentscheid am 25. April müssten sie selbst aktiv werden und ins Wahllokal gehen. Gibt es kein frisches Geld, könnte nach dem Kieler Flughafen auch der Flughafen Lübeck den Linienverkehr über kurz oder lang einstellen.