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AfD-Politiker Wolfgang Fuhl
Rechtspopulistisch und jüdisch

Wolfgang Fuhl war bei den Jusos aktiv und in der Gewerkschaft. Heute ist er AfD-Politiker im baden-württembergischen Lörrach und Jude. Kein Widerspruch für ihn. Denn er setzt auf die Angst vor antisemitischen Einwanderern. Die Leitung seiner jüdischen Gemeinde fürchtet um ihr Ansehen.

Von Jens Rosbach | 11.04.2016
    Die AfD-Vrositzende Frauke Petry spricht am Abend der Landtagswahlen in eine Mikrofon
    Der AfD-Politiker Wolfgang Fuhl setzt auf die Angstmache vor muslimischen Einwanderern (imago stock and people / Pacific Press Agency)
    Wolfgang Fuhl, Sprecher der AfD-Lörrach, liebt markige Sprüche – vor allem über Asylsuchende. So fragt der 56-Jährige – ganz pauschal:
    "Ist es wirklich richtig, Menschen Schutz zu geben, deren Einstellung es ist: Sie lehnen die deutsche Gesellschaft ab, sie lehnen die Art, wie wir leben ab und die aus Deutschland am liebsten einen Scharia-Staat machen wollen."
    Fuhl war bis vor vier Jahren Vizechef der Jüdischen Gemeinde Lörrach sowie Chef der Israelitischen Religionsgemeinschaft Baden. Er berichtet: Ein Teil seiner Glaubensbrüder frage ihn heute, wie er als Jude in der AfD sein könne. Ein anderer Teil klopfe ihm auf die Schulter.
    "Ich treffe ja die Gemeindemitglieder auf der Straße, die drücken mich herzlich und die positiven Meldungen und Meinungen zu meinem Engagement überwiegen. "
    Viel Zuspruch von russischsprachigen Juden
    Der rechtskonservative Politiker baut darauf, dass in jüdischen Kreisen inzwischen viel Angst herrscht vor antisemitischen Einwanderern. So erinnert Fuhl an den Gaza-Krieg 2014.
    "Als wir große Demonstrationen hatten - große Demonstrationen in Deutschland - von Muslimen, wo gerufen wurde: Juden ins Gas! Und wir haben hier tatsächlich ein Problem eines importierten Antisemitismus. Und das wird sich natürlich mit dieser Flüchtlingswelle weiter verschärfen."
    Wolfgang Fuhl erhält nach eigener Aussage vor allem Zuspruch russischsprachiger Juden – die inzwischen die Masse der rund 100.000 Gemeindemitglieder in Deutschland ausmachen.
    "Die Zuwanderungspolitik von Frau Merkel wird sehr kritisch gesehen, die Russlandpolitik - die Sanktionspolitik – wird sehr kritisch gesehen."
    Tatsächlich debattieren die jüdischen Gemeinden derzeit über den Umgang mit muslimischen Flüchtlingen. Der Zentralrat der Juden befürchtet, dass die AfD die Verunsicherung ausnutzt. So warnt das Spitzengremium in einem Schreiben an die Gemeinden, Zitat, "sich von einer antimuslimischen, hetzerischen Rhetorik der AfD umgarnen zu lassen." Alarmiert zeigt sich auch die russischsprachige Jüdin und Piraten-Politikerin Marina Weisband. Die rechtskonservative Einstellung vieler Landsleute, so Weisband, entstamme der sowjetischen Erziehung, die teilweise fremdenfeindlich gewesen sei. Ihre Warnung vor AfD und Pegida:
    "Wenn jetzt jüdische Menschen mit Pegida mitmarschieren, sehen sie nicht, dass morgen die Pegida gegen s i e marschieren wird. "
    Keine antisemitischen Erfahrungen bei der AfD gemacht
    Wolfgang Fuhl, der im vergangenen Monat erfolglos für den baden-württembergischen Landtag kandidiert hat, erklärt hingegen, er habe noch nie Antisemitismus erfahren in seiner Partei. Er sei ganz auf AfD-Linie – mit Ausnahme des einst geplanten Schächtverbotes. So habe er im Wahlkampf einen Gemeinschaftsflyer abgelehnt gegen das religiöse Schlachten.
    "Und dann habe ich gesagt: Solange wie das noch keine Parteilinie ist – und das ist noch keine Parteilinie – kommt das auch nicht in einen gemeinsamen Wahlkampf-Flyer rein, auf dem ich mit drauf bin. Und das wurde auch sofort vom Kollegen akzeptiert."
    Wie wurde der Funktionär, der zeitweise sogar im Direktorium des Zentralrats der Juden saß, AfD-Politiker? Fuhl, einst Drucker und heute Abteilungsleiter in einem Textilunternehmen, war ursprünglich bei den Jusos aktiv und in der Gewerkschaft. Er erzählt, dass er mit den Jahren immer konservativer geworden sei – weil er Kinder bekommen habe und auch Ärger mit Behörden und Schulen.
    "Man sieht, wie sich die Zusammensetzung von Schulklassen ändert, man sieht, dass die eigenen Kinder von anderen Kindern angegangen wurden, dass Sie heute in der Schule im Prinzip wieder das Schimpfwort haben "Du Jude!" – das sind viele, viele kleine Sachen."
    Bei der baden-württembergischen Landtagswahl gab es – neben dem Lörracher Wolfgang Fuhl - einen zweiten jüdischen AfD-Kandidaten: Alexander Beresowski aus Stuttgart. Den Leitungen der jeweiligen jüdischen Gemeinden ist dies peinlich, sie fürchten um ihr Ansehen. Fuhl hingegen glaubt nicht, dass die Rechtspopulisten ihn als jüdisches Aushängeschild benutzten.
    "Mhhh – machen Sie sich keine Sorgen, ich lasse mich nicht missbrauchen."