Montag, 06. Mai 2024

Archiv


Agroparks wollen Versorgung sichern

Technik. - In wenigen Jahren wird die Hälfte der Weltbevölkerung in Städten wohnen. Megacities entstehen, vor allem in den Ländern, die es wirtschaftlich ohnehin schwer haben. Sie werfen viele Probleme auf, eines davon ist die Versorgung der Bevölkerung mit Lebensmitteln und Wasser. Niederländische Wissenschaftler entwickeln nun an mehreren Orten riesige landwirtschaftliche Produktionseinheiten, in denen die gesamte Lebensmittelproduktion kontrolliert stattfindet.

Von Remko Kragt | 09.06.2009
    Eine feierliche Projektpräsentation im Film. Das neue China und insbesondere das neue Shanghai wollen Weltspitze sein, verkündet der Sprecher. Gesucht habe man deshalb anspruchsvolle Wissenschaftler und Unternehmer mit Erfahrung in der Entwicklung landwirtschaftlicher Strukturen für Metropolen. Gefunden habe man sie in den Niederlanden. Mit ihnen, heißt es, wurde ein Masterplan für eine neue Art von Agropark entwickelt, der Unternehmern hohe Profite verspricht, Verbrauchern hochqualitative Produkte liefert und dabei die Umwelt respektiert.

    Es ist keine Kleinigkeit, die da in Zusammenarbeit zwischen niederländischen und chinesischen Unternehmen und Forschern entstehen soll. Auf der Insel Chongming in der Yangste-Mündung vor Shanghai soll ein riesiger so genannter Agropark entstehen. Was damit gemeint ist, erläutert Madeleine van Mansfeld von der niederländischen Universität Wageningen.

    "In einem Agropark werden landwirtschaftliche Funktionsbereiche aller Art zusammen gezogen. Dazu gehören nicht nur Produktion, Verarbeitung und Handel, sondern auch mittelbar betroffene Branchen wie Forschung und Entwicklung, Ausbildung und schließlich auch der Tourismus, um das Ganze Interessierten zeigen zu können."

    Eine Fläche von 24 Quadratkilometern ist für den so genannten Greenport Shanghai vorgesehen – fast so groß wie Nordwestdeutschlands größter Binnensee, das Steinhuder Meer. Geplant sind riesige Gewächshäuser, Megaställe, Versteigerungshallen, Verarbeitungsbetriebe und so weiter. Eine Schwebebahn und Gastronomie sollen dem Projekt einen Vergnügungpark-ähnlichen Anstrich geben. Ein Millionenunternehmen, das die Versorgung der Agglomeration Shanghai mit Lebensmitteln sichern soll. Ziel ist der Aufbau einer in sich geschlossenen, ortsunabhängigen und vollständig kontrollierbaren landwirtschaftlichen Produktion. "Industrielle Ökologie" nennt sich das Kreislaufprinzip, bei dem des Einen Abfall des Anderen Rohstoff wird. Madeleine van Mansfeld:

    "Der Trick des Agroparks ist, dass man die pflanzliche Produktion in Gewächshäusern und die Zucht von Fischen, Schweinen, Rindern und Geflügel ganz eng zusammen zieht, womit die Möglichkeit entsteht, die Ströme von Mineralen, Wasser, Gas und Wärme miteinander zu koppeln und so Verluste zu minimieren. Darüber hinaus entfallen lange Transportwege etwa für Schlachtvieh, was letztlich der Verminderung von Tierleid dient."

    Zwei weitere Agroparks werden gegenwärtig geplant beziehungsweise gebaut. Am Rande des Ruhrgebiets entsteht der Greenpark Venlo mit einer Gesamtfläche von 5000 Hektar. Ein ähnlich großes Vorhaben ist der Greenport India zwischen den Städten Bangalore, Haiderabad und Chennai – mit insgesamt 30 bis 40 Millionen Einwohnern. Agroparks machen nur Sinn, wenn große Ballungsgebiete mit vielen Abnehmern in der Nähe sind, sagt Madeleine van Mansfeld. Aber das ist nicht die einzige Voraussetzung. Denn wer einfach versuche, in Europa entwickelte Strukturen irgendwo in Asien auf zu bauen, mache die Rechnung unter Umständen ohne den Wirt.

    "Man kann ein Konzept hinstellen, aber ein Konzept wird erst Wirklichkeit, wenn die Projektpartner anfangen zu agieren, Das ist wie ein Schachspiel: je nachdem, wie sich die Spieler aufstellen, entdeckt man erst, wie man seine Integrationszüge machen kann."

    Mit diesen Agroparks niederländischer Prägung, glaubt Madeleine von Mansfeld, können die die Versorgungsprobleme der Megacities gelöst werden. Es gehe schließlich nicht nur um Produktion. Auf der Insel Chongming beispielsweise liegt auch ein Naturreservat:

    "Dieses hochwertige Naturreservat mit hochwertiger Landwirtschaft und hochwertigem Wohnungsbau zusammen zu bringen, das war eigentlich die Grundlage des Projektes. Dafür zu sorgen, dass das Eine dem Anderen nicht schadet. Viel Landwirtschaft hat ja die Natur immer geschädigt. Landwirtschaft und Umwelt auf eine gute Weise miteinander zu verbinden, das war die Triebfeder."