Samstag, 04. Mai 2024

Archiv


Akustische Kollisionswarnung

Damit Schiffe nicht mit den Turbinen der Offshore-Windparks kollidieren, haben die Türme Warnlampen am Mast. Aber was ist mit U-Booten? Um sie vor den 40 Meter tief ins Wasser reichenden Stahlstrukturen zu warnen, müssen Offshore-Windräder in kritischen Situationen unter Wasser akustische Warnsignale aussenden. Erste Versuche mit den eigens dafür entwickelten Sonarsystemen fanden im Testfeld Alpha Ventus statt. Ergebnisse wurden auf der Akustikertagung in Darmstadt vorgestellt.

Von Ralf Krauter | 04.04.2012
    Die Pläne sind ambitioniert. Allein im deutschen Teil der Nordsee könnten in einigen Jahren über 5000 Windmühlen Strom ernten. Für Schiffe sind die Offshore-Windparks neue Hindernisse, die in kritischen Situationen zur Gefahr werden können. Insbesondere die U-Boot-Kapitäne der Bundesmarine betrachten die Verspargelung der Flachwasser-Bereiche vor der Küste mit Sorge. Da unter Wasser kein Radar funktioniert, orientieren sie sich primär akustisch, mit passiven Sonarsystemen, erklärt der Ingenieur Moritz Fricke von der Universität Hannover.

    "Und das hat einen eben auf die Idee gebracht, ursprünglich mal, dass man an jede Ölplattform unten eine dicke Kette mit einem Stahleimer gehängt hat, die dann dauerhaft Lärm macht."

    Diese akustische Abstandswarnung für U-Boote ist bei Bohrinseln bis heute Standard. Für Offshore-Windfarmen taugt der Ansatz aber nicht. Denn der Krach tausender Windränder würde sich zu einem infernalischen Lärm summieren, erklärt der Experte für Unterwasserakustik.

    "Sodass man auf die Idee gekommen ist, dass man eine ereignisorientierte Warnung von U-Booten einrichtet, indem diese Warnung erst aktiv durch das U-Boot ausgelöst werden muss. Und gerätetechnisch sorgen da eben die Sonartransponder dafür."

    Die Sonartransponder, die künftig Pflicht sind, sind stabförmige, knapp einen Meter lange Schallquellen und -empfänger, die die Oldenburger Firma Thales Instruments nach Vorgaben der Bundesmarine entwickelt hat. Sie sollen, in der Mitte der Unterwasser-Pfähle befestigt, jahrelang stumm auf der Lauer liegen. Solange bis ein getauchtes U-Boot in der Nähe Probleme bekommt - etwa weil sein passives Sonar ausgefallen ist. Ist die Lage brenzlig, bräuchte der Kapitän nur ein akustisches Aktivierungssignal aussenden, um Orientierungshilfe zu bekommen.

    "Und auf diese Sequenz springt dann der Sonartransponder an und sendet eben zurück eine etwa 5-minütige Warnsequenz, die von dem U-Boot dann sowohl zur Entfernungsdetektion als auch zur Richtungslokalisation eingesetzt werden kann, sodass dann auf dem U-Boot entsprechende Maßnahmen eingeleitet werden."

    So klingt der alternierende Warnton unter Wasser. Doch wie weit trägt das Sonarsignal bei schwerer See, wenn die Schallwellen durch Luftblasen stärker gedämpft werden? Um das herauszufinden, ist Moritz Fricke mit Kollegen in See gestochen. Das Ziel: die beiden Windräder AV 10 und AV 12 der Testplattform Alpha Ventus, wo bereits Prototypen der Sonartransponder installiert wurden. Fricke:

    "Wir haben dann eben in verschiedenen Richtungen und in verschiedenen Entfernungen zu diesem Sonartransponder gemessen und jeweils in der Leitzentrale dieser Windenergieanlage, eine Transponderaktivierung angefordert. Das heißt, wir haben nicht ein U-Boot eingesetzt, was tatsächlich diesen Ernstfall simuliert, sondern wir haben durch eine Anforderung über Funk diesen Transponder jeweils manuell auslösen lassen und dann für einzelne Positionen gemessen."

    Mit einem Hydrophon nahmen die Wissenschaftler jeweils in verschiedenen Tiefen die Sonartöne auf. Die erste Messung erfolgte bei ruhiger See, eine zweite bei Wind und Wellen. Aus den Ergebnissen lässt sich ableiten, wie viele der gesetzlich vorgeschriebenen Schallquellen künftig pro Windpark nötig sind und wie weit sie U-Boote im Ernstfall hören könnten.

    "Wenn man jetzt zum Beispiel bestimmte Wetterbedingungen ansetzt, zum Beispiel 15 Meter pro Sekunde Windgeschwindigkeit und eine Wellenhöhe von ein bis zwei Metern, dann ist davon auszugehen, dass die Reichweite eines solchen Systems ungefähr zwei Seemeilen beträgt, das sind knapp vier Kilometer."

    Um Meeresbewohner wie Schweinswale und Seehunde nicht dauerhaft zu schädigen, soll das Warnsignal langsam anschwellen, damit den Tieren Zeit zur Flucht bleibt. Die Maximallautstärke beträgt 200 Dezibel und ist damit lauter als ein Düsenjet. Doch im Zweifel, sagt Moritz Fricke, der in seiner Doktorarbeit Schallschutzmaßnahmen beim Bau von Offshore-Windparks untersucht, gehe Sicherheit eben vor.

    "Im Fall einer Aktivierung des Transponders geht es in der Regel um Menschenleben an Bord eines solchen U-Bootes. Das ist glaube ich dann für diesen Augenblick wichtiger."