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Anti-Baby-Pille erhöht nicht das Krebsrisiko

Kaum ein Medikament war bei seiner Einführung so umstritten wie die s genannte Anti-Baby-Pille, die Anfang der 60er Jahre auf den Markt kam. Ein Verdacht gegen das Hormon-Präparat lautete, die Pille erhöhe das Krebsrisiko. Welchen Einfluss die Einnahme des Verhütungsmittel tatsächlich hat, das haben Forscher der Universität Aberdeen jetzt in einer Langzeitstudie untersucht. Das Ergebnis: Die Schutzwirkung ist insgesamt größer als die Risiken. Der Medizinjournalist Martin Winkelheide erläutert die Studie im Gespräch mit Uli Blumenthal.

12.09.2007
    Blumenthal: Martin Winkelheide, Medizinjournalist: Wie kommen die Forscher zu dieser Aussage?

    Winkelheide: Es ist eine relativ große Studie, die 1968 begann. 46.000 Frauen haben teilgenommen. 23.000 nahmen die Pille, 23.000 nicht. Über 36 Jahre lang haben die Forscher die Krankengeschichte der Frauen verfolgt, entweder, indem sie Daten herangezogen haben von den Hausärzten oder über das nationale Krebsregister in Großbritannien. Wonach die nachher geguckt haben, ist: Wie sieht der Netto-Effekt aus? Das ist eine sehr eigenwillige Fragestellung, also was sind positive Effekte, mögliche, der Pilleneinnahme und was sind negative Effekte. Sie kamen dann zu dem Schluss, dass sie sagten, es gibt keinen Zusammenhang zwischen der Pilleneinnahme und einem generell erhöhten Krebsrisiko. Also die Wahrscheinlichkeit, an Krebs zu erkranken, sinkt im Gegenteil um zwölf Prozent. Und sie stellten vor allem fest: Es gibt einen vermindertes Risiko für Darmkrebs, Gebärmutterkrebs und Eierstockkrebs. Das an sich ist auch plausibel, denn es deckt sich mit den Ergebnissen anderer Studien, vor allen Dingen großer Metastudien.

    Blumenthal: Ist das jetzt erwartbar gewesen? Sind 46.000 Frauen eine Größe, die zu diesem Ergebnis führen muss? Das hört sich ein bisschen fast so an, es war klar, dass dieses Ergebnis rauskommt.

    Winkelheide: Nein, so ganz klar war es nicht. Was neu ist, dass man abgewogen hat, was sind die positiven, was sind die negativen Effekte. Man muss allerdings auch sagen, die Forscher sind auch zu einem Schluss gekommen: Wenn die Pille länger als acht Jahre eingenommen worden ist, dann ist das Risiko für spezielle Tumore wieder angestiegen, also vor allen Dingen für Gebärmutterkrebs und für Tumore des zentralen Nervensystems. Die Frage ist natürlich, was macht man mit so einem Ergebnis. Denn bekanntermaßen ist es ja so, dass die Pilleneinnahme, wenn auch nur leicht, aber das Brustkrebsrisiko ansteigen lässt. Dann sagen die Forscher: Die Effekte bei den anderen Tumorarten, die schützende Wirkung, dauert länger an, und sie haben das gegeneinander gerechnet. Und das ist natürlich die Frage: Hilft das bei der Entscheidung einer Frau, zum Beispiel zu sagen, ja, ich gehe ein etwas höheres Brustkrebsrisiko ein, habe dafür aber wahrscheinlich eine geringere Wahrscheinlichkeit, an anderen Tumorarten zu erkranken? Hilft das bei der Entscheidung oder hilft es nicht? Das ist die große Frage.

    Blumenthal: Treffen diese Aussagen der Studie auch auf das Krebsrisiko von Frauen zu, die mit Pillen der neueren Generation verhüten?

    Winkelheide: Es ist erstmal eine Studie, die interessant ist für Frauen, die in den späten 60er Jahren verhütet haben. Denn heute gibt es andere Rezepturen mit niedrigeren Hormondosen. Auf der anderen Seite muss man sagen, viele Frauen beginnen heute sehr viel früher, die Pille einzunehmen. In dieser Studie war es so: Das Durchschnittsalter war 29. Heute bekommen oft junge Frauen die Pille schon aufgeschrieben oder lassen sie sich verschreiben, und sie nehmen die Pille über längere Zeiten ein. Insofern ist es relativ schwierig, auf heute zu schließen von dieser Studie aus.

    Blumenthal: Ist damit die Diskussion um die Krebsgefahr durch Hormon-Präparate allgemein beendet oder beeinflusst?

    Winkelheide: Beeinflusst insofern, als man, wenn man sich auf so eine Gesamtspekulation einlässt, sagt, die Pille erhöht das Krebsrisiko nicht generell. Ja. Andererseits: Wenn man sich anguckt die Hormonersatztherapie und die Effekte auf die Risiken der Krebsentstehung - das wird weiterhin in der Diskussion sein. Und da hat man ja auch gesehen, dass eine Hormonersatztherapie vor allen Dingen auch das Risiko für Brustkrebs ansteigen lässt.