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Betriebsrat bei Daimler
Angst vor rechter Unterwanderung

Anfang März wird in den Werken des Autobauers Daimler ein neuer Betriebsrat gewählt. Neben der IG Metall gibt es seit acht Jahren auch Betriebsräte, die dem Verein "Zentrum Automobil" angehören. Auch die wollen wieder zur Wahl antreten. Doch dagegen gibt es nicht nur vonseiten der IG Metall arge Bedenken.

Von Uschi Götz | 12.01.2018
    IG Metall-Warnstreik vor dem Mercedes-Benz-Werk. Auf einem Plakat steht am 09.05.2016 in Sindelfingen (Baden-Württemberg) "5% das ist fair der Vorstand hat viel mehr!"
    Neben den Vertretern der IG Metall gibt es bei Daimler noch andere Anwärter auf Betriebsratsposten - wohl auch solche, die als politisch weit rechts eingestuft werden. (Franziska Kraufmann)
    Oliver Hilburger, 48 Jahre alt, ist Mitbegründer des Vereins "Zentrum Automobil". Seit 2010 ist er Betriebsrat im Daimler-Werk Untertürkheim. 2014 holte das Zentrum rund zehn Prozent bei den Wahlen und tritt bei dieser Wahl wieder in verschiedenen Werken an. Die Gruppe sieht sich als Alternative zu - wie es Hilburger ausdrückt - "Staatsgewerkschaften". Gemeint ist vor allem die IG Metall:
    "Eingebettet in diese Staatsgewerkschaft, in diesen Machtstrukturen geben sie zwar vor, den kleinen Mann zu vertreten, geben vor, sich nach oben abzugrenzen, aber sie sind - einfach gesprochen - oben, also Teil des Establishment."
    AfD-und Pegida-Anhänger unter den Zuhörern
    In November forderte Hilburger bei einer Veranstaltung in Leipzig seine Zuhörer dazu auf, in ihren Unternehmen als Betriebsräte zu kandidieren, auch wenn dieser Job einen schlechten Ruf hätte:
    "Man muss dort hingehen, wo es wehtut und auch wenn es für mich oder für Sie ein trockenes Thema ist, was ich habe. Ich muss über Gewerkschaft sprechen, ich muss über Betriebsrat reden."
    Betriebsräte stünden im Ansehen ganz weit hinten:
    "Sogar noch unter Journalisten - und das heißt was - stehen Betriebsräte und Gewerkschafter."
    Unter den Zuhörern sind auch der AfD-Politiker Björn Höcke und Pegida-Gründer Lutz Bachmann. Gastgeber der Veranstaltung ist Jürgen Elsässer, Chefredakteur des AfD-nahen Magazins Compact. Er kündigt an, man "eröffne eine neue Front zur nationalen und sozialen Befreiung des Volkes" und lobt Hilburger für dessen Engagement beim Autobauer Daimler:
    "Und jetzt geht es darum, diesen Erfolg auf andere Industriebetriebe auszudehnen… Nach dem Motto: "Alle Räder stehen still, wenn der blaue Arm es will." Applaus.
    "Wir sind keine soziale Resozialisierungseinrichtung"
    Diese stammen aus dem Internet, es handelt sich dabei um einen Mitschnitt des Magazins Compact.
    Der blaue Arm steht in diesem Fall für die AfD. Doch die Partei hat einen Aufnahmeantrag des Betriebsrats Hilburger abgelehnt. "Zu weit rechts", heißt es. Das möchte der baden-württembergische AfD-Bundestagsabgeordnete Jürgen Braun so nicht sagen, formuliert die Absage allgemeiner:
    "Wir sagen natürlich nicht, warum wir jemand nicht genommen haben als Mitglied. Wir sind als Partei aktiv, wir sind aber keine politische oder soziale Resozialisierungseinrichtung für Leute, die irgendwann einmal früher Probleme gehabt haben."
    Vor den NSU-Untersuchungsausschuss zitiert
    Fast 20 Jahre lang war Oliver Hilburger Gitarrist der 2010 aufgelösten Rechts-Rock Band "Noie Werte". Musik dieser Band fand sich auf Bekennervideos der NSU-Terroristen.
    Wenige Tage vor seiner Reise nach Leipzig wurde deshalb Oliver Hilburger vor dem NSU-Untersuchungsausschuss des baden-württembergischen Landtags nach seinen Kontakten zu dem Trio Mundlos, Böhnhardt und Zschäpe befragt. Hilburger sagte im Landtag, er habe zu keinem Zeitpunkt in seinem Leben die drei Personen gekannt.
    "Nicht die Veränderung als solche blockieren"
    Bei der IG Metall in Baden-Württemberg wiederum kennt man Oliver Hilburger nicht. Das von ihm mitgegründete "Zentrum Automobil" hält Bezirksleiter Roman Zitzelsberger für eine Splittergruppe, die den Menschen einreden wolle, es bleibe alles wie es ist:
    "Man muss das ernst nehmen, was die sagen, und zwar einfach deshalb, weil sie den Menschen den Eindruck vermitteln, es bleibt alles so, wie es ist. Weil sie gegen die Veränderung der Antriebstechnologien sind, weil sie kritisch mit dem Thema Digitalisierung, weil sie sich äußerst kritisch mit dem Thema Globalisierung auseinandersetzen. Es geht darum, in dieser Veränderung Sicherheit herzustellen und nicht die Veränderung als solche zu blockieren."
    Konzern will jeden Einzelfall bei Verdacht prüfen
    Auch die Konzernleitung beobachtet die Aktivitäten des Vereins innerhalb der Betriebsräte. "Das politische Engagement sei Privatsache der Beschäftigten", teilte das Unternehmen auf Nachfrage schriftlich mit.
    Wörtlich heißt es in dem Schreiben: "Sollte es dabei aber arbeitsrechtlich oder strafrechtlich relevantes Verhalten geben, so werden wir dies in jedem Einzelfall prüfen und gegebenenfalls die notwendigen Konsequenzen ziehen."
    Zitatende.