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Bildungsmonitor 2014
G8, G9 und die Versuchskaninchen der Politik

Seit dem PISA-Trauma wird die Bildung in Deutschland streng vermessen und in Ranglisten gegliedert. Dem Institut der deutschen Wirtschaft und der "Initiative Neue Soziale Marktwirtschaft" ging es dieses Mal besonders um G8 und G9. Berlin schaffte es dabei, Spitze und Schlusslicht zugleich zu belegen.

Von Stefan Maas | 19.08.2014
    Schüler gehen an einer Tafel vorbei, auf der "G8" und "G9" steht.
    Dass viele Bundesländer wieder zum Abitur nach neun Jahren zurückkehren wollen, sei nicht zielführend, findet Hubertus Pellengahr, Geschäftsführer der Initiative Neue Soziale Marktwirtschaft. (dpa picture alliance/ Armin Weigel)
    So leidenschaftlich auch diskutiert wird über das Abitur nach 12 oder 13 Jahren, für Axel Plünnecke ist das Ergebnis vor allem:
    "Spektakulär unspektakulär."
    Plünnecke ist Leiter des Kompetenzfeldes "Humankapital und Innovation" beim Institut der deutschen Wirtschaft Köln. Immerhin: Die Frage nach den Auswirkungen von G8 oder G9 war den Wissenschaftlern, die für die Initiative Neue Soziale Marktwirtschaft den Bildungsmonitor 2014 erstellt haben, einen eigenen Schwerpunkt wert. Das Ergebnis:
    "Also, es gibt keinen klaren Beleg, dass jetzt G8 oder G9, was die Leistungen der Schüler im Abitur angeht, so große Unterschiede machen."
    Das gilt auch für das Freizeitverhalten, sagt Plünnecke.
    "Freizeitaktivitäten, das ist Sport, Musik, Tanz, Theater, Ehrenamt. Und auch da findet man im sozioökonomischen Panel, wenn man die G8 und G9-Schüler identifiziert hat, keine Unterschiede. Wir würden als Statistiker sagen: keine signifikanten Unterschiede zwischen den Gruppen."
    "Rückkehr zu G9 nicht zielführend"
    Auch nicht auf die Lebenszufriedenheit der Schülerinnen und Schüler. Dass nun viele Bundesländer wieder zu dem Abitur nach 9 Jahren Gymnasium zurückkehren wollen, oder zumindest einem Teil der Schülerinnen und Schüler diese Möglichkeit bieten wollen, sei nicht zielführend, findet auch Hubertus Pellengahr, der Geschäftsführer der Initiative Neue Soziale Marktwirtschaft:
    "Die Diskussion um G8 und G9 zeigt ein weiteres Mal, die deutschen Schülerinnen und Schüler bleiben die Versuchskaninchen der Politik."
    Denn der ständige Wechsel belaste Schüler und Lehrer, die sich ständig wieder neu orientieren müssten. G8 bietet aus Sicht der Initiative, die von den Arbeitgeberverbänden der Metall- und Elektroindustrie bezahlt wird, noch einen weiteren Vorteil, erklärt IW-Forscher Axel Plünnecke:
    "Da G8 dazu führt, dass die Abiturienten eher für die Berufsausbildung oder für die Hochschulen und später dann dem Arbeitsmarkt zur Verfügung stehen, trägt es zur Fachkräftesicherung bei, was wir in den nächsten Jahren ja durch steigende Absolventenzahlen, steigende Studienanfängerzahlen in den letzten Jahren sehen konnten."
    Und darauf kommt es den Auftraggebern des Bildungsmonitors an. Immerhin stand in diesem Jahr die Frage im Mittelpunkt, inwieweit aus ökonomischer Sicht in den Bildungssystemen der einzelnen Bundesländer die richtigen Prioritäten gesetzt werden, um die Herausforderungen des demografischen Wandels zu meistern.
    Sachsen jedenfalls, das auch schon wie in den Jahren zuvor den ersten Platz belegt, punktet, wie auch der Zweite: Thüringen, mit seinem G8-Abitur, an dem auch nie gerüttelt wurde.
    "Sachsen überzeugt mit exzellenten Ergebnissen bei der Förderinfrastruktur. Also Ganztagsschulen sind ja bei der Schulqualität, was wir aus den Vergleichsstudien wissen, beim Vermeiden von Bildungsarmut zumindest sehr gut. Und ein Leuchtturm bei der Ausgaben-Priorisierung im öffentlichen Haushalt für Bildung. Bei den Betreuungsrelationen bei Schulen und Hochschulen. Bayern ist Spitzenreiter bei der beruflichen Bildung und verwendet die Mittel sehr effizient im Bildungssystem. Baden-Württemberg ist Spitze bei der Internationalisierung. Aber auch Länder, die nicht unter den ersten Vieren sind, sind in einzelnen Feldern ganz weit vorne."
    Berlin zum Beispiel. Erneut das Schlusslicht im Länderranking. Aber bei der Forschung landet die Hauptstadt an der Spitze. Platz 1 bei der Forschungsorientierung. Hierzu zählen unter anderem die Ausgaben für Forschung und Entwicklung pro Forscher an Hochschulen und eingeworbene Drittmittel pro Professor.
    Nachholbedarf bei der Integration
    Nachholbedarf gibt es bei der Integration, dazu gehört etwa den Anteil ausländischer Schulabgänger ohne Abschluss.
    Verbesserungsbedarf auch bei der Bekämpfung von Bildungsarmut, der Schulqualität und der beruflichen Bildung. Außerdem gehe im Bildungssystem vergleichsweise viel Zeit verloren und die Ausgaben-Priorisierung zugunsten der Bildung sei gering, schreiben die Autoren. Empfehlung der Forscher:
    "Da wäre es wichtig, ein Bildungs-Controlling einzuführen, um zum Beispiel zu schauen, welche Schulen schaffen es, bei schwierigem Klientel an Schülern trotzdem exzellente Lernfortschritte zu erreichen. Wenn ich diese Leuchtturmschulen identifiziere aus den Daten, die ich dann habe, dann kann ich das erreichen, dass ich trotz schwierigen Bedingungen in Berlin auch gute Ergebnisse erreiche."
    Andere Länder, die im Länderranking zurückliegen, konnten sich in einzelnen Bereichen im Vergleich zum Vorjahr verbessern. Fortschritte gab es vor allem im Saarland und in Hamburg. Im Saarland ist laut Bildungsmonitor das Angebot dualer Studiengänge stark gestiegen und in Hamburg hat die Zahl der Schüler mit Ganztagsunterricht stark zugenommen.