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Bleifreies Jagen

Jäger töten mit ihren Kugeln unter Umständen nicht nur das Wild, das sie geschossen haben. Am giftigen Blei in der Munition verenden später auch Aasfresser, die erlegte Tiere finden. In Brandenburg ist davon der Seeadler betroffen, auch er ein Aasfresser und eine extrem bedrohte Art, die in Westeuropa kaum mehr vorkommt. Mit Rücksicht auf die Seeadler müssen Brandenburger Jäger auf bleifreie Munition umsteigen.

Von Beate Strenge | 16.02.2007
    " Wir wünschen allen Jägerinnen und Jägern Waidmannsheil. "

    Aufbruch zur Jagd in der Oberförsterei Menz, eines von drei großen Revieren in Brandenburg, wo Jäger jetzt bleifrei schießen müssen. Grund ist der Seeadler, in Westeuropa fast ausgestorben, in Brandenburg noch weit verbreitet. Die Seeadler gehen zugrunde, wenn sie Tiere fressen, die mit Bleimunition getötet wurden. Schlimmer als die Schrotkugeln in Hasen und Fasanen wirken sich die größeren Geschosse für Rehe oder Wildschweine aus. Die Jäger lassen die Eingeweide eigenes für die Assfresser im Wald, aber der Seeadler vergiftet sich an dem Schmaus, sagt Tim Scherer, Leiter des Forstreferats im Brandenburger Landwirtschaftsministerium.

    " In Mecklenburg und in Brandenburg lebt der überwiegende Teil der deutschen Adlerpopulation, und wir sind den Seeadlern insbesondere verpflichtet als dem märkischen Wappentier, und deswegen sehen wir uns da in einer Vorsorgefunktion. "

    Im Jagdrevier um Menz stapfen Treiber mit Hunden durch den Wald, um das Wild aufzuscheuchen. Andere warten auf dem Hochsitz - das Gewehr bleifrei geladen, so auch Jäger Heinz Schmutz von der schwäbischen Alb.

    " Ich habe bisher noch nie mit bleifreier Munition geschossen. Ich jage seit über 30 Jahren, fast 40 Jahre, und ich hab da noch alte Vorräte. Aber ich sehe ein, dass man hier umdenken muss. "

    Viele Jäger sind da skeptischer. Pulver und Blei gehören zusammen, das hat Tradition. Und Blei hat Vorteile: Es fliegt gut und ist relativ weich. Das Blei ist umhüllt von Tombak, einer härteren Legierung aus Kupfer und Zink. Das Geschoss sieht aus wie ein langes Zäpfchen, aus dem vorne der Bleikern ragt. Wenn es durch den Tierkörper rast, formt es sich vorne breit auf zu einem Pilz, reißt ein großes Loch durchs Fleisch und tötet schnell. Aber gerade die Weichheit des Bleis hat auch Nachteile, erläutert Oliver Krone im Institut für Zoo- und Wildtierforschung in Berlin, am Beispiel eines Rehs.

    " Dieser Bereich des Röntgenbildes zeigt den Brustkorb. Die Bleisplitterwolke kann also einen Durchmesser von 40-50 cm erreichen. Und diese Bleisplitter stecken also jetzt nicht nur in der Lunge und im Herzen, sondern auch im Wildbret, also in dem Fleisch, was nachher für den menschlichen Verzehr gedacht ist. "

    Die Alternativmunition besteht nur aus dem härteren Tombak. Sie splittert nicht im Wildkörper. Aber fliegt das bleifreie Geschoss genauso treffsicher wie Blei? Und pilzt es ebenso breit auf im Tierkörper? Das sind Fragen, die das Brandenburger Bleifrei-Projekt in den nächsten drei Jahren wissenschaftlich klären will, sagt Tierforscher Krone.

    " Das Ziel ist es, nachher zu ermessen, ob die bleifreie Munition genauso gut, so tierschutzgerecht töten kann wie die bleihaltige Munition, so dass wir kein künstliches Leid erzeugen bei der Tötung von Wildtieren.

    Es liegen auf der Strecke 103 Stücken Schalenwild und vier Füchse. "

    Hirsche, Damwild, ein Reh, viele Wildschweine und ein paar Füchse liegen ordentlich aufgereiht auf Tannenzweigen vor dem Forsthaus im brandenburgischem Menz - eine stattliche Beute. Die Jäger von nah und fern sind zufrieden.

    " Ich habe drei Stück erlegt heute. Das ging ganz genauso wie mit der anderen Munition auch. Heute einen Schuss abgegeben, Ja, Treffer. Ich werd so weiter schießen, bei uns auch, kein Problem./ Ich schieße seit einem Jahr bleifrei, und es ist genauso gut wie vorher. "
    Am Ende füllen die Jäger Fragebögen aus. Wenn in drei Jahren wissenschaftlich erwiesen ist, dass bleifreie Geschosse genauso gut töten, will Brandenburg ganz darauf umsteigen - dem Seeadler zuliebe und auch zum Schutz anderer Greifvögel wie Rotmilan und Mäusebussard.