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Blog: Postkarten aus Cannes
Im babylonischen Kinopalast

Französisch, na klar! Englisch, selbstverständlich! Doch nicht nur die Besucher aus aller Welt, auch die Filme sorgen mitunter für Sprachenchaos in Cannes. Der Film auf Portugiesisch, englische Untertitel und Notizen auf Deutsch: Die Sprachsynapsen von Maja Ellmenreich geraten da mitunter an die Grenzen der Belastbarkeit.

Von Maja Ellmenreich | 17.05.2016
    Ein Straßenschild verspricht Orientierung im Cannes-Chaos
    Ein Straßenschild verspricht Orientierung im Cannes-Chaos (deutschlandradio.de / Maja Ellmenreich)
    Parlez-vous ciné? English? Italiano? Habla Español? Em portugués? Der Festivalpalast gleicht einem Bienenstock – auf allen Etagen und Zwischenetagen herrscht ein einziges Sprachsummen. Französisch und Englisch sind Handelssprachen: Mit einem freundlichen "Bonjour, madame!" begrüßt mich schon das Einlasspersonal am frühen Morgen. Ein entschuldigendes "Excuse me!" kann nie falsch sein, wenn man sich durch die engen Sitzplatzreihen zwängt und dabei auf fremde Füße tritt und über herrenlose Taschen stolpert.
    Die Fortgeschrittenen unter den Bewohnern des babylonischen Kinopalastes wissen um die besänftigende Wirkung eines geknickt klingenden "Desolée!". Zur Not verständigt man sich halt mit Händen und Füßen oder einem Lächeln. Irgendwie geht es immer.
    Das gilt auch für den Kinosaal. Zweieinhalb Stunden koreanisches Fluchen, Flüstern, Brüllen und Säuseln ergeben dank englischer Untertitel plötzlich Sinn. Manchmal gilt es auch, einen sprachlichen Umweg zu nehmen, um ans gewünschte Verständnisziel zu kommen: Wenn etwa in dem Roadmovie "Hell or High Water" Jeff Bridges als texanischer Sheriff auf Bankräuberjagd kaum die Zähne auseinander bekommt, dann bin ich dankbar für das eine oder andere vertraute französische Wort am unteren Leinwandrand. Um es mit einem Filmtitel von Woody Allen zu sagen: Whatever works!
    Gelegentlich wird mir sogar "Trilingualität" abverlangt: Ich höre Portugiesisch, lese Englisch und mache mir Notizen auf Deutsch. Doch dann geraten meine Sprachsynapsen an die Grenzen ihrer Belastbarkeit: Beim Verlassen des Saales entschuldige ich mich bei meinem Sitznachbarn für’s unbeabsichtigte Anrempeln mit "Scusi!", und am Ausgang danke ich für die offengehaltene Tür mit "Gracias!" Dabei beherrsche ich eigentlich weder Italienisch noch Spanisch. Cool, isn’t it!?