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Brandenburg
Gefängnispersonal gesucht

Längere Besuchszeiten, mehr Freigänge und Therapie oder Weiterbildung statt strikter Arbeitspflicht - das neue Justizvollzugsgesetz in Brandenburg ist vor einem Jahr in Kraft getreten. Seitdem setzt man dort so stark auf Resozialisierung wie sonst in kaum einem anderen Bundesland. Doch es fehlt an Personal.

Von Axel Flemming | 28.07.2014
    Ein Justizbeamter öffnet in Frankfurt am Main eine Einzelhaftzelle der neuen Justizvollzugsanstalt (JVA) Frankfurt am Main I.
    Ein Wärter schließt eine Gefängniszelle auf. (dpa / Arne Dedert)
    Der Schlüssel dreht sich in der schweren Metalltür, die Zelle ist abgeschlossen. Aber die Situation ist nicht ganz echt: Beobachter können in die Zelle hineinsehen, nicht etwa durch das vergitterte Fenster, sondern von oben. Denn die echte JVA, die Justizvollzugsanstalt Brandenburg an der Havel ist nebenan, durch eine fünf Meter hohe graue Betonmauer von der Außenwelt getrennt. Davor, auf demselben Areal ist das Gebäude der LDA, die Dienstleistungsabteilung Justizvollzug, zwar auch mit Kameras gesichert, aber eigentlich frei zugänglich. Klaudius Leinkauf, der Leiter steht über der Übungszelle und erläutert:
    "In diesem Mobiliar, in den Gestellen, in der Verkleidung, in den Toiletten verstecken wir irgendwelche bunte Smarties oder Ähnliches, und sagen den Kolleginnen und Kollegen: 'Bitteschön, suchen Sie da jetzt mal, wo sind die Drogen!' Das ist so eine Doppelzelle. Und hier haben wir dasselbe, nur als Einmannzelle."
    Interessiert steht Helmuth Markov neben ihm, er ist ein halbes Jahr im Amt als Justizminister. Von seinem Vorgänger hat er aber die Philosophie übernommen: Resozialisierung der Gefangenen steht im Vordergrund, alle Gesetze, die mit Strafvollzug zu tun haben, wurden darauf umgestellt:
    "Wenn dem psychologischen Element, dem Betreuungselement, dem Element, dass man den Gefangenen nicht nur verwahrt, also nicht nur Kleidung gibt und Essen bringt, sondern dass man auch mit ihm in Kontakt tritt - eine ganz neue Dimension. Und ja, das finde ich wird hier gut umgesetzt."
    Kritiker schmähen System als Kuschelvollzug
    Längere Besuchszeiten, mehr Freigänge, eine Erweiterung des offenen Vollzugs. Therapie oder berufliche Qualifizierung statt Arbeitspflicht. Brandenburgs neues Justizvollzugsgesetz ist politisch umstritten - Bewährungshelfer loben es, auch die Opferschutzorganisation "Weißer Ring" pflichtet dem bei, Kritiker allerdings schmähen es als Kuschelvollzug. Das will Markov nicht gelten lassen:
    "Es besteht eine Aufgabe diejenigen, die Täter waren, möglichst dazuzubringen, nie wieder Täter zu werden, weil das der beste Opferschutz ist, den wir haben. Wenn jemand seine Strafe verbüßt hat, dann ist er bestraft worden für die Tat. Und wenn ich mich hinterher nicht darum kümmere oder parallel dazu, dass er eine Ausbildung bekommt, dass er weiß, dass er zum Wohnungsamt gehen kann, dass er zum Sozialamt gehen muss, dann ist die Wahrscheinlichkeit, dass er rückfällig wird, viel höher. Und deswegen diese soziale Betreuung und auch die therapeutische Betreuung. Die Einwirkung ist das Entscheidende."
    Etwas über 1040 Menschen arbeiten im brandenburgischen Strafvollzug, Ärzte, Sozialarbeiter und Pädagogen, und natürlich Vollzugsbeamte. Von 2000 bis 2005 bildete das Land nicht aus, das macht sich jetzt negativ bemerkbar - es fehlen die Leute. Auch die Zahl der Bewerber geht zurück und die Anforderungen sind hoch:
    "Also wir haben manchmal in dem Auswahlverfahren Menschen, die dominieren wollen, die nur und ausschließlich dominieren wollen, die diese Dominanz auch noch durch den Schlüssel glauben verstärken zu können, durch die Uniform und durch die Macht, die natürlich ein Bediensteter gegenüber einem Gefangenen zum großen Teil hat. Und wenn wir das merken, dass jemand das praktisch ausnutzt, oder ausnutzen möchte, um vielleicht sich selbst zufriedenzustellen, dann war das der Falsche."
    Weniger Bevölkerung, weniger Straftäter
    Von 200 Interessenten im letzten Jahr bestand nur ein Zehntel das Auswahlverfahren. Eine, die es geschafft hat, ist Dörte Prawos:
    "Weil ich das Umfeld einfach für wahnsinnig spannend hielt. In einer JVA zu arbeiten, mit Kriminellen, mit Schwerstkriminellen, wo ich die Hintergrundgeschichte unbedingt wissen möchte, und was ich wahnsinnig spannend finde und mit den Menschen dann auch arbeiten zu können. Also allein um auch zu sehen, wie verhalten die sich eigentlich dir gegenüber, wenn das jetzt meinetwegen Mörder sind, das ist einfach wahnsinnig spannend und genau das ist der Grund."
    Fast 1500 Straftäter sitzen derzeit in den fünf Haftanstalten des Landes ein, Tendenz sinkend. Auch das hat mit der Demografie zu tun: weniger Bevölkerung, weniger Jugendliche, weniger in dem Alter, das in den höchsten Anteil an Straftaten verwickelt ist. Als Berlin vor Jahren begann, auf einer Fläche in Brandenburg die JVA Heidering zu bauen, gab es Verstimmung mit den Nachbarn. Sie ist jetzt in Betrieb, der Justizminister will die Diskussion nicht erneut anfachen:
    "Das ist Geschichte!"