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Bürokratie in Landwirtschaft und Weinbau

Gut ein Drittel des Einkommens eines Bauern in der Europäischen Union besteht aus staatlichen Subventionen - Anträge auszufüllen und Behörden mit Nachweisen für erfüllte Auflagen zu versorgen ist also für die meisten Landwirte ziemlich lukrativ. Die Zeit für Bürokratie geht allerdings von der wirklich produktiven Arbeit ab, und bürokratische Auflagen treffen auch die Zweige der Landwirtschaft, die ohne Unterstützungszahlungen leben müssen. Entbürokratisierung in Landwirtschaft und Weinbau war das Thema einer Veranstaltung der SPD-Fraktion im Landtag von Rheinland-Pfalz.

Von Anke Petermann | 17.03.2004
    Dass sie im Herbst- und im Kellerbuch vieles doppelt dokumentieren müssen, damit haben sich deutsche Winzer ja schon fast abgefunden. Aber dass die Düngeverordnung mit den entsprechenden Nachweispflichten über Kauf und Ausbringung von Dünger nun auch für die Weinbauern gilt und selbst die Kleinstbetreibe unter ihnen alle zwei Jahre auf eigene Kosten die Steilhang-Schlauchleitungen für Pflanzenschutzmittel einer TÜV-Prüfung unterziehen müssen – das löst erheblichen Unmut aus. Der Winzer Walter Clüsserath kennt als Kreisvorsitzender des Winzer- und Bauernverbandes Trier-Saarburg die Probleme der Kollegen an der Mosel:

    Wir haben landwirtschaftliche Betriebe die 200, 300 Hektar bewirtschaften, und schauen uns im Weinbau zum Teil Betreibe an, die einen Hektar bewirtschaften, und die Verhältnismäßigkeit stimmt nicht. Das ist ja eine ganz andere Menge die da an Pflanzenschutzmitteln aufgebracht wird. Aber die TÜV-Gebühren und Auflagen sind genau die gleichen. Und in der Landwirtschaft gibt es zum Teil Ausgleichszahlungen für die Flächenbewirtschaftung, und die gibt es im Weinbau in keiner Weise. Also, wenn man dafür einen Obolus, also ein Entgelt bekäme, wäre es etwas anderes. Oder wenn wir Luxemburg nehmen, da wird der TÜV vom Staat bezahlt und hat drei Jahre Gültigkeit, bei uns zwei Jahre, und der Winzer muss es selbst Zahlen. Das sind Ungleichgewichte innerhalb der EU.

    An der Mosel ist Weinbau wegen der Kleinstflächen und Steillagen ein schwieriges Geschäft, und wer zweifelt, ob es sich überhaupt lohnt, den treibt die Regelungswut der Landes-, Bundes- und EU-Bürokratie häufig zur Aufgabe, beobachtet Clüsserath. 30 Prozent Anbaufläche seien an der Mosel in den letzten fünf Jahren verloren gegangen, Resignation herrsche vor, das Ende einer 2000jährigen Anbautradition rücke in Sichtweite, meint der 44jährige Winzer.

    Und wenn heute 90 Prozent der Winzer und Landwirte sagen es sei die Bürokratie, die sie am meisten belastet und die ihnen die größten Probleme bereitet, noch frei schaffender Unternehmer zu sein, dann muss man an dem Punkt ansetzen und dann muss man da ansetzen. Dann brauchen wir Befreiungsschläge und dann müssen wir entsprechende initiativ werden über den Bundesrat oder die Bundesregierung, wenn es darum geht, EU-Regelungen zu vereinfachen.

    So der Mainzer Landwirtschaftstaatsekretär Günter Eymael. Bislang blieben die Entbürokratisierungsinitiativen weitgehend folgenlos: zwar hat der Bund die Regelungen für Saisonarbeitskräfte leicht vereinfacht, aber mit der EU-Futtermittel- und der Hygieneverordnung kommen in den nächsten Jahren weitere Nachweis- und Dokumentationspflichten auf die Landwirte zu, sagt Birgit Falk, Abteilungsleiterin für Landwirtschaft und Weinbau bei der Allgemeinen Aufsichts- und Dienstleistungsbehörde, kurz ADD. Insgesamt ist die Bürokratie weiter auf dem Vormarsch, stellt die Agrarexpertin der Trierer Prüfbehörde fest:

    Wir werden zwischen Umweltschutz und Landwirtschaft stärkereVerbindungen bekommen, und dann müssen die Vorgaben erfasst werden, und die Umsetzung der Vorgaben muss dann wieder kontrolliert werden. Also, je größer man die Anforderungen stellt und je mehr man auch in den Bereich der Förderung packt, um so höher sind die Anforderungen an die Dokumentation und anschließend auch an die Kontrollen.


    Die hohen Produktionsstandards und Rundum-Kontrollen haben ihren Preis, betont Leo Blum, Präsident des Bauern- und Winzerverbandes Rheinland- Nassau. Aber:


    Die Verbraucher sind da doppelzüngig. Sie reden von höchsten Standards, aber kaufen das, was am günstigsten ist. Von uns Bauern erwartet man die höchsten Standards, das ist ja auch gut so, aber dann auch gleicher Maßstab für alle. Und das ist auch ein Teil des Wettbewerbsnachteils, den wir in Deutschland haben. Das ist letztendlich auch eine Preisfrage. Aber bei den Preisen ist man der Meinung, deutsche Produkte müssen genauso billig sein, wie die aus Zweit- oder Drittländern.