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Bulgarien
Plovdivs schwieriger Weg zur Kulturhauptstadt

Seit Bulgariens zweitgrößte Stadt Plovdiv die Bewerbung als Europas Kulturhauptstadt 2019 gewann, hat sich das Gesicht der Stadt gewaltig verändert. Griechisch-römische Ausgrabungen werden effektvoll in Szene gesetzt, mit günstigen Mieten Künstler in Bulgariens schönste Altstadt gelockt. Die Umformung zur Kulturhauptstadt ist Chance und Herausforderung zugleich.

Von Jutta Schwengsbier | 01.12.2016
    Touristen genießen den Blick auf Plovdiv in Bulgarien.
    Viele historische Gebäude in Plovdiv wurden abgerissen. (picture alliance / dpa / Vladimir Yanev)
    Vom kleinen Kammerkonzert in der Altstadt bis hin zu Musikevents mit Staraufgebot und großem Orchester: Die vielen Kulturveranstaltungen lassen Plovdiv spürbar aufblühen. Doch Kulturveranstaltungen sind vergänglich, sagt Svetlana Kuyumdzhieva. Als künstlerische Leiterin des Kulturhauptstadtjahres gehe es ihr vor allem darum, das Gesicht der Stadt langfristig zu verwandeln:
    "Normalerweise erwarten die Leute, dass wir die glorreichen Facetten der Stadt in Szene setzen. Über das kulturelle Erbe sprechen. Über die reiche Geschichte. Aber uns geht es mit unserem Programm mehr darum, Probleme zu lösen."
    Viele Pläne sind gar nicht umsetzbar
    Deshalb waren alle Bürgerinnen und Bürger dazu aufgerufen, selbst Projekte einzureichen, die die sozialen Probleme in der Stadt angehen. Inzwischen sind zwar viele gute Ideen da. Doch finanziert werden können sie bislang nicht: Der Staat hat bislang seinen Anteil an der Finanzierung der bulgarischen Kulturhauptstadtstiftung nicht geleistet.
    Derzeit fehlen 10 Millionen Euro im Kulturbudget. Deshalb musste sich Plovdiv im gerade veröffentlichten Fortschrittsbericht der EU harsche Kritik gefallen lassen: Nicht nur weil die Stadt im Zeitplan stark hinterher hinkt. Viele der Pläne sind gar nicht umsetzbar, muss Svetlana Kuyumdzhieva kleinlaut einräumen:
    "Die sogenannte Tabakstadt, die zum kulturellen Zentrum der Stadt umgebaut werden sollte, ist eigentlich eines unserer Flaggschiff-Projekte. Doch die alten Tabakkontore gehören Privatleuten. Wir haben also gar nicht die Macht, über die künftige Nutzung der Gebäude zu entscheiden."
    Historisch wertvolle Gebäude sind bereits verschwunden
    Schlimmer noch: Das alte Stadtviertel, existiert nur noch in Teilen. Viele historisch wertvolle Gebäude sind in Plovdiv schon verschwunden, weil ihre Besitzer lieber profitablere Geschäftsgebäude bauen wollten, beklagt Konstantina Pehlivanova. Die junge Architektin führt eine Bürgerbewegung an, die die historische Bausubstanz Plovdivs vor der Abrissbirne schützen will:
    "Ich habe die Hoffnung völlig verloren. Sehen sie sich an, was mit der Tabakstadt passiert ist. Vor einem halben Jahr hat einer der Besitzer ein Gebäude einfach abgerissen. Und vor Kurzem sind dann vier weitere ehemalige Warenhäuser in der Tabakstadt abgebrannt."
    Massenproteste gegen Abriss von altem Kino
    Derzeit ist ein ganzer Straßenzug abgesperrt, weil die abgebrannten Gebäude einsturzgefährdet sind. Die Polizei ermittelt gegen einen Obdachlosen. Doch Pehlivanova glaubt nicht an die These, dass ein Obdachloser den Brand aus Versehen verursacht haben soll. Denn das Feuer sei gleichzeitig in zwei Gebäuden ausgebrochen. An einem sehr sonnigen warmen Tag. Ein Feuer zum Wärmen sei da sicher nicht nötig gewesen:
    "All das, was laut der Bewerbung von Plovdiv zur Kulturhauptstadt wieder aufgebaut werden sollte, ist dabei zu verschwinden. Das Kino Kosmos ist eines der letzten Gebäude, das immer noch steht. Es wurde noch nicht ausradiert."
    Mit wiederholten Massenprotesten haben Konstantina Pehlivanova und ihre Mitstreiterinnen das alte Kinogebäude bislang schützen können:
    "Der Kampf begann 2011, als die Stadtverwaltung das Kinogebäude abreißen lassen wollte, um einen fünfstöckigen Parkplatz hier hinzusetzen. Das Kino wurde 1946, noch zu sozialistischen Zeiten, gebaut. Viele von uns erinnert es an die Kindheit. Es ist ein sehr emotionaler Ort für uns alle, den wir erhalten wollen. Deshalb haben wir einen Business-Plan für die künftige Nutzung des Gebäudes entwickelt."
    Mit Ausstellungen, Konzerten und natürlich durch Kinovorführungen soll das Gebäude wieder zum Leben erweckt werden. Die Pläne könnten sofort umgesetzt werden, sagt Pehlivanova. Es fehlt nur noch das Geld. Solange der Staat seinen Anteil nicht an die Kulturhauptstadtstiftung überweist, wird das Kino weiter vor sich hin bröckeln.