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Bundeswehr-Serie auf YouTube
Der Sprung deines Lebens

Vor sieben Jahren wurde die Wehrpflicht in Deutschland ausgesetzt. Seither muss sich die Bundeswehr aktiver um neue Rekruten bemühen. Neben klassischer Werbung soll auch eine YouTube-Serie über Fallschirmspringer Interesse wecken – aus Sicht von Kritikern liefert sie allerdings kein realistisches Bild.

Von Marie Koppel | 08.08.2018
    Fallschirmjäger springen aus einem Transall-Transportflugzeug.
    Fallschirmjäger der Bundeswehr bei einer Großübung (dpa/ Carsten Rehder)
    Der Beat, auf den auszubildende Fallschirmspringer beim Militär das Springen trainieren - am Boden, vom Turm, aus dem Flugzeug. Zumindest in der aktuellen Staffel "Die Springer" auf dem YouTube-Kanal "Bundeswehr Exclusive", dem Werbechannel der Bundeswehr. Seit 2010 sind die deutschen Streitkräfte auf YouTube und werben laufend mit Videos um neue Bewerber und Bewerberinnen.
    "Die Springer" ist schon Teil vier der bundeswehreigenen Dokuserie. Diesmal sollen Einblicke in die Ausbildung von Fallschirmspringern gegeben werden. Montags bis donnerstags gibt es je eine neue Folge plus Homestorys über die einzelnen Rekruten.
    Wie bei den Staffeln davor ist das offizielle Ziel der Bundeswehr klar: Authentische Information über den Beruf Soldat.
    Öffentlichkeitsarbeit der Bundeswehr
    "Naja hier geht’s um den Dienst bei der Bundeswehr, hier geht’s um den Dienstalltag in der Bundeswehr, den wir transparent und offen kommunizieren wollen, und das schaffen wir vor allem in unseren YouTube Serien, das zeigen wir aber auch letztendlich auf anderen Kanälen der Bundeswehr."
    Solche anderen Kanäle, auf die hier der Chef der Personalwerbung Dirk Feldhaus verweist, sind zum Beispiel der parallel laufende Channel der eigenen Bundeswehr-Redaktion, der ein bisschen gediegener einfach nur "Bundeswehr" heißt. Oder deren diverse andere Veröffentlichungen wie die Wochenzeitung "Bundeswehr aktuell" als Print, pdf und E-Paper.
    Kritik von der Deutschen Friedensgesellschaft
    "Die Springer" sind Teil der seit 2015 laufenden "Kampagne Arbeitgebermarke Bundeswehr", umgesetzt von einer professionellen Werbeagentur, und damit ganz klar eine PR-Aktion. Das sieht die Deutsche Friedensgesellschaft kritisch.
    "Also man muss sich natürlich immer bewusst sein, dass es sich um Werbesendungen handelt, die die Bundeswehr da produziert. Das macht die Bundeswehr aber sehr oft. Dass sie immer sagen okay wir sind total transparent und sowas und hier kriegen Sie einen Einblick, aber natürlich sieht man da nicht alles."
    Was Michael Schulze von Glaßer, dem Geschäftsführer der Deutschen Friedensgesellschaft, in den Werbevideos vor allem fehlt, sind Hintergründe. Die Kampagne der Bundeswehr lenke zu stark vom sicherheitspolitischen Diskurs ab. Für ein wirklich realistisches Bild reiche ein bisschen Mäuschen spielen im Ausbildungslager nicht aus.
    Die coolen Fallschirmspringer
    "Also es wird halt quasi eher gesagt: oh guck mal hier cool, Fallschirmspringen oder cool, ein Panzer. Also es wird halt nicht thematisiert, okay wie ist denn jetzt die politische Lage in Mali, ist es jetzt richtig da mit Militär reinzugehen oder hat das auch irgendwelchen postkolonialen Aspekt oder darf aus Rohstoffsicherungsgründen eigentlich so ein Einsatz geführt werden, sowas wird natürlich dann nicht thematisiert.
    Dabei liegen die Gründe für die Bemühungen der Bundeswehr um Neurekrutierung eigentlich offen: Diese Gründe heißen auf der Seite des Verteidigungsministeriums "Internationales Krisenmanagement" und "Landes- und Bündnisverteidigung", und dafür fehlt das Personal. Bis zum Jahr 2014 sollen es darum 12.000 Soldaten mehr werden. Politisch motiviert sind die neuen Fallschirmspringer auf YouTube aber offenbar eher nicht.
    "Ist halt was das nicht jeder andere macht, deswegen ich hab echt Bock auf den Lehrgang"
    Wie für den Obergefreiten Ken hier im Video sind auch für eine Youtube-Abonnentin, die die Bundeswehrserie seit der ersten Staffel guckt, und nach ihrem Abitur über eine Verpflichtung nachdenkt, politische Gründe eine zweitrangige Rolle.
    "Interessanter Arbeitgeber"
    "Für mich ist die Bundeswehr eben ein relativ interessanter Arbeitgeber, weil ich einfach das Gefühl hab, dass ich mich als sehr vielfältige Person da eigentlich super verwirklichen kann. Natürlich gibt auch Sachen, die jetzt nicht so schön sind, aber einfach dazugehören beispielsweise; jetzt Auslandseinsätze. Aber ich glaube, das ist jetzt eigentlich auch gut geregelt dadurch, dass es einfach dadurch kompensiert wird dadurch, dass man einfach so gute Weiterbildungsmöglichkeiten bei der Bundeswehr hat.
    Nach dem diesjährigen Ranking der Agentur Trendence ist die Bundeswehr bei Schülern auf Platz drei der Top-Arbeitgeber - nach der Polizei und adidas. 2016 wurde in einer Personalstrategie das Ziel festgelegt, die Bundeswehr als "sinnstiftenden und qualifizierenden Arbeitgeber zu positionieren". Auch der Slogan der Fallschirmspringervideos spielt mit dem Karriere-Image: "Mach den Sprung deines Lebens".
    Großes Budget für Kampagnen
    Sich als attraktiven Arbeitgeber zu präsentieren lässt sich die Bundeswehr etwas kosten, dazu hat Michael Schulze von Glaßer einen anschaulichen Vergleich zum Jahresbudget der Deutschen Friedensgesellschaft.
    "Im letzten Jahr hat die Bundeswehr ungefähr 700.000 Werbepizzakartons drucken lassen für etwa 200.000 Euro und hat die dann kostenlos liefern an Pizzerien abgegeben, die dann damit ihre Pizzen ausgeliefert haben, und das ist halt unser Jahres Etat für uns als die größte Friedenorganisation in Deutschland. Da sieht man auch mal, wie da die Größenverhältnisse sind."
    Nach den alles in allem fast 8 Millionen Euro schweren "Rekruten" und der sechseinhalb Millionen teuren "Mali"-Staffel haben "Die Springer" jetzt nur noch schlappe 2,1 Millionen gekostet.