Montag, 06. Mai 2024

Archiv


Das Ende der Sklaverei

Abraham Lincoln gilt als der größte aller amerikanischen Präsidenten. Ihm gelang es, 1865 die Abschaffung der Sklaverei durchzusetzen. Eben diese Befreiung der Sklaven ist das Sujet von Steven Spielbergs "Lincoln" als Geschichtsstunde mit Daniel Day-Lewis in der Hauptrolle.

Von Josef Schnelle | 19.01.2013
    "Und das erste Axiom lautet: Dinge, die demselben gleich sind, die sind auch einander gleich. Das ist eine Regel mathematischen Denkens. Es trifft zu, weil es funktioniert. Das hat es und wird es auch immer. In seinem Buch sagt Euklid, das sei selbstevident. Da steht es also schon selbst in diesem 2000 Jahre alten Buch über die Bewegungslehre."

    1865 musste man noch Euklid bemühen, um zu erklären, dass die in der Unabhängigkeitserklärung der Vereinigten Staaten von 1776 enthaltene Formulierung von der Gleichheit aller Menschen zwingend auch die Abschaffung der Sklaverei beinhaltete. Gründervater und Präsident Thomas Jefferson, der den Text formuliert hatte, nahm es selbst nicht so genau mit der Umsetzung dieser Maxime, besaß er doch selbst Hunderte von Sklaven und zeugte mit seiner Haussklavin ein Kind.

    Erst Abraham Lincoln, dem 16.Präsidenten der Vereinigten Staaten, gelang es 1865, die Abschaffung der Sklaverei mithilfe des 13.Verfassungszusatzes durchzusetzen. Soviel Geschichtsunterricht muss sein für diesen Film von Steven Spielberg, der selbst Geschichtsunterricht sein will und doch über weite Strecken so tut, als sei er alles andere als das. "Lincoln" gilt als der größte aller amerikanischer Präsidenten so gigantisch sitzt er wie ein Bürgerkönig auf seinem Thron vor dem Lincoln-Memorial. Hauptdarsteller Daniel Day-Lewis begibt sich oft in diese und andere Posen des damals 56-Jährigen mit seinem charakteristischen Spitzbart.

    Während damals noch der amerikanische Bürgerkrieg zwischen Nord und Südstaaten tobte, lieferte sich Lincoln erbitterte Redeschlachten im Kongress. Seine Hauptanliegen, die Abschaffung der Sklaverei, sollte in seiner eben angetretenen zweiten Amtszeit, nicht nur die Menschenrechte verwirklichen, sondern dem Süden auch seine wirtschaftliche Grundlage als Sklavenhaltergesellschaft nehmen. Aus heutiger Sicht ist es bemerkenswert, dass Lincoln und viele andere Abolitionisten der Republikanischen Partei angehörten. Im Kongress konfrontiert ihn ein Vertreter der im Süden mehr verankerten damaligen Demokraten mit der Gegenposition.

    "Der Kongress darf nie Dinge für gleich erklären, die vom Schöpfer ungleich erschaffen wurden."

    Washington ist 1865 noch ein staubiges Provisorium, das Kameramann Janusz Kaminski in einen Mantel von Brauntönen hüllt. Der Kongress, dessen Debatten theatralisch in Szene gesetzt sind wie Rhetoriklektionen im antiken Rom, ist eine düstere Welt. Ebenso die Hinterzimmer, in denen die Deals vorbereitet werden, die der Konfrontation ein Ende bereiten sollen. Spielberg spielt mit diesen Bühnen der leidenschaftlichen politischen Diskussionen mit großer Virtuosität und bleibt doch beim Kammerspiel, das seinen Superhelden niemals antastet.

    Dass Lincoln in Wahrheit eher ein zögerlicher und vorsichtiger Verfechter der Rassengleichheit war, bleibt kaum erwähnt. Basierend auf dem erfolgreichen gut recherchierten Tatsachenroman von Doris Kearns Goodwin "Team of Rivals: The Political Genius of Abraham Lincoln" konzentriert sich Spielberg auf die letzten vier Monate seiner Regierungszeit bis hin zu seiner Ermordung. Wenn Lincoln aufbraust, hat er den Geist der Geschichte stets auf seiner Seite.
    "Diese Männer aus dem Süden kommen mit einem Friedensangebot." – "Die Abschaffung der Sklaverei besiegelt das Schicksal von Millionen, die heute Leibeigene sind. Und von Millionen, die noch kommen." - "Frieden mit den Konföderierten oder der Zusatzartikel. Sie können nicht beides haben." – "Die Sklaverei, Sir, ist Geschichte."

    Dass die Sklaverei in veränderter Form noch eine Weile weiter bestand - als "convict lease system" mit der Zwangsarbeit für verurteilte schwarze Amerikaner, kommt im Film natürlich nicht vor. Schließlich wurden die Folgen der Sklaverei erst durch die Bürgerrechtsbewegung der 60er-Jahre mit am Ende heute einem schwarzen Präsidenten Barack Obama weitgehend beseitigt.

    Die Heldengeschichte des Abraham Lincoln hat also mehr Kratzer, als uns der Film glauben machen möchte. Es wurden auch im großen Stil Stimmen gekauft oder mit diversen Zugeständnissen versüßt. Schließlich galt es auch einen blutigen Bürgerkrieg zu beenden, was Abraham Lincoln zu einem Monument machte und den Weg ebnete für den Aufstieg Amerikas zur Weltmacht. Aber das ist eine andere Geschichte.

    "So viele werden sterben, wenn sie nicht bald Frieden schließen." – "Ich kann den Krieg nicht beenden solange wir uns nicht von der Sklaverei kuriert haben. Und das Heilmittel dafür ist dieser Artikel." – " Wir brauchen zwei Jastimmen." – "Scheren Sie sich raus und beschaffen Sie sie." – "Aber wie?" – "Ich bin der Präsident der Vereinigten Staaten, ausgestattet mit immenser Macht."