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"Der Patient muss seine Krankheit begreifen"

Diabetes ist die häufigste Ursache für eine Amputation. Laut der Deutschen Diabetes Gesellschaft ließen sich 80 Prozent der Amputationen durch gute Vernetzung kompetenter Experten vermeiden. Bei Diabetikern kann eine Wunde am Fuß chronisch werden und durch fehlende Durchblutung nicht mehr abheilen. Deshalb ist am Parkkrankenhaus Leipzig eine sogenannte Fuß-Visite fest integriert.

Von Anna-Lena Dohrmann | 09.10.2012
    Miko Arlt:
    "Ich habe es auch noch nicht gesehen."

    Bernd-Michael Harnoss:
    " Kommen sie doch am besten hier rüber, dann sehen Sie es auch gut. Von hier bin ich hier reingegangen und habe hier eben auch das Vorstehen des zusammengebrochenen Knochens entfernen können."

    Der Gefäßchirurg Prof. Bernd-Michael Harnoss zeigt gerade seinem internistischen Kollegen Dr. Miko Arlt den frisch operierten Fuß ihres gemeinsamen Patienten. Der Fuß ist noch geschwollen, seitlich ist eine große Naht sichtbar und an der Fußsohle eine gut verheilende Wunde. Der Patient leidet unter dem sogenannten diabetischen Fußsyndrom. Vor zwei Jahren hatte Rüdiger Haberland das erste Mal eine Druckstelle an seinem Fuß entdeckt:

    "Und da war ich bei einem einfachen normalem Chirurgen und da hat der gesagt, da müsste man ringsherum bloß das Horn abschneiden und dann würde das schon wieder gehen. Und das wurde aber nicht besser, im Gegenteil, das wurde immer schlechter. Aber Schmerzen direkt hatte ich keine."

    Dieser fehlende Schmerz ist typisch für den diabetischen Fuß. Denn die Zuckerkrankheit schädigt über Jahre hinweg die Nerven. Die Patienten spüren deshalb nicht mehr, wenn sie sich verletzen. Außerdem wird die Hornhaut spröde und rissig. So entstehen schnell kleine Wunden, die oft unentdeckt bleiben und sich dann infizieren.
    Zusätzlich haben Diabetiker oft Durchblutungsstörungen an den Beinen. Das erschwert ebenfalls die Wundheilung. Und noch etwas kommt hinzu, so Oberarzt Miko Arlt:

    "Also die Nerven sind zum Beispiel auch daran beteiligt, an der Feinsteuerung unserer Abrollbewegung, aber auch der Steuerung der kleinen Muskeln im Fuß. Und diese kleinen Muskeln im Fuß sind nun wiederum dafür da, so ein gesundes Fußgewölbe und eine gesunde Stellung der Knochen des Fußes aufrechtzuerhalten."

    Funktionieren sie nicht mehr, verformt sich der Fuß. Bei dem Patienten Haberland war das ganze Fußgewölbe zusammengebrochen. Die Knochen hatten an der Fußsohle durch die Haut gedrückt und mussten jetzt operativ entfernt werden. Vorher gab es allerdings viele andere Behandlungen:

    "Also Herr Haberland hat zuerst eine Behandlung seiner akuten Infektion am Fuß bekommen durch Medikamente und durch eine kleine Operation, dann hat er eine Wiederherstellung der Durchblutung seines Fußes bekommen, dann hat er eine Rekonstruktion seines Fußskelettes bekommen. Und jetzt muss der Patient natürlich einen Schuh bekommen, der den Fuß so belastet, dass die Wunden tragenden Fußteile vollkommen entlastet werden.""

    Eines wird dabei schnell klar: Hier müssen Experten aus den unterschiedlichsten Fachgebieten zusammenarbeiten. Deshalb gibt es im Parkkrankenhaus Leipzig eine wöchentliche Fuß-Visite, so der Gefäßchirurg Harnoss:

    ""Wir sind immer sechs, sieben Personen, die dann zusammenkommen, sodass aus diesem Gesamtspektrum für jeden Patienten jeweils die Therapieentscheidungen sachgerecht getroffen werden können."
    Neben den Ärzten kommen auch Orthopädietechniker, spezielle Schuhmacher und Fußpfleger zu der Visite. Außerdem arbeitet das Krankenhaus eng mit den ambulanten Fachärzten zusammen. Und letztendlich ist vor allem die Mitarbeit des Patienten selbst unerlässlich:
    "Der Patient muss seine Krankheit begreifen, er muss es verstehen, damit er gewährleisten kann, dass er Frühsymptome von Veränderungen wahrnimmt und dann rechtzeitig gegebenenfalls sich auch wieder vorstellt."

    Schließlich kann sich der Patient nicht auf ein Schmerzsignal verlassen, er muss seine Füße also genau im Blick haben. Rüdiger Haberland hat Glück: seine Frau hilft ihm dabei – und zwar mit 30 Minuten Fußpflege pro Tag. Deshalb sind die Ärzte besonders optimistisch:

    "Ja Herr Haberland – wie ich ihnen schon sagte, es wird nicht mehr allzu lange dauern. Also eine gute Woche, denke ich, müssen wir das hier noch versorgen und dann können sie wieder in ihre häuslichen Gefilde zurückkehren."
    " Vielen Dank!"
    ""Gerne!"