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Deutscher kandidiert als Vize-Präsident für Internationalen Turner-Bund

Im mexikanischen Cancun trifft sich der Internationalen Turner-Bund zu seinem 79. Kongress. Im Laufe der Woche soll sein Präsident gewählt werden. Für das Amt kandidieren dürfen nur Vize-Präsident oder Mitgleider des Exekutivkomitees. Der Italiener Bruno Grandi will nach 16 Jahren im Amt erneut wiedergewählt werden. Erstmals bewirbt sich auch der Sportdirektor des Deutschen Turnerbundes Wolfgang Willam. Der 56-Jährige ist seit 2004 Mitglied des Exekutivkomitees.

Von Sandra Schmidt | 21.10.2012
    Der FIG-Kongress verspricht spannend zu werden, hat doch der 78-jährige Italiener Bruno Grandi erstmals Gegenkandidaten und derer gleich zwei. In seiner seit nun 16 Jahren andauernden Präsidentschaft hat Grandi eine Reihe von Reformen angestoßen, die ihm nun zum Vorteil gereichen könnten. Unter den vielen kleinen und turnerisch unterentwickelten Ländern, denen er zu mehr Aufmerksamkeit und Bedeutung verhalf, sind nicht zuletzt die finanzstarken Verbände aus Kuwait und Katar.

    Finanzstark ist auch Grandis Gegenkandidat Vassily Titov, Vorstandsmitglied der russischen VTB-Bank, die – und dies ist kurios genug – einer der Hauptsponsoren der FIG ist. Er hat keinerlei Erfahrungen im Turnen und sollte dem 52-Jährigen der Coup gelingen, wird man wohl nachfragen müssen, womit er die Delegierten überzeugt hat.
    Der zweite Gegner Grandis ist Adrian Stoica aus Rumänien, bislang Vorsitzender des Technischen Komitees der Männer. Er hat sich in der Vergangenheit meist eher für die Ergebnisse der rumänischen Turner und weniger für die Entwicklung des großen Ganzen eingesetzt.

    Auch Wolfgang Willam, dem gute Chancen auf einen der drei Posten als Vize-Präsident eingeräumt werden, versteht seine Aufgabe als Vertretung der Interessen des DTB. Auf die Frage nach seinem Programm antwortet er, es gehe um "internationale Einflussnahme" und führt aus:

    "Es geht um Einflussnahme auf Wertungsvorschriften, es geht um Einflussnahme auf Startalter von Turnerinnen und verschiedene andere Aspekte, die man natürlich auf internationaler Ebene im deutschen Sinne, also im Sinne des Deutschen Turner-Bundes umsetzen kann."

    Ginge es nach Bruno Grandi wären erst 18-Jährige Frauen international startberechtigt und in diesem Punkt stützt der DTB offenbar die Position des aktuellen Präsidenten. Willam zu Bestrebungen vor allem südamerikanischer Verbände, das Alter wieder zu senken:

    "Da gilt es für mich dagegen zu halten, und das sukzessive weiter nach oben zu setzen, wir wollen keinen Kindersport bei den Turnerinnen, wir wollen auch dort mündige Athleten präsentieren."

    Eine Forderung, die das weibliche Turnen zweifelsohne revolutionieren würde, deren Umsetzung allerdings utopisch ist, da sie nie eine Mehrheit der Verbände finden wird.
    In anderen Fragen ist der 56-jährige Deutsche, dessen Karriere beim DTB 1978 begann, vorsichtiger. So sieht er das zunehmende Engagement von Ländern aus dem arabischen Raum als "nicht kritisch", schließlich sei es Aufgabe des Weltverbandes "weltumspannend zu denken". In Hinblick auf die extrem hohen Trainings- und Wettkampfbelastungen sagt Willam, das müsse man "im Blick haben", betont allerdings auch die Notwendigkeit größerer Präsenz der Weltbesten im Fernsehen. In der Frage schließlich, ob die internationalen Sportverbände die Vergabe von Großveranstaltungen an Forderungen zur Einhaltung der Menschenrechte knüpfen sollten, sind auch von ihm keine Überraschungen zu erwarten:

    "Der Sport hat Vorrang und die Probleme, die die Politik nicht löst, kann der Sport nicht lösen, natürlich darf man da die Augen nicht verschließen."

    Es stehe fest, dass die Weltmeisterschaft der Rhythmischen Sportgymnastik 2013 in der Ukraine stattfindet. Die Sprache der Sportpolitik beherrscht Wolfgang Willam, welche Impulse er konkret setzen kann, wird sich im Fall seiner Wahl noch zeigen müssen.