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Dicke Luft macht Atemnot

Medizin.- Wissenschaftler der Universität Toronto sind dem Verdacht nachgegangen, dass dicke Luft eine Asthma-Erkrankung bei Kindern begünstigt. Gemeint ist nicht nur die Verschmutzung durch Abgase, sondern – im übertragenen Sinn – vor allem Stress zu Hause.

Von Volkart Wildermuth | 21.07.2009
    Schlechte Luft ist schlecht für Asthma, das ist klar. Autogase und Zigarettenrauch können sogar die Entstehung von Asthma begünstigen. Aber nicht jedes Kind ist anfällig für diese Umweltfaktoren. Die Gene spielen eine Rolle – und vor allem der Stress im Elternhaus. Das zeigt eine aktuelle Studie in der Zeitschrift "PNAS". Ketan Shankardass von der Universität in Toronto sucht nach Verbindungen zwischen Asthma, Stress und der Luftverschmutzung. In Kanada ist die Luft aber relativ sauber, deshalb hat er sich mit Forschern an der Universität von Südkalifornien zusammengetan. Zwischen Los Angeles und San Diego herrscht richtig dicke Luft.

    "Die Gegend ist für ihren Smog berüchtigt, es gibt unglaublich viel Verkehr, überall sind Highways, dort ist man schon lange an Asthma interessiert."

    Die Forscher haben fast 2500 Kinder zwischen fünf und neun Jahren untersucht. Zu Beginn der Studie waren sie alle gesund, drei Jahre später hatten 120 Kinder Asthma entwickelt. In Südkalifornien gibt es viele Messgeräte für Luftverschmutzung. Mit Hilfe dieser Daten und eines geographischen Computermodells der Gegend haben Ketan Shankardass und seine Kollegen die Belastung der gesunden und der kranken Kinder berechnet und verglichen.

    "Die Luftverschmutzung durch den Verkehr erhöht das Risiko für Asthma um 30 Prozent."

    Wenn man das Viertel der Kinder aus den am stärksten belasteten Wohnorten, mit dem Viertel der Kinder aus den saubersten Gegenden vergleicht. Die Forscher interessierten sich aber nicht nur für die Umweltverschmutzung, sondern auch für psychologische Faktoren. Sie hatten die Eltern zu Beginn der Studie gefragt, ob sie das Gefühl hätten, keine Kontrolle über ihr Leben zu haben, überlastet zu sein.

    "Für sich genommen führt psychologischer Stress nicht zu einem höheren Risiko, Asthma zu entwickeln."

    Der psychische Stress beeinflusst aber maßgeblich, wie die kindliche Lunge mit der Luftverschmutzung zurecht kommt.

    "Wenn wir uns die Kinder ansehen, die wenig Stress im Elternhaus erleben, dann hat die Luftverschmutzung bei ihnen praktisch überhaupt keinen Einfluss auf die Entwicklung von Asthma. Ganz anders bei Familien mit viel Stress, da verstärkt sich der Effekt der Luftverschmutzung, das Asthmarisiko ist um die Hälfte höher."

    Soziale- und Umweltfaktoren wirken zusammen, verstärken sich gegenseitig. Das klingt erst einmal seltsam, ist biologisch aber durchaus plausibel. Die Autoabgase und auch Zigarettenrauch führen im Körper zu Bildung von aggressiven Sauerstoffradikalen. Psychologischer Stress beeinträchtigt die Fähigkeit des Stoffwechsels, solche Verbindungen zu neutralisieren. Beide Faktoren aktiveren auch das Immunsystem, das verantwortlich ist für die bedrohliche Verengung der Atemwege bei einem Asthmaanfall. Letztlich interpretiert Ketan Shankardass beide Faktoren, Luftverschmutzung wie psychologischen Stress, als Einflüsse der Gesellschaft auf die Gesundheit der Kinder.

    "Soziale Unterschiede beim Asthma wurden schon oft beobachtet. Psychologischer Stress und Luftverschmutzung treten in ärmeren Gegenden gehäuft auf. Unsere Studie zeigt, wie soziale Unterschiede die Lebensqualität von Kindern aus benachteiligten Schichten beeinträchtigen und dass sich die verschiedenen Faktoren dabei noch gegenseitig verstärken und die Gesundheit der Kinder weiter gefährden."